Sebastian Strube: Euer Dorf soll schöner werden. Ländlicher Wandel, staatliche Planung und Demokratisierung in der Bundesrepublik Deutschland (= Umwelt und Gesellschaft; Bd. 6), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2013, 256 S., 1 Karte, 1 Abb., 1 Tabelle, ISBN 978-3-525-31711-2, EUR 49,99
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An was denken Sie, wenn Sie den Titel des Wettbewerbs "Unser Dorf soll schöner werden" hören? Erzeugt das bei Ihnen auch Bilder von üppigen Hängegeranien, von Bushäuschen im Fachwerkstil und ungelenken Sitzgelegenheiten in den Zentren der ländlichen Peripherie? Eventuell hat gerade dieses Stereotyp bisher den historischen Blick auf eines der erfolgreichsten Instrumente eines gelenkten Strukturwandels der jungen Bundesrepublik geprägt. Eine erstaunliche Leerstelle, wenn man bedenkt, dass zwischen 1961 und 1979 insgesamt über 40 000 Bewerbungen bei der Jury eingingen.
Erfreulicherweise liegt nun die Dissertationsschrift des Historikers und Journalisten Sebastian Strube vor, der den oft als "Blumenschmuckzauber" belächelten Dorfwettbewerb auf einer breiten Quellen- und Literaturlage systematisch untersucht hat. Der schlaue Titel "Euer Dorf soll schöner werden" signalisiert bereits, dass der Wettbewerb nicht aus einem inneren Interesse der Dörfer, sondern als externes Steuerungsmittel für den ländlichen Wandel entstand. Wie sehr aber dieses Instrument, das sich laut Strube "in etwa 15 Jahren dreimal neu erfand" (22), ständig veränderten Bedingungen und Ansprüchen an die Peripherie angepasst wurde, arbeitet der Autor mit einem diachronen Zugriff plastisch heraus. Er bietet nicht nur die Chronologie eines populären Wettbewerbes, sondern darüber hinaus einen Beitrag zur Geschichte bundesrepublikanischer Ordnungspolitik und sich rasant ändernder Vorstellungen von Modernisierung.
Strube beginnt seine Arbeit mit der historischen Herleitung des Wettbewerbes: Der "Spin doctor" Graf Lennart Bernadotte, selbst schillernde Figur im elitären Netzwerk des Natur- und Heimatschutzes der jungen Bundesrepublik, gab als Vorsitzender der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft den Impuls für den Wettbewerb und konkretisierte ihn mithilfe von Gestaltern wie Heinrich Wiebking-Jürgensmann oder dessen Schüler Gerhard Olschowy. Die Prägung dieser Generation durch die nationalsozialistische Planungspolitik ist inzwischen gut untersucht. Aber Strube erinnert auch an die ersten Anläufe für Dorfwettbewerbe im Dritten Reich als man "Musterdörfer" als Horte "unverfälschten Volkstums" auszeichnete. Zwar ist eine unmittelbare institutionelle Kontinuität im Wettbewerb nicht nachweisbar, gleichwohl zeigt sich die Fortdauer auf inhaltlicher Ebene.
Die inhaltlichen Vorläufer aus dem Nationalsozialismus, die Konzepte von Landschaftsschutz und die völkische Gedankenwelt eines Wiebking prägten auch die elitären Debatten der Nachkriegszeit, wurden kanalisiert und fanden schließlich "Übersetzer" wie Olschowy, der die Themen semantisch umarbeitete und sie dabei mit neuen Konzepten anreicherte: "Aus der völkischen Landschaft Wiebkings" wurde nun als Ausdruck der Harmonie zwischen bäuerlichem Wirtschaften und Natur "eine aus bäuerlichem Schaffen erwachsene Kulturlandschaft" (75). Das war auch mit den Grundzügen der Grünen Charta von Mainau kompatibel, die als neue ökologisierte Planungslinie 1961 von einem ähnlichen Personenkreis verkündet worden war. In diesem Grundsatzpapier waren die aktuellen Umweltprobleme und Gestaltungsvorhaben weniger in eine Zivilisations- und Kulturkritik als vielmehr in den Kontext der Gesundheitsfürsorge und der Erhaltung natürlicher Ressourcen in die pluralistische Demokratie der BRD eingebettet und damit diskursfähig.
Allerdings mussten sich die Ausrichter des Wettbewerbs, den die Deutsche Gartenbaugesellschaft gemeinsam mit dem Bundeslandwirtschaftsministerium 1961 das erste Mal auf Bundesebene ausrichtete, bald feststellen, dass die Fokussierung auf eine "bäuerliche Volkskultur" obsolet war. Strube zeichnet diese Realitätsverschiebung exemplarisch an drei Dörfern nach, die sich an dem Wettbewerb beteiligten: Die Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges mit massiven Zerstörungen, die neuen Gegebenheiten durch die innerdeutsche Grenze, der Zuzug von Flüchtlingen und die beginnenden Pendlerbewegungen zeigten deutlich, dass die traditionellen Dorfstrukturen und die Bedürfnisse der ländlichen Bewohner sich radikal änderten.
Der nächste Abschnitt des Buches, der sich mit der Zeit zwischen 1963 und 1967 beschäftigt, spiegelt wider, wie die Veranstalter den Wettbewerb auf Bewertungskriterien abstellten, die den ländlichen Raum in seine Funktionen als Wirtschafts-, Wohn- und Erholungsraum gliederten. Der Wettbewerb setzte auf einen Modernisierungskurs, der unter anderem Infrastrukturausbau und die Angleichung der Lebensverhältnisse auf dem Land einbezog. Damit hielt auch eine Garde neuer Experten in die Dörfer Einzug, die Landschafts- und Grünordnungspläne für die Orte entwickelte und sie so in den Kontext einer übergeordneten Raumplanung stellte.
Der letzte Abschnitt fokussiert auf die Veränderungen des Wettbewerbs Ende der 1960er- bis 1970er-Jahre, als sich die Planungseuphorie allmählich abkühlte. Im Klima der sozial-liberalen Koalition rückte nun das lokale bürgerschaftliche Engagement unter dem Vorzeichen einer breiten Demokratisierung in den Vordergrund der Ausschreibungen. Es sollte als Korrektiv einer übermächtigen staatlichen Planung und nach den Gemeindereformen auch als Refugium der kommunalen Selbstgestaltung fungieren. Ende der 1970er-Jahre wurde die Funktionslogik abgelöst und auch hinsichtlich eines stringenteren Denkmalschutzes wieder stärker auf Kultur und Tradition gesetzt: "Gestaltung bedeutet nun nicht mehr Neuordnung sondern Verwaltung des Gegebenen." (213)
Neben diesen wechselnden politischen und planerischen Intentionen der Ausrichter macht Strube deutlich, welche Bedeutung der Wettbewerb aus Sicht der Dörfer hatte. Zum einen entwickelte er sich zu einer populären Kontaktzone zwischen Peripherie und Zentren: Durch ihn wurde den Dörfern eine öffentliche Aufmerksamkeit gezollt, die sie bisher so noch nicht besessen hatten. Vor allem setzte er Energie für örtliche Eigeninitiativen frei, was die Ausrichter nicht erwartet hatten. Und auch weil der Wettbewerb den ganzen Ort mitsamt seiner (modernisierten) Infrastruktur, seiner architektonischen Substanz, seinen Gemeinschaftseinrichtungen und seiner "Einbettung" in die Landschaft in Augenschein nahm, schien er die Bevölkerung zu motivieren, selbst zu Gestaltern zu werden. Gleichzeitig bot er ein Label, von dem die ausgezeichneten Orte dank des Werbeeffekts unmittelbar profitierten und das selbst zu einem identitätsstiftenden Bindemittel wurde.
Zu den stärksten Passagen in dieser klar strukturierten Studie gehören die "exemplarischen" Feldstudien einzelner Orte. Hier wird auch die Sicht der Dörfer beziehungsweise ihrer Bewohnerinnen und Bewohner und der Eigensinn der Beteiligten, der sich bisweilen bei der Interpretation des Wettbewerbs zeigte, sichtbar. Aus umwelthistorischer Sicht fällt die Analyse des Aspektes des "Umweltschutzes" und der "Nachhaltigkeit", die in dem Wettbewerb angelegt waren, etwas vage aus, zumal die großen staatlichen Programme des ländlichen Strukturwandels wie beispielsweise die Flurbereinigung mit massiven Eingriffen in die Natur einhergingen. Schade ist, dass nicht mehr visuelle Quellen mit (Selbst-)Darstellungen der Dörfer und Akteure zu sehen sind. [1] Tatsache ist, dass Strube eine aufschlussreiche Arbeit über ein bedeutendes Mittel zur Neuordnung der Bundesrepublik vorgelegt hat, das nicht nur bestens lesbar, sondern auch für alle, die an der Planungs- und dörflichen Entwicklungsgeschichte der jungen BRD interessiert sind, sehr zu empfehlen ist.
Anmerkung:
[1] Einen kleinen visuellen Aufschlag findet man in der Broschüre http://dorfwettbewerb.bund.de/fileadmin/sites/Startseite/01_Unser_Dorf_hat_Zukunft/50_Jahre_Dorfwettbewerb/files/50_Jahre_Dorfwettbewerb_Festschrift_01.pdf.
Anna-Katharina Wöbse