Martin Espenhorst / Heinz Duchhardt (Hgg.): Frieden übersetzen in der Vormoderne. Translationsleitungen in Diplomatie, Medien und Wissenschaft (= Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz; Beiheft 92), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2012, 286 S., 10 Abb., 9 Grafiken, 1 Tabelle, ISBN 978-3-525-10114-8, EUR 54,99
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Der Band versammelt elf Beiträge, die aus dem dreijährigen Verbundprojekt "Übersetzungsleistungen von Diplomatie und Medien im vormodernen Friedensprozess. Europa 1450-1789/1815" zwischen dem Leibniz-Institut für Europäische Geschichte in Mainz, dem Institut für Europäische Kulturgeschichte in Augsburg und der Staatsgalerie Stuttgart hervorgegangen sind. Eine Grundlage dieses Projekts war die vorangegangene Erschließung von Friedensverträgen der Vormoderne durch das Mainzer Institut. Das Projekt "Übersetzungsleistungen" untersuchte nicht nur sprachliche Übersetzungen, sondern auch mediale und kulturelle Übersetzungen, die im Prozess des Friedensverhandelns ebenso eine Rolle spielten wie dabei, den geschlossenen Frieden zu vermitteln. Übersetzungsleistungen ermöglichten erst den Frieden und seine Rezeption. Sie produzieren aber auch Missverständnisse, die, wie der Beitrag von Martin Espenhorst zeigt, ein durchaus komplexes Phänomen sind, das in der Frühen Neuzeit bewusst kalkuliert und analysiert wurde. Übersetzungsleistungen produzieren zudem im weiteren Sinne kulturellen Mehrwert. So führten die Standardisierungen der Friedenspraktiken zu einer eigenen "Friedenssprache" der Schlüsselbegriffe, wie Martin Espenhorst in der Einführung zu den Beiträgen betont. Der Beitrag von Johannes Burkhardt konkretisiert dies, indem er zeigt, wie sich zwischen Augsburger Religionsfriede und Westfälischem Frieden unter Führung Kursachsens sogar eine "Reichsfriedenssprache" herausbildete.
Der Band will mit Übersetzungsleistungen auf eine Analysekategorie der vormodernen Friedensforschung aufmerksam machen, deren Erforschung erst am Anfang steht. Er gliedert sich dabei in zwei Teile, von denen der erste die "Translationen von Friedensverträgen, Friedensvertragssprachen und Begründungsmetaphern" untersucht, der zweite jene in "Diplomatie und Wissenschaft". Angesichts dessen, dass die Themenstellungen insgesamt eng zusammenhängen, dass die Beiträge dabei aber auch ganz unterschiedliche Akzente setzen, erscheint diese Zweiteilung ein wenig künstlich und dem Zwang zur Strukturierung geschuldet. Dem Leser erschließt sich die Pionierleistung des Bandes vielleicht besser, indem er sich auf jeden der Beiträge individuell einlässt, zumal auch das Register eine inhaltliche Orientierung ermöglicht.
Übersetzung ist zunächst einmal ein Phänomen, das die Sprache betrifft. Dem Beitrag von Andrea Schmidt-Rösler, der die Sicht auf die diplomatischen Verständigungssprachen im 17. und 18. Jahrhundert gründlich analysiert, kommt insofern eine methodisch-theoretische Schlüsselfunktion für andere mit sprachlichen Übersetzungsleistungen der Diplomatie befasste Beiträge zu. Sie verweist darauf, dass das Ideal des Gesandten als Redner sich im 17. Jahrhundert hin zum Gesandten als Unterhändler wandelte, der nicht zwingend die Sprache dessen sprach, mit dem er verhandelte, und zu dessen Kernkompetenzen keine Fremdsprachenkenntnisse gehörten. Auch wenn Mehrsprachigkeit bzw. die Beherrschung wichtiger Kultur- und Verkehrssprachen wie vor allem des Lateinischen und des Französischen zur Bildungswirklichkeit vieler Unterhändler gehörten, kam dem Dolmetscher eine immer wichtigere Rolle zu. Dies war auch der zunehmenden sprachlichen Vielfalt der Neuzeit geschuldet, wie Schmidt-Rösler in einer Tabelle verdeutlicht, die sie nach den Angaben Friedrich Carl von Mosers von 1750 erstellt hat und die einen Überblick darüber gibt, welche Mächte miteinander in welchen Sprachen verhandelten. Sprachliche Vielfalt konstatiert auch Kay Peter Jankrift für die Vertragssprachen seit dem 16. Jahrhundert. Er widerlegt aber vor allem für die Diplomatie die These, Deutsch sei durch Luther die Sprache des Protestantismus geworden, Latein die des Katholizismus. Er verweist auf Konflikte um die Verhandlungssprache schon in der Zeit vor der Glaubensspaltung, über die hinaus Latein immer noch die zentrale überkonfessionelle Sprache der Diplomatie blieb. Für die Übersetzung von Friedensverträgen kommt Benjamin Durst zu dem wenig überraschenden, aber hier in einem fleißigen Vergleich von Friedensvertragsübersetzungen belegten Urteil, dass diese in der Qualität sehr unterschiedlich waren. Die Konsequenzen reichen bis in die Gegenwart, wie Durst deutlich macht, indem er aufzeigt, dass eine schlechte englische Übersetzung des Westfälischen Friedens aus dem 17. Jahrhundert bis heute vielfach genutzt wird. Mit verschiedenen Sprachen prallen in der Diplomatie nicht selten unterschiedliche kulturelle Systeme aufeinander: Maria Baramova zeigt für die habsburgisch-osmanische Diplomatie und Friedensverträge, wie mit Übersetzungen auch verschiedene Völkerrechtsverständnisse übersetzt werden mussten und existente Asymmetrien überspielt wurden. Die Professionalisierung der sprachlichen Übersetzungen verlief parallel mit der Überwindung der Asymmetrie in den Beziehungen zum 18. Jahrhundert hin.
Die Rolle der Sprache in Übersetzungsleistungen berührt allerdings mehr als nur Fremdsprachen. Auch Begriffe und Zuständigkeiten wandeln sich und mit ihnen die Theorien, die Frieden und Diplomatie in einen theoretischen Überbau übersetzen. So analysiert Niels F. May Gleichgewicht als eine sich wandelnde Begründungsmetapher, die zeitgenössisch unterschiedlich analysiert und kritisch hinterfragt wurde. German Penzholz verweist darauf, dass sich die Zuständigkeit für den Frieden immer mehr vom Fürsten weg hin zu Funktionseliten verlagerte, so dass die Theorie des Friedenschließens sich weg von Fürstenspiegeln und hin zu einer funktionalen spezialisierten Literatur verschob. Eine solche, die Politikwissenschaft des 17. Jahrhunderts, untersucht Wolfgang E.J. Weber im Hinblick auf Außenpolitik und außenpolitisches Handeln.
Übersetzung ist aber nicht nur Übersetzung in Sprache, sondern gerade in einer weniger alphabetisierten und überhaupt stark bild- und symbolfixierten Epoche wie der Frühen Neuzeit auch Übersetzung in Bildlichkeit: Cornelia Manegold zeigt in ihrem recht lang und deskriptiv geratenen Beitrag am Beispiel des Friedens von Rijskwijk von 1697, dass die zeitgenössische Bildberichterstattung über Diplomatie, Friedensschlüsse und Friedensfeiern ein Bedürfnis nach einer durch Bilder konstruierten Authentizität erkennen lässt, die der modernen durchaus vergleichbar ist. Bedauerlich ist die zum Teil schlechte Qualität der Abbildungen und zudem eine offenbar im Drucksatz erfolgte Konfusion, die durch eine dem Beitrag hinzugefügte Corrigenda-Seite korrigierte werden musste. Heinz Duchhardt verweist wiederum auf die lange Wirkmächtigkeit solcher Übersetzungen des Friedens in Bilder: Er kontextualisiert die Neuauflage der berühmten Gesandtenporträts des Westfälischen Friedens von Anselm van Hulle im Vorfeld des Rijswijker Friedens 1696/97. Diese wurden nun zu Mahnung und Modell des Friedenschließens und wurden durch eine neue Titulatur mit konkretem Europabezug aktualisiert.
Die Beiträge sind insgesamt sowohl quantitativ als auch qualitativ recht unterschiedlich, was wohl auch der Tatsache geschuldet ist, dass hier Nachwuchswissenschaftler neben etablierten Fachhistorikern versammelt sind. Einige Beiträge beeindrucken durch statistische Erschließungen und Überblickstabellen, welche der bisher zumeist exemplarischen Annäherung an das Thema wichtige Grundlagen an die Hand geben. Trotz der Tatsache, dass die Beiträge aus einem gemeinsamen Projekt hervorgegangen sind, ist leider auch in ihrer sonstigen Umsetzung wenig Gemeinsamkeit zu erkennen. Obwohl es immer wieder zu thematischen Überlappungen kommt, so z.B. bei der Analyse von Henri de Rohan durch May und durch Weber, wird kein gemeinsamer Bezug hergestellt, und es ist nur selten zu erkennen, dass ein Austausch stattgefunden hat. Der Absicht des Bandes, auf die Forschungsrelevanz vormoderner Übersetzungsleistungen aufmerksam zu machen, hätte solch eine stärkere Geschlossenheit zweifellos unterstützt. Aber auch so ist das Thema mit diesem Band nun in der Forschung innovativ positioniert, und die einzelnen Beiträge bieten Anregungen und vielfach auch Grundlagenforschungen für weitere Arbeiten.
Anuschka Tischer