Marko Brösch / Walter Andreas Euler / Alexandra Geissler (Hgg.): Handbuch Nikolaus von Kues. Leben und Werk, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2014, 448 S., ISBN 978-3-534-26365-3, EUR 79,95
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Ursula Gießmann: Der letzte Gegenpapst: Felix V. Studien zu Herrschaftspraxis und Legitimationsstrategien (1434-1451), Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2014
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Noch pünktlich im Gedenkjahr zum 450. Todestag des Universalgelehrten Nikolaus von Kues (1401-1464) ist es dem Herausgeberteam des Trierer Cusanus-Instituts gelungen, ein umfassendes Werk fertigzustellen, das sicher vielen Forschern und Interessierten als Handbuch zu Leben und Werk des Nikolaus von Kues von großem Nutzen sein wird. Zwar gibt es mehrere biografische Einführungen und unzählige wissenschaftliche Spezialabhandlungen zu seinen Schriften. [1] Eine komprimierte Darstellung auf Deutsch und auf dem Stand der aktuellen Forschung, in der man schnell Grundlegendes zu Leben und Werk nachschlagen kann, war aber ein Desiderat.
Der neue Band kann sowohl dem Experten wie auch dem allgemein interessierten Leser erste Orientierung in der reichen Lebens- und Gedankenwelt dieses Mannes geben. Cusanus setzte sich als Jurist, Rechtshistoriker, Büchersammler, Philosoph, Theologe, Mathematiker, Kirchenreformer, Bischof und päpstlicher Generalvikar aktiv mit fast allen Aspekten des 15. Jahrhunderts auseinander. 19 Autoren der internationalen Cusanus-Forschung haben ihre Expertise eingebracht, um die Strahlkraft dieses unglaublichen Schaffens in einem Buch zu bündeln.
Das Buch gliedert sich in einen historisch-biografischen Überblick (13-130), in dem auch das Nachleben und Erbe seines Wirkens in Form seiner Stiftungen und Hinterlassenschaften behandelt wird. Fast das halbe Buch widmet sich dann eingehend seinen Werken sowie deren Quellen und Rezeptionsgeschichte (131-374). Eine umfangreiche dreispaltige Zeitleiste zu Leben und Werk im Kontext der zeitgeschichtlichen Ereignisse wird sich sicher mit Blick auf die Datierung der vielen Schriften als sehr nützlich erweisen (375-390). Die ausführliche Bibliografie (391-431) sowie ein Namens- und Abkürzungsverzeichnis runden das Werk ab. Da auf einen Fußnotenapparat verzichtet wurde, sind die Texte leicht und flüssig zu lesen. Die zahlreichen Literaturverweise sind in den Text eingearbeitet.
Die biografische Einführung ist sehr gelungen und geradezu spannend zu lesen. Sie versammelt nicht nur die wichtigsten biografischen Daten, Ereignisse und Entwicklungen. Sie bringt dem Leser auch die Gestalt und den Charakter des Nikolaus von Kues näher. Ausgewogen werden die einzelnen Lebensabschnitte und Aufgaben nördlich und südlich der Alpen dargestellt. Dabei kommen gerade die Jahre des aufstrebenden jungen Konzilstheologen in Basel und Ferrara / Florenz oder die letzten römischen Jahre des gescheiterten Erzbischofs von Brixen, aber unermüdlichen Kirchenreformers nicht zu kurz.
Die Werkbeschreibungen gliedern sich jeweils in vier Abschnitte: Entstehungskontext, Werkstruktur und Inhalt, Analyse und Deutung / Forschungsstand sowie Wirkungsgeschichte. Die meisten Artikel sind auf sehr hohem Niveau geschrieben und repräsentieren den neuesten Forschungsstand oder führen ihn sogar um einige Punkte weiter. Vor allem stechen die Artikel derjenigen Autoren hervor, die sich seit Jahren mit ihrer Materie beschäftigt haben, zum Beispiel als Editoren der kritischen Werkausgabe. Ohne andere zurücksetzen zu wollen, könnten hier die Artikel genannt werden, die die Werke behandeln, die mit dem Basler Konzil oder mit der Hussitenfrage im Zusammenhang stehen. Sehr ausführlich werden auch die 213 Predigten gewürdigt (306-352). Cusanus zählte sie ja mit zu seinem Werkcorpus. Sie werden einzeln mit einigen Kurzinformationen aufgelistet.
Insgesamt sind die Artikel sehr verlässlich und durch zahlreiche Literaturangaben abgesichert. Bei der Darstellung des Hauptwerkes De docta ignorantia kommt allerdings die theologische Perspektive zu kurz. Das zeigt die zu knappe Besprechung des dritten Teils mit der Christologie, obgleich diese als Ziel des Werkes erkannt wird (147-148). So endet De docta ignorantia zum Beispiel nicht mit der Kirche (148), sondern ganz wesentlich mit dem Heiligen Geist. Die Darstellungen der Werke des Cusanus zum Islam schließlich sind nur bedingt vertrauenswürdig. Es haben sich viele Fehler oder Missverständnisse eingeschlichen, die hoffentlich in einer späteren Ausgabe berichtigt werden: Johannes von Segovia habe die Ideen von De pace fidei in Italien bekannt gemacht (200). Sein dreisprachiger Koran habe auch auf Katalanisch (statt richtig Kastilisch) vorgelegen (209). Die Erklärung Nostra Aetate des II. Vatikanischen Konzils sei "Kirchenpolitik" (201).
Die Rezeptionsgeschichte gibt sich alle Mühe, auf wenigen Seiten die wichtigsten Linien zu skizzieren, allerdings nur bis ca. ins 17. Jahrhundert (361-372). Ihr hätte man vielleicht etwas mehr Raum zugestehen sollen, auch wenn die einzelnen Werkdarstellungen auf die jeweilige Rezeption eingehen. So hätte man die frühen Druckausgaben der Werke des Cusanus ausführlicher und gesondert besprechen sollen, deren bibliografische Angaben auch im Literaturverzeichnis nützlich gewesen wären. Sie sind wichtige Zeugnisse der Rezeptionsgeschichte und werden darum in den meisten Artikeln angeführt. Nun wiederholen sich die Artikel unnötig, etwa wenn sie immer wieder die latinisierte Fassung von Jacques Lefèvre d'Étaples erwähnen. Ebenso wäre die Wiederentdeckung des Cusanus im 19. Jahrhundert einer Erwähnung wert gewesen. Auch fehlt in der Rezeptionsgeschichte, dass sich im 20. Jahrhundert die Frage nach dem Epochenbeginn und den Charakteristika der Neuzeit immer wieder gerade an Cusanus entzündete.
Die Bibliografie umfasst im Wesentlichen die in den Artikeln tatsächlich benutzte Literatur. Damit deckt sie meist auch die Standardwerke der Cusanus-Forschung ab. Allerdings gehen durch die Präferenzen der Autoren viele einschlägige Titel unter. Besonders vermisse ich Ernst Cassirers Individuum und Kosmos (Berlin 1927). Manchmal ist ein wichtiger Cusanusforscher zwar mit einem Aufsatz vertreten, doch seine Hauptschriften fehlen. Statt mit seiner enormen Leistung Individualität und Subjektivität (Münster 1999, 490 Seiten) muss sich Hubert Benz mit einem Hinweis auf eine siebenseitige Rezension aus seiner Hand begnügen. Von Albert Dahm und Reinhold Weier werden nur drei kleinere Aufsätze statt ihre viel umfangreicheren und wertvolleren Dissertationen verzeichnet. An manchen Stellen werden nur ältere Titel genannt, nicht aber die weiterführenden Arbeiten, so etwa zu Johannes Reuchlin. Besonders vermisse ich ein separates Verzeichnis der Editionen all derjenigen Exzerpte, Texte oder Marginalien aus Cusanus' Hand, die nicht in die Opera omnia, Acta Cusana oder die Cusanus-Texte aufgenommen sind. Darunter gibt es ja sehr spannende und geradezu einzigartige Texte wie zum Beispiel die Adnotatio de essenta amoris oder die ganz frühe astronomisch-astrologische Weltgeschichte. Hoffentlich schafft hier einmal eine gesonderte Rubrik des Cusanus-Portals Abhilfe.
Insgesamt wird sich dieses Handbuch als nützliches Hilfsmittel für alle diejenigen erweisen, die sich erstmals oder vertieft vom reichhaltigen Leben und Werk des Cusanus inspirieren lassen wollen. Der Preis schreckt allerdings ab. Er hätte schon mit Blick auf Cusanus' sparsames Wesen moderater ausfallen sollen.
Anmerkung:
[1] Auf Englisch liegt vor: Morimichi Watanabe: Nicholas of Cusa. A Companion to his Life and his Times, hgg. v. Gerald Christianson / Thomas Izbicki, Farnham 2011. Sehr praktisch informiert dieses Werk in circa 70 Kurzartikeln über Ideen und Ereignisse, Personen und Orte, die mit Cusanus verbunden sind.
Ulli Roth