Rezension über:

Susan B. Edgington / Helen B. Nicholson (eds.): Deeds Done Beyond the Sea. Essays on William of Tyre, Cyprus and the Military Orders presented to Peter Edbury (= Crusades - Subsidia; 6), Aldershot: Ashgate 2014, XX + 240 S., ISBN 978-1-4724-1783-1, GBP 70,00
Buch im KVK suchen

Rezension von:
Philippe Goridis
Historisches Seminar, Universität Zürich
Redaktionelle Betreuung:
Ralf Lützelschwab
Empfohlene Zitierweise:
Philippe Goridis: Rezension von: Susan B. Edgington / Helen B. Nicholson (eds.): Deeds Done Beyond the Sea. Essays on William of Tyre, Cyprus and the Military Orders presented to Peter Edbury, Aldershot: Ashgate 2014, in: sehepunkte 15 (2015), Nr. 4 [15.04.2015], URL: https://www.sehepunkte.de
/2015/04/25224.html


Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.

Susan B. Edgington / Helen B. Nicholson (eds.): Deeds Done Beyond the Sea

Textgröße: A A A

Die Beiträge des vorliegenden Bandes beruhen auf einer eintägigen Tagung, die anlässlich der Emeritierung Peter W. Edburys abgehalten wurde, der die Erforschung des mittelalterlichen Nahen Ostens grundlegend vorangebracht hat. Der Band versammelt achtzehn Beiträge von mitunter sehr bekannten Namen innerhalb der Kreuzzugsforschung und ist entsprechend den wichtigsten Forschungsfeldern des Geehrten in drei große Abschnitte gegliedert. Der erste Teil widmet sich Wilhelm von Tyrus, dem großen Historiografen des Königreichs Jerusalem, und seinen Fortsetzern. Der zweite Abschnitt beschäftigt sich mit Aspekten der Geschichte des lateinischen Zypern, während die dritte Sektion das Augenmerk auf die Ritterorden im Heiligen Land und auf der Iberischen Halbinsel legt. Die einzelnen Beiträge sind - wie es für Festschriften nicht unüblich ist - meist knapp gehalten, was einigen Aufsätzen einen miszellenartigen Charakter verleiht. Das ist insofern bedauerlich, als viele Beiträge zwar interessante Perspektiven eröffnen, diese aber nur im kleinen Rahmen ausbreiten können. Es bleibt aber die Hoffnung, dass in einigen Fällen ausführlichere Studien nachgelegt werden.

Die Sektion über Wilhelm von Tyrus und seine Fortsetzer nähert sich den komplexen Verhältnissen um diese Autoren und ihre Werke von verschiedenen Seiten an. Die ersten vier Beiträge beschäftigen sich mit Entstehung und Kompositionstechnik von Wilhelms berühmter Chronik. Von großem Interesse ist der Beitrag Benjamin Kedars, der sich mit deren Genese auseinandersetzt. Nachdem als gesichert gilt, dass Wilhelm rund 15 Jahre an seinem Werk gearbeitet hat, präsentiert Kedar erstmals Hinweise auf eine mögliche Überarbeitung der Chronik durch Wilhelm selbst. Sollte sich diese Hypothese erhärten, würde dies neue Möglichkeiten zur Deutung von Wilhelms Geschichtsbild eröffnen, deren Folgen zurzeit noch nicht abzusehen sind. Auch Alan V. Murray spürt Wilhelms Schreibtechnik nach. Er untersucht seine Verwendung biblischer Phrasen und kommt zum Schluss, dass Wilhelm biblische Zitate einerseits häufig als Kompositionsbausteine ohne tiefere Bedeutung verwendete, andererseits aber auch bewusst einsetzte, wenn er konkrete Exempel anführen wollte. Mit konkreten Erzählstrategien setzen sich Nicholas Morton und Thomas Asbridge auseinander. Asbridge zeigt auf, wie Wilhelm mit "intersecting narrative strategies" (39) eine Frühgeschichte des Fürstentums Antiochia konstruierte, die dessen interne Probleme weitgehend kaschiert. Morton greift Wilhelms Darstellung der islamischen Welt auf und liefert dabei in erster Linie eine nützliche Zusammenfassung bisheriger Forschungsergebnisse.

Den Blick auf einen anderen Aspekt der Überlieferung um Wilhelm von Tyrus lenken Philip D. Handyside, Helen Nicholson und John France, indem sie die altfranzösische Übersetzung und die altfranzösischen Fortsetzungen Wilhelms thematisieren. Gerade im Vergleich dieser anderssprachigen und zum Teil in Europa entstandenen Texte untereinander, aber auch mit Wilhelms lateinischer Chronik, ergeben sich aus kulturhistorischer Perspektive äußerst ergiebige Zugänge. So betont etwa Handyside zu Recht die große Bedeutung der altfranzösischen Übersetzung für den Vergleich französischer und lateinisch-östlicher Lebensvorstellungen. Weniger überzeugend fällt indes Norman Housleys Versuch aus, auf ähnliche Weise Parallelen zwischen den Lebenswelten von Outremer im 12. Jahrhundert und Ungarn im 15. Jahrhundert herzustellen. Im Gegensatz zum eng miteinander verflochtenen Überlieferungskomplex um Wilhelm von Tyrus, der auf einer gemeinsamen Textbasis aufbaut, scheint mir der Vergleich von historiografischen Werken aus dem nahöstlich-europäischen 12./13. Jahrhundert auf der einen und solchen aus dem ungarischen 15. Jahrhundert auf der anderen Seite aufgrund der zeitlichen - und inhaltlichen - Distanz methodisch nicht unproblematisch zu sein.

Deutlich weniger kohärent als der erste Teil präsentieren sich die Abschnitte über Zypern und die Ritterorden. Dies ist auf den Umstand zurückzuführen, dass hier mit weniger Beiträgen wesentlich breiter gefasste Themenfelder abgedeckt werden. So finden sich zu Zypern so unterschiedliche Themen wie die Entwicklung der zypriotischen Goldfadenproduktion (David Jacoby) oder die Untersuchung von Transmission und Verbreitung einer zypriotischen Chronik aus dem 15. Jahrhundert in Westeuropa (Angel Nicolaou-Konnari). Dazu gesellen sich ein Vergleich der Jerusalemer Rechtsüberlieferung hinsichtlich des Umgangs mit Tieren (Nicholas Coureas), die (Um-)Deutung eines Sohns des Grafen von Astarac von einem einfachen Bußwallfahrer zu einem heldenhaften Kreuzfahrer (Michalis Olympios) sowie die Verbindung Königin Plaisances von Zypern zur Bulla Cypria, die die Angelegenheiten zwischen lateinischen und griechischen Christen in Zypern regelte (Christ Schabel).

Der dritte und letzte Abschnitt des Sammelbandes beschäftigt sich mit den Ritterorden - oder in erster Linie mit den Johannitern. Diesen sind drei von vier Beiträgen gewidmet. Dabei geht es um Pachtverhältnisse in Jerusalem (Denys Pringle), um eine Biografie des Johannitermeisters Alfons von Portugal (Anthony Luttrell) sowie um die sich wandelnde (Selbst-)Darstellung des Ordens in Portugal zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert (Paula Maria de Carvalho Pinto Costa). Neben diesen mitunter eher deskriptiv gehaltenen Beiträgen sticht der Aufsatz von Paul F. Crawford heraus. Analog zur Forschung, die die Ursprünge der Kreuzzugsbewegung im 11. Jahrhundert oder noch früher aufgearbeitet hat, stellt sich Crawford die Frage, ob auch die Genese der Ritterorden, die gemeinhin als typische Produkte der Kreuzzüge angesehen werden, in der Zeit vor Urbans II. Kreuzpredigt in Clermont wurzeln könnte. In diesem Bestreben spürt Crawford der ideellen Vorarbeit Gregors VII. sowie deren weiteren Ausdeutung und Verbreitung durch zeitgenössische Autoren wie Bonizo von Sutri und Anselm von Lucca nach. Diese von Crawford als "preliminary investigation" (171) bezeichnete Studie eröffnet so eine neue und wertvolle Perspektive auf die Entstehungsgeschichte der Ritterorden. Man darf bereits jetzt gespannt sein auf die von Crawford zumindest implizit angekündigte Studie, die sich dieser Thematik umfassend widmen wird.

Resümierend lässt sich sagen, dass es sich beim vorliegenden Band um eine typische Festschrift handelt, deren inhaltliche Breite zwar Einblicke in verschiedene Forschungsrichtungen erlaubt, aber eine thematische oder methodische Kohärenz und Bewertung verunmöglicht. Dies ist darauf zurückzuführen, dass dem Band eine übergreifende erkenntnisleitende Fragestellung fehlt und sich die einzelnen Beiträge mehr oder weniger dezidiert an Peter Edburys Forschungsfeldern orientieren. Gleichwohl finden sich in den Beiträgen anregende Zugänge und Überlegungen. Besonders hervorzuheben ist diesbezüglich neben dem eben erwähnten Aufsatz von Paul Crawford der erste Teil über Wilhelm von Tyrus. Dieser Abschnitt orientiert sich wiederholt an aktuellen kulturgeschichtlichen Forschungstendenzen. Neben weiterführenden Überlegungen zur Genese von Wilhelms Chronik selbst betonen die Autoren zu Recht die Wichtigkeit, die unterschiedlichen Manuskripttraditionen und zeitgenössischen Übersetzungen als eigenständige Bedeutungsträger aufzufassen und zu untersuchen.

Philippe Goridis