Rezension über:

Valerie L. Garver / Owen M. Phelan (Hgg.): Rome and Religion in the Medieval World. Studies in Honor of Thomas F.X. Noble (= Church, Faith and Culture in the Medieval West), Aldershot: Ashgate 2014, XXVIII + 349 S., ISBN 978-1-4724-2112-8, GBP 80,00
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Rezension von:
Kordula Wolf
Deutsches Historisches Institut, Rom
Redaktionelle Betreuung:
Ralf Lützelschwab
Empfohlene Zitierweise:
Kordula Wolf: Rezension von: Valerie L. Garver / Owen M. Phelan (Hgg.): Rome and Religion in the Medieval World. Studies in Honor of Thomas F.X. Noble, Aldershot: Ashgate 2014, in: sehepunkte 15 (2015), Nr. 1 [15.01.2015], URL: https://www.sehepunkte.de
/2015/01/25227.html


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Valerie L. Garver / Owen M. Phelan (Hgg.): Rome and Religion in the Medieval World

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Durch einschlägige Studien hat Thomas F.X. Noble während der vergangenen vier Jahrzehnte zu einem besseren Verständnis unter anderem der Karolingerzeit, der frühmittelalterlichen Geschichte des Papsttums und der Stadt Rom beigetragen. An erster Stelle sind hier seine Monografien "Images, Iconoclasm, and the Carolingians" (2009) und "The Republic of St. Peter: The Birth of the Papal State, 680-825" (1984) zu nennen - beides Publikationen, die das Attribut "Meilenstein" verdienen. Noble, der nicht nur wegen seiner Gelehrsamkeit, sondern auch aufgrund seiner Qualitäten als Hochschullehrer hohes Ansehen genießt, feierte im Jahr 2012 seinen 65. Geburtstag. Aus diesem Anlass entstand eine Festschrift, die dem Genre entsprechend auf Themen und Aspekte Bezug nimmt, die den Jubilar während seiner langjährigen Forschungen aus unterschiedlicher Perspektive beschäftigt haben.

Ohne weitere thematische Untergliederung präsentiert der Band ein facettenreiches "Bouquet" (XX), das durch den Titel "Rome and Religion in the Medieval World" lose zusammengehalten wird und seinen Schwerpunkt vor allem in der Epoche der Karolinger hat. Wichtiges Charakteristikum der Festschrift ist ihre Quellenzentriertheit, womit hier besonders die intensive Beschäftigung einer Reihe von Beiträgern und Beiträgerinnen mit Einzelaspekten beziehungsweise Überlieferungsfragen eines bestimmten Textes oder Manuskripts gemeint ist: Arators De actibus Apostolorum (Giselle de Nie), Sedulius' Vita Publii Virgilii einschließlich kritischer Edition und englischer Übersetzung (John J. Contreni), des im Codex Carolinus überlieferten Briefes (Nummer 45) Papst Stephans III. an Karl den Großen und Karlmann (Walter Pohl), Astronomus' Vita Hludowici imperatoris (David Ganz), des Epitaphium Arsenii (Mayke de Jong), des MS Scaliger 49 in der Universitätsbibliothek Leiden (Rosamond McKitterick), des altenglischen Arundel-Psalters MS 60 in der British Library (Rachel Fulton Brown), des Krönungsevangeliars im Wiener Kunsthistorischen Museum (Lawrence Nees) sowie der Libri Carolini und ihrer Rezeption im 17. Jahrhundert (Karl F. Morrison). Das Spektrum der untersuchten Überlieferungen erschöpft sich natürlich bei Weitem nicht in den hier genannten Texten und wird zudem durch materielle Quellen wie Textilien (Maureen C. Miller) oder Reliquien (Julia M. H. Smith) ergänzt. Entsprechend groß ist auch die Bandbreite an Themen und Fragestellungen, auf die von den Autoren und Autorinnen eingegangen wird. Sich an die mittelalterliche Florilegia-Tradition anlehnend (XX), haben die Herausgeber darauf verzichtet, die insgesamt 13 Beiträge nach bestimmten Schwerpunkten zu gruppieren und stattdessen je einen Aufsatz einem Chapter zugeordnet. Eine inhaltliche Kohärenz des Bandes ist daher kaum erkennbar und ergibt sich in erster Linie durch den Bezug auf Nobles Forschungen.

Unter den verschiedenen neuen Perspektiven, die in der Festschrift präsentiert werden, sei im Folgenden nur eine kleine Auswahl vorgestellt. Für die Zeit Karls des Großen ist zunächst der Beitrag von Walter Pohl zu erwähnen. Er ordnet den bekannten, von Stephan III. im Jahr 770 aus Anlass der Heiratspläne mit den Langobarden an die Frankenkönige adressierten Brief in die rhetorische Tradition der Invektive und den weiteren Kontext des Heiratsverbot-Diskurses ein und kann auf diese Weise herausarbeiten, dass das vom Papst gegenüber Karl und Karlmann ausgesprochene Verbot, alienigenae uxores zu ehelichen, kein Reflex einer konsistenten Praxis war, sondern ein in einer konkreten politischen Situation von päpstlicher Seite unternommener Versuch, unter Rekurs auf gentile Zuordnungen zwischen nostrates und alienigenae innerhalb der christlichen Welt zu polarisieren. Auch wenn, so Pohl, letztendlich eine inklusive Vorstellung vom populus Christianus überwogen habe, sei unter ihrem Dach breiter Raum für die Propagierung einer ethnischen Fundierung politischer Herrschaft gewesen: "By the eighth century, the popes had adapted to living in a world of gentes, which gave them more room to move than a dominant empire." (63)

Dass sich in der Karolingerzeit eine abstrakte Vorstellung von "Christentum" und "Christenheit" erst allmählich herauszubilden begann, kann John Van Engen in seinem Beitrag darlegen. Der Terminus christianitas sei damals noch überwiegend im Sinne von Taufritual bzw. Taufsakrament gebraucht worden, konnte aber zugleich in seiner moralischen und religiösen Dimension zum Referenzpunkt werden, um Menschen an die Gemeinschaft zu binden und diese zu verteidigen. Die Verwendung des lateinischen Begriffs christianitas als Kollektivterminus habe schließlich auf lange Sicht in den europäischen Volkssprachen den Weg geebnet für die noch heute existierende begriffliche Differenzierung zwischen der Sphäre der Religion ("Christianity") und derjenigen der politischen Ordnung bzw. religiösen Gemeinschaft ("Christendom").

Aus einem wiederum ganz anderen Blickwinkel präsentiert Julia M.H. Smith eine anregende Fallstudie zu einer weitgehend intakten und in situ gebliebenen Reliquiensammlung. Sie geht dabei von der materiellen Überlieferung in der päpstlichen Palastkapelle Sancta Sanctorum aus und fragt danach, wie Reliquien von frühmittelalterlichen Päpsten aufbewahrt wurden und welche Zuschreibungen damit verbunden waren. Die ältesten Zeugnisse führen zurück in die Zeit Gregors des Großen, während ab dem 11. Jahrhundert mit der zunehmenden Bedeutung von St. Peter nur noch wenige neue Reliquien hinzukamen, was darauf schließen lasse, dass dem Reliquienschatz nur noch geringes Interesse zukam. Obwohl die Genese der Sammlung methodisch vor so manche Schwierigkeit stellt und eine Rekonstruktion der ursprünglichen Reliquienausstattung der Laurentius-Kapelle unmöglich macht, kann Smith zeigen, dass es sich um einen dynamischen Bestand handelte, der von Akkumulation und Redistribution lebte und vor allem den Fluss von Reliquien lokaler oder "östlicher" Provenienz zwischen römischen Kirchen bis zum 9. Jahrhundert dokumentiert. In diesem Sinne spiegeln die Sancta-Sanctorum-Reliquien "early medieval Rome's medial position between East and West" (201), aber auch "the Lateran's place in the city and Rome's place in the world" (202) wider. Angesichts der Umverteilungen und Neuetikettierungen spricht Smith prägnant von "fragile identities" der Reliquien (204), weshalb auch noch viele Fragen bezüglich ihrer liturgischen Rolle, ihrer ideologischen Bedeutung und ihres historischen Werts offen bleiben.

Das Hineinschnuppern in die hier ausgewählten "Blüten" des bunten Bouquets kann nur ein unvollständiges Bild von dem vermitteln, was der Band zu bieten hat. Durch den unterschiedlichen Zuschnitt der Beiträge gewährt er über die bereits genannten Aspekte hinaus nicht zuletzt auch einen profunden Einblick in das handwerkliche Repertoire und in methodische Fragen, die für die Erforschung des Frühmittelalters von grundlegender Bedeutung sind. Abgerundet wird die Festschrift durch eine Publikationsliste des Jubilars, eine Aufzählung der Qualifikationsarbeiten seiner Schüler und Schülerinnen, eine Übersicht der zitierten Handschriften sowie einen "General Index" in Form eines Orts-, Personen- und Sachregisters. Mag die Aufsatzsammlung zu Ehren von Thomas F.X. Noble als Gesamtlektüre vielleicht eher weniger geeignet sein, so erlaubt sie doch Spezialisten und Spezialistinnen wie Nichtspezialisten und Nichtspezialistinnen auf unterschiedlichen Themengebieten viele spannende Details und neue Perspektiven zu entdecken. Auf eine interessierte Leserschaft kann das Buch auf jeden Fall zählen.

Kordula Wolf