Alexander Koller: Imperator und Pontifex. Forschungen zum Verhältnis von Kaiserhof und römischer Kurie im Zeitalter der Konfessionalisierung (1555-1648) (= Geschichte in der Epoche Karls V.; Bd. 13), Münster: Aschendorff 2012, X + 494 S., ISBN 978-3-402-13994-3, EUR 69,00
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Die im anzuzeigenden Band gesammelten Beiträge können als eindrucksvolle Demonstration der Bedeutung und Notwendigkeit historischer Grundlagenforschung - insbesondere in Form d.i. sorgfältig gearbeiteter Quelleneditionen - betrachtet werden. Sie sind das Ergebnis der in den frühen 1990er Jahren einsetzenden Beschäftigung Alexander Kollers, des stellvertretenden Direktors des Deutschen Historischen Instituts in Rom, mit den Korrespondenzen der päpstlichen Diplomaten und verwandten Quellen. Seit der Gründung des Instituts in Rom 1888 steht die Edition der Nuntiaturberichte aus dem Alten Reich auf der Agenda der Institutstätigkeit (vgl. hierzu 5-8 und 213-215); ihre Ergebnisse füllen mehrere Regalmeter in den Bibliotheken. Kollers Forschungen, an verschiedenen Orten zwischen 1998 und 2011 publiziert, ergeben ein facettenreiches Bild der Beziehungen zwischen Kurie und dem Kaisertum zwischen 1555 und 1648. Für den vorliegenden Sammelband hat er sie thematisch geordnet und vereinheitlicht.
Gegliedert ist der Band in drei Teile: Der erste Teil, "Kaiser und Papst", ist den politisch-kirchlichen Beziehungen zwischen Papsttum und dem Kaiserhof im Zeitraum von der Mitte des 16. Jahrhunderts, dem Abschluss des Augsburger Religionsfriedens, bis zum Westfälischen Frieden gewidmet.
Die Päpste taten sich schwer, sich mit dem Religionsfrieden im Reich abzufinden und suchten einige Jahrzehnte nach einer politischen Linie. Kennzeichnend für die kuriale Politik in diesem Zeitraum ist die Spannung zwischen einer an der "Staatsräson" orientierten und einer konsequent konfessionalisierten Politik. Aber, so betont Koller, "Papsttum und Kurie [scheiden] als Vertreter des militanten, kriegstreibenden Katholizismus im Kampf gegen die protestantische Heterodoxie in Europa - zumindest für die Zeit um 1600 - weitgehend aus" (153). Dennoch ist die Konfessionalisierung päpstlicher Reichspolitik bzw. gegenüber den Habsburgern um 1600 bzw. im Vorfeld des Dreißigjährigen Krieges nicht zu übersehen. Der seine Treue zur erneuerten katholischen Kirche betonende Ferdinand von Innerösterreich wurde sowohl in seinem Bemühen um die Thronfolge im Habsburgerreich als auch nach der Wahl zum Kaiser unterstützt. (157-173).
Während des kurzen Pontifikats Gregors XV. Ludovisi (1621-1623) erreichte die "Konfessionalisierung" päpstlicher Reichs- und Außenpolitik in Form einer militanten antiprotestantischen und vor allem anticalvinistischen Ausrichtung ihren Höhepunkt. Gregors XV. Instruktionen an seine Nuntien triefen geradezu von anticalvinistischen Tiraden (180), und er unterstützte massiv und mit viel Geld den Kaiser und Bayern im Kampf gegen die Böhmische Rebellion. So erhielt der Nuntius am Kaiserhof den Auftrag, den Kaiser "darauf zu drängen, den Krieg bis zur völligen Vernichtung der 'ostinate reliquie de' rebelli' ('verbliebenen hartnäckigen Rebellen') weiterzuführen" (180). Calvinisten sind für diesen Papst der "Abschaum der Menschheit ('la più malvaggia gente del mondo')", Genf ein zweites "Sodom" (181). Hier drängte die Kurie offensiv auf das Zurückdrängen der "Häretiker" im Reich - Priorität haben die Calvinisten - und entsprechend befürwortete man die Idee einer Übertragung der pfälzischen Kur an Bayern, um so die katholische Mehrheit im Kurkollegium zu sichern (184).
Mag diese "fundamentalistische" Zuspitzung der päpstlichen Reichspolitik Episode geblieben sein - Urban VIII. suchte bekanntlich die Annäherung an Frankreich - sollte die Wirkung dieser Politik bedacht werden, was Koller nicht thematisiert. Gregors XV. so eindeutig an der Leitkategorie Konfession orientierte Politik kann nicht ohne Resonanz geblieben sein - sie wird als unversöhnlich wahrgenommen worden sein, mit dem Ergebnis, dass die Gräben zwischen den Konfliktparteien vertieft wurden. Damit trug sie womöglich dazu bei, den Konflikt im Reich eskalieren zu lassen, mit den bekannten Folgen. Wenn man nach Gründen sucht, wieso die Böhmische Rebellion in einen Dreißigjährigen Krieg mündete, dann findet man die Antwort auch in solcher sprachlichen Diskreditierung des Gegners (der darin der Kurie in nichts nachstand).
Der zweite, aus vier Beiträgen bestehende Teil, "Rom und die habsburgischen Länder" beschäftigt sich mit der Wahrnehmung der inneren Entwicklungen des Habsburgerreichs - auch hier stand natürlich die konfessionelle Situation im Vordergrund, ob in Böhmen, der Lausitz oder in Ungarn.
Es ist aber zu betonen - und hier gewinnt der Hinweis auf die Quelleneditionen an Bedeutung -, dass eben nicht nur konfessionelle und politische Beziehungen zwischen den beiden wichtigen Akteuren europäischer Politik anhand der Nuntiarberichte untersucht werden können. Die Kapitel des dritten Teils der Sammlung über "Aufgaben und Profil eines nachtridentischen Nuntius" (271), zum Karriereverlauf von Nuntien am Kaiserhof (287-301), zum "Nuntienalltag" und zur "Lebenswelt" von Nuntien (388402) oder über die "Leichenrede auf den Nuntius Ottavio Santacroce († 1581)" zeigen die Erträge dieser Quellen auch für die jüngeren Fragestellungen und Ansätze einer erneuerten Politikgeschichte bzw. "Kulturgeschichte der Diplomatie".
So lassen sich am Beispiel der Nuntien Reichweite und Grenzen frühneuzeitlicher Bürokratisierungsprozesse verfolgen. Im Laufe von rund hundert Jahren bildeten sich gewisse Anforderungen an die Nuntien heraus, ebenso wie gewisse "Kollektivkarrieren" deutlich werden. Der idealtypische Nuntius verfügte über theologische und juristische Kenntnisse, um seinen Aufgaben, die nicht nur politischer, sondern nach 1563 auch kirchenpolitischer und kirchenrechtlicher Natur waren, nachgehen zu können. Denn nach dem Abschluss des Trienter Konzils gehörte die Überwachung und Beförderung der Reformbeschlüsse zu den wichtigsten Aufgaben der Nuntien, die damit "zu einer wichtigen Vermittlungsinstanz des innerkirchlichen Reformprogramms" in ihren Nuntiaturen wurden (278). "Promovere il negocio de la riforma" wurde zu einem der zentralen Thema aller Instruktionen der Nuntien (283).
Der Karriereverlauf eines Nuntius lässt sich gut mit dem eines seiner weltlichen Kollegen vergleichen - hier wie dort wechselten sich Verwendung im Inneren, so etwa in der Administration, mit der diplomatischen Mission ab. Auch für Nuntien gab es keine Garantie, mit der Übernahme einer Nuntiatur an den Kaiserhof auch die innerkirchliche Karriereleiter hinauf zu klettern. Am Ende konnte die Erhebung in den Kardinalsrang stehen, musste es aber nicht. Auch für Nuntien galt, wie für alle hohen Ämter im Kirchenstaat, dass ein Pontifikatswechsel einen abrupten Karrierebruch bewirken konnte (300).
Mit Kollers Studien liegt nun eine handbuchartige Darstellung der päpstlichen Nunitiaturen und darüber auch der Funktionsweise kurialer Diplomatie im Zeitalter der katholischen Reform am Beispiel päpstlichen päpstlicher Nuntien beim Kaiser vor. Auch ohne tiefergehende Kenntnis der verschiedenen Nuntiaturakten ermöglichen die Studien einen Einstieg einerseits in die Ziele und Ergebnisse päpstlicher Reichspolitik wie auch einen Einblick in eine hochentwickelte Form frühneuzeitlicher Diplomatie. Dass es an einigen Stellen zu Wiederholungen kommt, stört weiter nicht. Vermisst wird lediglich eine Gesamtzusammenfassung, in der Koller Bilanz seiner bisherigen Forschungen zieht.
Sven Externbrink