Dieter Fischer / Hermann Maué: Medaillen und Schaumünzen auf Ereignisse in der Reichsstadt Nürnberg: 1521-1806, Nürnberg: Germanisches Nationalmuseum 2014, 309 S., 16 Farb-, 684 s/w-Abb., ISBN 978-3-936688-79-5, EUR 38,50
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Das von der Kunstgeschichte gewöhnlich als randständig vernachlässigte Gebiet der Medaille wurde Ende 2013 mit der breit aufgestellten Publikation "Wettstreit in Erz. Porträtmedaillen der deutschen Renaissance" erstmals seit Georg Habichs 1929/34 erschienenem Corpuswerk "Die deutschen Schaumünzen des XVI. Jahrhunderts" wieder grundlegend thematisiert, wobei hier fast ausschließlich der Bereich der Bildnismedaille eine umfassende Analyse und vielfältige Kontextualisierung erfuhr. [1] Der personengebundenen Gattung Porträt entsprechend, wurde auch die Mehrzahl der Porträtmedaillen seit der frühen Neuzeit durch Einzelpersonen in Auftrag gegeben. Medaillen erfüllten den Wunsch, das Äußere dauerhaft festzuhalten, und kamen zugleich dem Bedürfnis nach Selbstdarstellung nach, sie konnten reproduziert, verschenkt oder vererbt werden, waren materialbeständig und damit der Memoria besonders dienlich.
Durch spezielle, oft stadtgeschichtliche Ereignisse veranlasste Medaillen hingegen, die nicht immer mit Porträts verbunden sind, fungierten per se vorrangig als Erinnerungsstücke. Dieter Fischer und Hermann Maué haben solche Ereignismedaillen mit Blick auf Nürnberg in den Fokus genommen und erstmals eine systematische Bestandserfassung für die Reichsstadt zwischen 1521 und 1806 vorgelegt. Als Beiband zum Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums erschienen, präsentiert sich die Publikation im typischen Layout des hauseigenen Museumsverlages. Das materialreiche Buch gliedert sich in eine ausführliche "Einleitung" (8-29) und einen chronologisch angelegten "Katalog" (30-272) mit 341 Objektnummern, die aus rund halb so vielen historischen Anlässen resultieren. Im "Anhang" (273-298) finden sich unter anderem nützliche Verzeichnisse der deutschen und fremdsprachigen In- und Umschriften mit Übersetzungen und Quellenangaben sowie eine Zusammenstellung der einschlägigen Medailleure, Stempelschneider, Verleger und Entwerfer mit ihren Lebensdaten. Ein Personen- und Ortsregister beschließen den Band.
Neben Augsburg war Nürnberg das wichtigste Zentrum der Medaillenproduktion nördlich der Alpen, wo das neue Medium seit 1518 weite Verbreitung fand. Die fränkische Metropole war eine der bedeutendsten Städte des Reiches, hier wurden zahlreiche Reichstage abgehalten, es florierten Handwerk, Fernhandel und Hochfinanz. Ereignismedaillen spielten auch in Nürnberg im Vergleich zu Bildnismedaillen lange eine untergeordnete Rolle, ihr Aufkommen zeugt von einem erstarkenden städtischen Selbstbewusstsein. So liefert die konzise Einführung einen facettenreichen Überblick, indem höchst unterschiedliche Aspekte des Themas als gattungsspezifische Determinanten verdeutlicht werden: Als eine der historischen Rahmenbedingungen wird etwa die Verfassung der Reichsstadt vorgestellt. Viele Ereignismedaillen resultieren aus Aufträgen der verschiedenen Ratsorgane, oft finden sich einzelne Vertreter des Stadtregiments mit ihren Wappen auf offiziellen Stücken verzeichnet. Ratsmitglieder und städtische Repräsentanten erhielten wiederum recht konstant Exemplare der vom Magistrat in Auftrag gegebenen Medaillen. Die Struktur des Nürnberger Stadtregiments lässt vielfach Rückschlüsse auf Auftrag und Distribution einer bestimmten Medaille zu. Bisweilen haben auch hochstehende Bürger, Patrizier und Adelige Medaillen auf persönlich relevante Ereignisse prägen lassen. Weitere Unterkapitel der Einleitung widmen sich Standards und Besonderheiten wie dem Nürnberger Landgebiet oder der Nürnberger Wappendreiheit, außerdem Quellen und Verteilung der Inschriften, Darstellungen der Stadtsilhouette und technisch-praktischen Fragen wie Herstellung, Auflagenhöhe, Verteilung und Vertrieb sowie den ersten Prägemaschinen.
Die Kaiser erhielten während eines Aufenthalts in Nürnberg gewöhnlich großzügige Medaillengeschenke, möglicherweise hatte der Rat zudem Medaillen für andere Gelegenheiten in der Reserve. Städtische Medaillen wurden auch für Grundsteinlegungen benötigt, wo sie zunehmend eine früher Urkunden vorbehaltene Funktion übernahmen, aber auch an Mitglieder der Verwaltung und am Bau Beteiligte ausgegeben wurden. Die früheste Grundsteinmedaille nördlich der Alpen, die 1538 vom Nürnberger Rat auf die Errichtung der Burgbastei in Auftrag gegeben wurde, sollte in der Reichsstadt bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts Vorbildcharakter behalten. Als besonders aufschlussreich erweist sich innerhalb der Einführung eine Zusammenstellung der Nürnberger "Medaillen auf wiederkehrende Ereignisse" (19-23): Neben dynastisch-politischen Anlässen wie Kaiserbesuchen und Fürstentagen waren dies auch städtische Schießwettbewerbe sowie Jubiläen und Jahrestage, etwa des Pegnesischen Blumenordens oder der Erfindung des Buchdrucks; es findet sich jedoch auch Exotisches und Staunenswertes, wie etwa eine Medaille auf eine blühende Aloe, ein öffentlich ausgestelltes Nashorn oder eine aufsehenerregende Ballonfahrt. Besonders stark im reichsstädtischen Bewusstsein verankert, kamen neue Medaillenemissionen freilich regelmäßig an reformatorischen Gedenktagen oder im Zusammenhang mit der Universität Altdorf zustande.
Mit der inhaltlichen Konzeption, die oft anspielungsreiche Allegorien und gelehrte Inschriften umfasste, wurden meist humanistisch Gebildete, Professoren oder Geistliche, beauftragt. Ende des 16. Jahrhunderts fertigte in Nürnberg mit Valentin Maler ein Künstler Ereignismedaillen auch für den freien Verkauf, wobei er sich eigens das Copyright an seinen Stücken durch den Kaiser sichern ließ. Als die Medaillenkunst nach dem Dreißigjährigen Krieg einen neuen Aufschwung erlebte, übernahmen ab den 1660er-Jahren regelrechte Medaillenverleger das Geschäft, die mittels gedruckter Listen für ihre Produkte warben. Diese Verkaufskataloge trugen fortan maßgeblich zur überregionalen Verbreitung Nürnberger Medaillen bei. Komplizierte Text- oder Bildinhalte wurden den Käufern nun oft separat auf mitgelieferten Zetteln erklärt, was den Zugang zum Medium erleichterte. Schon in der ersten Hälfte des - besonders medaillenreichen - 18. Jahrhunderts setzten in Nürnberg vielfältige Forschungen und medaillenkundliche Publikationen ein, wobei die einzelnen Stücke vor allem in ihrem historischen Kontext verortet wurden.
Die "Einleitung" ist durch zahlreiche Querverweise eng mit den Objekten im "Katalog" verklammert, für nahezu alle angesprochenen Aspekte wird auf konkrete Beispiele verwiesen. Der Umfang der einzelnen Kommentare, denen (fast) immer eine Schwarzweißabbildung und eine Beschreibung von Vorder- und Rückseite vorangestellt sind, variiert je nach Bedeutung der Medaillen. Die separaten Literaturangaben am Ende jedes Katalogeintrags zeigen, dass einige Stücke bislang noch nie wissenschaftlich bearbeitet wurden. Auch aus diesem Grund stellt der vorliegende Band eine willkommene Ergänzung auf dem Gebiet der Medaillenforschung dar. Um jedoch zu einem gewissen Resümee zu gelangen, wäre zukünftig noch eine ähnlich grundlegende Erforschung der Medaillen auf Augsburger Ereignisse wünschenswert. Auch wenn eine Parallelstudie zu Augsburg wohl weniger umfangreich ausfallen würde, könnte der Vergleich den Blick auf die Relevanz historischer Ereignisse, auf Auftraggeber und ihre Beweggründe oder auf die Mechanismen von Traditionen schärfen und Medaillen als Indikatoren für dokumentationswürdige Begebenheiten und als Zeugnisse einer reichsstädtischen Erinnerungskultur prägnanter neben der urbanen Chronistik etablieren.
Anmerkung:
[1] Wettstreit in Erz. Porträtmedaillen der deutschen Renaissance. Hgg. v. Walter Cupperi / Martin Hirsch / Annette Kranz / Ulrich Pfisterer (Ausstellungskatalog. München, Staatliche Münzsammlung, 22.11.2013 - 15.3.2014 / Wien, Kunsthistorisches Museum, Münzkabinett, 3.6.2014 - 25.1.2015 / Dresden, Staatliche Kunstsammlungen, Münzkabinett, 2015), Berlin / München 2013.
Annette Kranz