Linda-Marie Günther / Volker Grieb (Hgg.): Das imperiale Rom und der hellenistische Osten. Festschrift für Jürgen Deininger zum 75. Geburtstag, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2012, 211 S., ISBN 978-3-515-10169-1, EUR 44,00
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Die Beiträge der vorliegenden Festschrift orientieren sich thematisch an den Forschungsinteressen Jürgen Deiningers und sollen gleichzeitig die internationalen wissenschaftlichen Aktivitäten des Geehrten widerspiegeln. So steht der Titel des Buches für Deiningers Interesse an "der Transformation von Herrschaft über divergierende geographische Räume sowie längere zeitliche Abschnitte hinweg" (7), wobei der Sammelband auch die Wissenschaftsgeschichte als weiteren Forschungsschwerpunkt berücksichtigt.
Nach einem kurzen Vorwort der Herausgeber (7) wird die Reihe der Beiträge mit hellenistischen Themen von Eduard Frolov eröffnet, der in seiner Untersuchung der Frage nachgeht, was bei allen gegebenen Unterschieden in den verschiedenen geographischen Regionen der hellenistischen Welt als allgemeingültiges Wesen des Hellenismus bezeichnet werden könne. Vor diesem Hintergrund wendet sich Frolov der Person Alexanders des Großen zu, um zu dem Schluss zu kommen, dass der vom Makedonenkönig geschaffene Staat mit all seinen Facetten (königlicher Hof, Herrscherverehrung etc.) als ein genuines Merkmal des Hellenismus zu betrachten sei (9-20). Maxim M. Kholod beschäftigt sich in der Folge mit der Datierung einer neueren Inschrift aus Chios (SEG 51,1075), die den Besitz zurückgekehrter Exilanten thematisiert. Kholod spricht sich dafür aus, die Inschrift aufgrund ihres Inhalts sowie der Buchstabenform in den Kontext der zwei "Briefe" Alexanders des Großen an die Bürger von Chios und dementsprechend in die Jahre 332 oder 331 v.Chr. einzuordnen (21-33). In Anlehnung an Deiningers Habilitationsschrift "Der politische Widerstand gegen Rom in Griechenland" betrachtet Burkhard Meißner den Begriff "Widerstand", wobei er sich über die politische Sphäre hinausgehend auf Verwendungen von griechischen und römischen Widerstandsmetaphern und -vorstellungen konzentriert und diese in Relation zum modernen Verständnis von Widerstand setzt (35-49). Volker Grieb geht der Frage nach, inwiefern militärische Auseinandersetzungen die politische Kultur im Hellenismus beeinflussten und kommt zu dem Schluss, dass die zahlreichen Kriege und Kriegsgefahren jener Zeit in einem äußerst engen Zusammenhang mit Politik und Diplomatie standen, was im Falle von Poleis und Koina dazu geführt habe, dass die politische Kultur dieser Gemeinwesen erheblich durch militärische Konflikte geprägt gewesen sei (51-67). Alain Bresson wendet sich dem ptolemäischen Ägypten zu, wo er anhand des Papyros P.Cair.Zen 59012 die Zölle und Steuern der Stadt Pelousion untersucht. Eine Analyse der mit diesem Papyros verbundenen Probleme führt Bresson zu dem Ergebnis, dass ein festes Tarifsystem für die Hauptkategorien der nach Ägypten importierten Waren existiert habe. Darüber hinaus bietet der Beitrag Lösungsvorschläge für einige erklärungsbedürftige Einzelaspekte der im Papyros aufgeführten Zölle (69-88).
Heikki Solin betrachtet das "Griechentum in Rom im Spiegel der Namengebung" und vollzieht somit den thematischen Übergang vom hellenistischen Osten nach Rom. Dabei zeichnet er die Entwicklung der Nutzung griechischer Namen in Rom nach und verweist diesbezüglich auf verschiedene Schwierigkeiten wie etwa den Umstand, dass ein griechischer Name von den Römern nicht zwingend als solcher wahrgenommen werden musste, während umgekehrt Namen anderer Herkunft für griechische Namen gehalten werden konnten (89-99). Karin Sion-Jenkis geht der Frage nach, weshalb Florus (2,30,22) einen Zusammenhang zwischen Caesars Rheinüberschreitung und der augusteischen Germanienpolitik herstellt. Als Ergebnis hält sie fest, dass Florus das dynastische Moment in den Vordergrund habe rücken wollen, indem er Augustus die Leistungen seines Adoptivvaters ehren lasse, womit auch ein Fortführen und Übertreffen der virtus Caesars verbunden sei (101-113). Von Caesar geht es nun zu Marcus Antonius, dessen Darstellung in den antiken Quellen Jean-Michel Roddaz in Anlehnung an Ronald Symes "The Roman Revolution" von Mythos, Propaganda und Realität zu befreien versucht, wobei er sich zunächst auf den Anhang des Marcus Antonius sowie anschließend auf ihn selbst als Kriegsherrn und orientalischen Dynasten konzentriert (115-138). Nach den Untersuchungen zu Caesar und Markus Antonius rückt in Christoph Schäfers Beitrag schließlich "Kleopatras politisches Streben im Zusammenspiel mit Caesar" ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Hierbei thematisiert Schäfer die Quellenproblematik und rekonstruiert die relevanten historischen Ereignisse, bevor er schließlich zu dem Schluss kommt, dass für Kleopatra eine auf ihrer Verehrung als Isis/Venus basierende kultische Verbindung zu Caesar attraktiver gewesen sein dürfte als eine Hochzeit mit ihm (139-150). Linda-Marie Günther steuert eine prosopographische Studie bei, die sich mit zwei homonymen Frauen aus dem Milet der römischen Zeit befasst, die im Abstand von etwa 80 Jahren jeweils Funktionen in Heiligtümern in Didyma ausübten. Auf Basis epigraphischer Befunde und hypothetischer Rekonstruktionen von Stammbäumen versucht Günther wahrscheinlich zu machen, dass beide Frauen derselben größeren "Sippe" angehörten, woraus sie wiederum Schlüsse hinsichtlich der Vernetzung prominenter Familien und deren Machtinteressen zieht (151-163).
Mit Josef Wiesehöfers kurzer Betrachtung zu "Johann Gustav Droysen und das hellenistische Iran" wendet sich der Sammelband schließlich der Wissenschaftsgeschichte zu (165-170).
Hans Kloft setzt sich in seinem Beitrag mit Max Weber und dem antiken Kapitalismus auseinander, indem er die diesbezüglichen Überlegungen Webers in den Kontext seines übrigen Wirkens sowie der Gedanken zeitgenössischer Ökonomen und Historiker einordnet und ihnen den aktuellen Wissenstand gegenüberstellt (171-190). Zum Abschluss der Festschrift betrachtet Norbert Ehrhardt die "Darstellung und Beurteilung des frühen Hellenismus durch Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff". Hierbei legt Erhardt den Schwerpunkt auf Wilamowitz' 90-seitige Einführung in die Geschichte des frühen Hellenismus, die der Philologe dem ersten Band seines Werkes "Hellenistische Dichtung in der Zeit des Kallimachos" vorangestellt hat, wobei es Erhardts Ziel ist, die Eigenart und Funktion dieser Einführung zu hinterfragen sowie Arbeitsweise und Geschichtsbild des Autoren herauszuarbeiten (191-211).
Die Beiträge spiegeln insgesamt betrachtet ein weites Spektrum an Themen wider, die sich im Wesentlichen an den Forschungsschwerpunkten Deiningers orientieren. Dabei versteht es sich von selbst, dass es von den persönlichen Interessen der jeweiligen Leserschaft abhängt, welche der Untersuchungen als besonders relevant zu betrachten sind. Sicher ist, dass der Sammelband einige spannende Ergebnisse zu bieten hat, wobei auch die eingangs erwähnte internationale Ausrichtung zu begrüßen ist. So bietet etwa Frolovs Beitrag zwar nicht unbedingt herausragende neue Ergebnisse, stellt dafür aber die russische Forschungsgeschichte des Hellenismus vor, die einem Großteil der Leserschaft wohl eher weniger vertraut sein dürfte. Daher ist alles in allem davon auszugehen, dass sich der mit dieser Festschrift Geehrte nicht nur über die Geste, sondern auch über den Gehalt der einzelnen Beiträge freuen dürfte.
Michael Kleu