Martin Postle (ed.): Johan Zoffany RA. Society Observed, New Haven / London: Yale University Press 2011, 312 S., 225 Farbabb., ISBN 978-0-300-17604-9, GBP 40,00
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Mary Webster: Johan Zoffany. 1733-1810, New Haven / London: Yale University Press 2011, XII + 708 S., 330 Farb-, 100 s/w-Abb., ISBN 978-0-300-16278-3, GBP 75,00
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Diese Rezension erscheint auch in KUNSTFORM.
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Zwei aktuelle Neuerscheinungen widmen sich dem aus Deutschland stammenden, aber weitgehend in England tätigen Maler und Gründungsmitglied der Royal Academy Johann Zoffany: Der von Martin Postle edierte Katalog begleitet die im Yale Center for British Art in New Haven und der Royal Academy in London gezeigte Ausstellung, während Mary Webster eine umfassende, insgesamt 700 Seiten starke, reich bebilderte Monografie vorlegt. Zoffany gilt als bedeutender Vertreter der besonderen Form des Gruppenporträts - des Conversation Piece - in seiner späteren Phase der 1760er-Jahre. War Zoffany über längere Zeit unbeachtet - so fand die letzte Einzelausstellung, kuratiert von Mary Webster, 1976 in der National Portrait Gallery in London statt -, wird er in den letzten Jahren im Rahmen des Interesses für das Conversation Piece "wiederentdeckt".
Diese "Wiederentdeckung" Zoffanys ist gebunden an die wachsende Kombination kunsthistorischer und sozialgeschichtlicher Forschungen, an den Rückgriff auf Porträts als Quelle für die "material culture" und die gesellschaftlichen Gepflogenheiten ihrer Entstehungszeit. Gerade das Conversation Piece, das die Dargestellten in geselligem Beisammensein in detailliert wiedergegebenen Empfangsräumen oder Gärten abbildet, erweist sich hierfür als besonders ergiebig. Das wachsende Interesse an Zoffany deutete sich bereits in der Ausstellung über die Kunstförderung unter Georg III. und Königin Charlotte und einer dem Conversation Piece gewidmeten Ausstellung ab, die beide in der Queen's Gallery in London 2004 bzw. 2009 stattfanden und Arbeiten aus dem königlichen Besitz präsentierten. Auch die Forschungen zur Rolle der Frau und des Kindes in der Gesellschaft des 18. Jahrhunderts trugen ebenso wie die wachsende Bedeutung der Colonial Studies zu einem steigenden Interesse an Zoffany bei, der sich in den 1780er-Jahren in Indien aufhielt.
Johannes Zoffany wurde als Sohn eines am Regensburger Hof beschäftigten Kunsttischlers geboren und erhielt seine Ausbildung bei dem Regensburger Hofmaler Martin Speer. Nachdem Zoffany 1750 nach Italien reiste, gehörte er in Rom dem Kreis um Anton Raphael Mengs an. 1757 kehrte er nach Deutschland zurück und ging 1760 nach London, um sich hier eine neue Karriere aufzubauen. Damit war ein Wechsel des Faches verbunden: War er in Deutschland weitgehend als Historienmaler tätig, arbeitete er in England im Porträtfach. Neben dem Einzelporträt führte er besonders Conversation Pieces aus, die sowohl Gruppen bei gesellschaftlichen Begegnungen als auch Szenen aus zeitgenössischen Theaterinszenierungen umfassen. Durch die Vermittlung einflussreicher Förderer gelangte er an den königlichen Hof, wo er als Deutscher wohlwollend aufgenommen wurde, stammte doch Georg III. aus dem Haus Hannover und seine Frau aus dem Haus Mecklenburg-Strelitz. Nach einem erneuten Aufenthalt in Italien 1772-1779, zunächst im Auftrag der Königin, um die Engländer in Florenz und die Hauptwerke der Uffizien festzuhalten, brach Zoffany 1783 nach Indien auf, wo er bedeutende Vertreter der englischen Regierung und des Handels sowie indische Herrscher porträtierte. Als Grund für seine Indienzeit werden finanzielle Erwägungen und vielleicht auch das in England selbst nachlassende Interesse an der Gattung des Conversation Piece erachtet, das im entfernten Indien aber noch begehrt war.
Der Ausstellungskatalog der Royal Academy, der in einleitende Essays und Katalognummern unterteilt ist, folgt einer chronologischen und thematischen Gliederung, die einander in Zoffanys Œuvre weitgehend entsprechen. Martin Postle gibt eine solide Einführung in die Forschungsgeschichte, in das Leben und Werk des Künstlers. Er nennt die wesentlichen Forschungsansätze, die wichtigen Stationen und Arbeiten Zoffanys, wobei er auf seine Charakteristika hinweist. Allerdings konzentriert sich sein Aufsatz "Johan Zoffany: An artist abroad", dessen Titel sowohl auf Zoffany als deutscher Künstler in England als auch auf seine vielfältigen Reisen besonders nach Italien und Indien verweist, eher auf Zoffanys gesellschaftliches Umfeld - also auf die äußeren Bedingungen, das kulturelle Milieu, in dem seine Werke entstanden, auf Einflüsse und Anregungen -, als dass er sich den stilistischen Aspekten widmete.
Robin Simons Aufsatz gilt Zoffanys Beziehung zum Theater seiner Zeit, seiner Freundschaft zu dem berühmten Schauspieler David Garrick, dessen persönliche Inszenierung und dessen Rollen er in zahlreichen Porträts festhielt und damit festigte. Dabei schildert Simon, wie Zoffany das Theaterbild als Historienbild auffasst, indem er einen bestimmten Moment der Inszenierung herausgreift, von dem aus sich die Handlung markant erschließt und er diesen in eine Umgebung setzt, die nur bedingt den Handlungsort der Bühne wiedergibt, sondern vielmehr einen Raum zeigt, der die Handlung dramatisch unterstützt, welcher aber durch die Konzentration auf den Vordergrund eine durchaus bühnenartige Wirkung besitzen kann. Durch Licht und Nahsicht verstärkt Zoffany die Wirkung des Handlungsmomentes. Vergleichend betrachtet Simon die Porträts Garricks von William Hogarth, der sich auf den Schauspieler als Einzelperson in seiner Rolle konzentriert, dabei aber entsprechend der Empfehlungen in seinen "Discourses" für Haltungsmotive nobilitierend auf die Antike zurückgreift. Simon kommt zu dem Ergebnis, dass Zoffany die Welt der Bühne als Täuschung zeigt und diese Welt selbst nicht wahrheitsgetreu wiedergibt. Dieses entspreche insgesamt seinem Werk im Bereich des Conversation Piece. Wie schon Mary Webster 1976 zeigen konnte, lassen sich auch hier gerade in Hinblick auf die räumliche Umgebung und die Ausstattung zahlreiche Abweichungen nachweisen, die jedoch mit dem Ziel erfolgten, das gesellschaftliche Umfeld und die für die Angabe des sozialen Status relevanten Objekte und damit Interessen einprägsam und eindrucksvoll wiederzugeben.
Clarissa Campbell Orr widmet sich Zoffany als Hofkünstler, wobei sie nicht nur seine Tätigkeit am englischen Hof darstellt, sondern auch an fünf weiteren: in Regensburg, Trier, Florenz, Parma, Wien und zudem in Indien. Sie schildert die jeweilige politische Struktur und gesellschaftliche Ordnung der Höfe, die Kunstförderung wie auch die Stellung des Künstlers am englischen Hof, dessen Besonderheit die kosmopolitische und zugleich stark deutsche Ausrichtung sei. Auch die Auswirkungen der Aufklärung bei den höfischen Aufträgen werden dargelegt.
Kate Redford, die sich schon 2006 mit dem Conversation Piece besonders unter dem Aspekt von historischen Familienstrukturen, mit der Definition der Rolle der Geschlechter im 18. Jahrhundert und dem Verständnis vom Wesen des Kindes beschäftigt hat, greift in ihrem Aufsatz zu Zoffany und der englischen Porträtmalerei verhaltener ihre früheren Beobachtungen auf. Als Überblick schildert sie die Geschichte des Conversation Piece in England mit seiner ersten Blüte in den 1730er-Jahren unter Hogarth, Hamilton, Devis und anderen. Sie erläutert die Art der Auftragsvergabe, die Anliegen und Ziele dieser besonderen Art des Gruppenporträts, schildert die durch Zoffany erarbeiteten Neuerungen sowie einzelne Besonderheiten und deren Bedeutung, Zoffanys Auseinandersetzung mit Hogarth und Reynolds, die überlegte Auswahl des Ortes und die Komposition der Figuren.
Zwei Aufsätze sind Zoffanys Zeit in Indien gewidmet. Maya Jasanoff schildert das Leben in Calcutta und Lucknow, wo Zoffanys Haupttätigkeitsbereich lag, die spezifischen Unterschiede der beiden Städte, die für das kulturelle Leben und für Zoffany wichtigen Persönlichkeiten. In ihrem Aufsatz geht es somit um die Rahmenbedingungen für Zoffanys Werk in Indien. Charles Greig folgt Zoffany auf seinen Reisen durch das Land. Sein Thema sind nun nicht nur die Porträts, sondern auch die Landschaften, die Zoffany während dieser Reisen festhielt und später in den Hintergrund seiner Conversation Pieces einstellte. Er rekonstruiert die Route und die Erlebnisse, die Sehenswürdigkeiten und Ereignisse während Zoffanys Reise.
Der letzte Essay von Jessica David gilt Zoffanys Technik, die am Beispiel des Conversation Piece der Drummond Familie von 1769 vorgestellt wird. Sie rekonstruiert anhand von schriftlichen Quellen und technischen Untersuchungen der Bilder die Ausstattung von Zoffanys Studio, seine Materialien und seine Arbeitsweise.
Auf die einführenden Aufsätze schließt sich der chronologisch und nach Themenkomplexen unterteilte Katalog an, der der Gliederung der Aufsätze folgt und einzelne Werke mit Bilddaten, Provenienzangaben und Auswahlliteratur sowie einem umfassenden Kommentar vorstellt. Dabei bleibt der Katalog auf die Person Zoffanys konzentriert. Vergleiche mit Werken anderer Künstler erscheinen nur innerhalb der Katalognummern, doch werden diese Arbeiten nicht als Einzelnummern vorgestellt. Es handelt sich somit um eine rein monografische Ausstellung und Publikation. Zumeist sind diese Vergleiche stilistisch ausgerichtet, solche ikonografischer Art finden sich nur selten. Trotz aller Bemühungen in den Aufsätzen, das Umfeld des Künstlers vorzustellen und ihn in seine Zeit einzuordnen, bleibt doch Zoffany als eher isoliert wirkende Einzelfigur stehen. In den Katalognummern werden weiterhin in Hinblick auf die Gattung des Porträts durchaus typisch Angaben zum Kontext des Auftrags gegeben: Hintergründe der Entstehung, Anmerkungen zur Biografie der Dargestellten und zum abgebildeten Ort, zum Inhalt der Theaterstücke, aus denen Zoffany eine Szene zeigt. Daneben finden sich Beobachtungen zum Stil des Künstlers während eines bestimmten Schaffensabschnittes, die Diskussion von Forschungsmeinungen, Hinweise auf künstlerische Einflüsse.
Katalog und Aufsätze sind von einer vorbildlichen Gründlichkeit und erlauben einen detaillierten Blick auf das so lange in den Hintergrund gedrängte Werk Zoffanys. Doch überwiegen die sozialhistorischen Fragestellungen oftmals die strenger kunsthistorischen Komplexe, womit sich der Katalog dem Umgang der Forschung mit Zoffanys Werk in den letzten Jahren durchaus anschließt. Aufschlussreich ist es jedoch, die Gesamtheit des Werkes vorgestellt zu bekommen und nicht Einzelaspekte, sondern die Entwicklung des Künstlers und seines Werks aus unterschiedlichen Phasen und Bereichen verfolgen zu können.
Der Ausstellungskatalog ist, wie die darin enthaltenen Verweise deutlich machen, Mary Websters Forschungen zu Zoffany verbunden, die 1976 mit der Ausstellung ihre erste Äußerung fanden und die nun in einer neuen Monografie von 2011 vorliegen. Hierbei handelt es sich um eine klassische Monografie, die die sozialhistorischen Aspekte, welche auch den Katalog und die jüngeren kunsthistorischen Forschungen zu Zoffany prägten, vernachlässigt. Stattdessen widmet sich Webster chronologisch und thematisch geordnet dem Leben und Werk des Künstlers. Dabei bilden sich genau wie beim Ausstellungskatalog sich deckende Bereiche, die durch die Konzentration bestimmter Werke in einem spezifischen Zeitabschnitt den Vergleich innerhalb des Œuvres des Künstlers erleichtern. Webster widmet sich einigen bisher vernachlässigten Forschungsfeldern, wobei sich gerade für die frühe Zeit von Zoffanys Karriere interessante Ergebnisse einstellen, wenn Webster versucht, die Lücken zwischen seiner Tätigkeit in Deutschland und der Arbeit für Garrick, den englischen Adel und das Königshaus zu schließen. Sie betont die Unterschiede der Kunstproduktion in Deutschland und England, in die sich Zoffany erst einfügen musste, diskutiert die unterschiedlichen Quellen zu seiner Tätigkeit im Studio von Benjamin Wilson und erschließt den frühen Kreis von einflussreichen Förderern um John Montagu, den Earl of Sandwich und Lord Barrington, Robert Price und Robert Marsham, über die sich erst die Verbindung zu Garrick und dem Earl of Bute ergab, welcher dann als Vermittler an Georg III. fungierte. Hiermit werden wichtige Ergebnisse vorgelegt.
Webster parallelisiert biografische Quellen und die Werke selbst, denen sie sich mit Gründlichkeit, detailliertem Blick und Umsicht widmet, wobei sie sowohl ikonografische als auch stilistische Fragen klärt. Dieses umfassende Vorgehen, die straffen Bildbeschreibungen lenken den Blick wieder auf die Bilder selbst, auf die künstlerischen Qualitäten, die gelungenen, oftmals verhalten witzigen Bildideen Zoffanys, der deutsche und englische Traditionen des Gruppenporträts zu etwas Neuartigem kombiniert. Es liegt damit eine klassisch kunsthistorische Arbeit im besten Sinne vor, die durch den dezidierten Blick auf Künstler und Werk bei weitgehendem Verzicht auf modernere, interdisziplinär ausgerichtete Ansätze die Arbeiten in den Mittelpunkt stellt und damit auf Aspekte und Bereiche verweist, die bei einem Künstler wie Zoffany, von dem bisher kein modernes Werkverzeichnis vorlag, bei dem sich die Forschung auf bestimmte Werkgruppen konzentrierte, bislang vernachlässigt wurden. Webster arbeitet gegenüber ihrem früheren Katalog besonders das Frühwerk mit der deutschen Zeit und den ersten Jahren in England, die großformatigen Einzel- oder Paarporträts sowie das Spätwerk mit den Jahren in Indien auf bzw. setzt ihre Forschungen zu bedeutenden Arbeiten wie den Theaterbildern und dem im Auftrag Königin Charlottes entstandenen Conversation Piece "The Tribuna" fort, in dem Zoffany die sich in Italien aufhaltenden Engländer in der Tribuna zusammen mit einer Auswahl von Kunstwerken aus der Sammlung der Uffizien wiedergibt. Hier beschäftigt sie sich ebenso wie in dem Conversation Piece, das Gelehrte in Charles Townleys Antikensammlung zeigt, mit den zeitgenössischen Veränderungen in Umgang mit Kunst, der Präsentation von Sammlungen und Verfahren ihrer Erforschung. Dieser Ansatz trägt dazu bei, die Auswahl und Anordnung der dargestellten Kunstwerke zu erklären und zu begründen. Vorbildlich geht sie in ihren Analysen auf Bilddetails ein, die ikonografisch und biografisch gedeutet werden, nimmt eine stilistische Beschreibung und vergleichende Einordnung vor, die Einflüsse herausarbeitet und Traditionen aufzeigt.
Die Monografie schließt mit einem Kapitel, das über Zoffanys Studio, seine Technik und Malweise berichtet, ihn im Urteil seiner Zeitgenossen darstellt und kurz auf seine Schüler eingeht, sowie mit einem umfassenden Anhang, welcher Quellen zu Zoffany zugänglich macht. Dazu zählen ein Verzeichnis der von Zoffany beschickten Ausstellungen mit Nennung der gezeigten Werke, historische Quellen und Familiendokumente, Auktionskataloge von Zoffanys Studio-Ausstattung und ein Verzeichnis von als Stich reproduzierten Werken des Künstlers.
Die beiden zeitgleich erschienenen Publikationen füllen ein wichtiges Forschungsdesiderat in Hinblick auf einen Künstler, dessen längere Vernachlässigung sich vielleicht mit dem Urteil, das bereits seine Zeitgenossen fällten, als "accomplished practioner rather than an innovator in an already flourishing and fashionable genre" (Webster, 115) erklären lässt. Dabei bieten sie einen Blick von unterschiedlichen Standpunkten auf das Werk: einmal mit eher interdisziplinärer Ausrichtung, die Zoffany im sozialen Kontext seiner Zeit betrachtet, zum anderen aus kunsthistorischer Sicht. Gerade diese durch Webster vorgenommene Leistung ist es, die - obwohl traditioneller als der modernere Ansatz - die wichtigere und bisher noch nicht erbrachte Forschung liefert. Zusammengenommen bieten sie ein umfassendes Bild von dem Künstler in seiner Zeit.
Michaela Braesel