Rezension über:

Liz Gloyn: Tracking Classical Monsters in Popular Culture, London: Bloomsbury 2020, X + 228 S., 30 s/w-Abb., ISBN 978-1-3501-0961-2, GBP 19,99
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Rezension von:
Michael Kleu
Universität zu Köln
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Michael Kleu: Rezension von: Liz Gloyn: Tracking Classical Monsters in Popular Culture, London: Bloomsbury 2020, in: sehepunkte 21 (2021), Nr. 7/8 [15.07.2021], URL: https://www.sehepunkte.de
/2021/07/33784.html


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Liz Gloyn: Tracking Classical Monsters in Popular Culture

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Monster, die der griechisch-römischen Antike entstammen, erfreuen sich einer ausgesprochenen Beliebtheit in der modernen Populärkultur. Um dieses durchaus bemerkenswerte Phänomen näher zu beleuchten, konzentriert sich Liz Gloyn in der vorliegenden Studie auf die Rezeption dieser klassischen Monster in der angloamerikanischen Populärkultur, wobei die Autorin zeitlich mit den 1950er Jahren beginnt und einen besonderen Fokus auf Film, Fernsehen und Literatur legt.

In der Einleitung (1-5) hebt die Gloyn zunächst die anhaltende Beliebtheit der griechisch-römischen Mythologie in der modernen Populärkultur hervor und führt darauf aufbauend in die Thematik der Rezeption antiker Monster ein, die bisher in wissenschaftlichen Untersuchungen noch nicht angemessen behandelt worden sei. Dass sie sich in ihrer Untersuchung auf Film, Fernsehen und Literatur konzentriert, erklärt die Autorin mit ihren persönlichen Vorlieben und einer daraus resultierenden Expertise. Damit verbunden ist auch die weitgehende Beschränkung auf kulturelle Erzeugnisse des angloamerikanischen Raums. Es folgen erste Überlegungen zu der grundlegenden Frage, was genau unter dem Begriff Monster zu verstehen ist. Demnach betrachtet Gloyn in ihrer Untersuchung sterbliche Kreaturen als Monster, deren Körper eine Hybridform oder andere Besonderheiten aufweisen.

Das erste Kapitel (7-25) führt die knappe Definition der Einleitung weiter aus und erläutert den Begriff Monster, wobei die Autorin ihre Überlegungen mit den auf Jeffrey Cohen basierenden Monster Studies beginnen lässt. Es folgen kurze Ausführungen zur Katalogisierung von Monstern, zur Kryptozoologie, zum Begriff Monster im Wandel der Zeit, zu anthropologischen und psychoanalytischen Perspektiven, zu Foucault und schließlich zu "feminist monsters". Zusammengefasst erscheint hier die auch im Epilog (196) ähnlich formulierte Feststellung bemerkenswert, dass die Monster der griechisch-römischen Mythologie in engster Verbindung mit der Zeit und der Kultur stehen, in deren Rahmen sie erschaffen wurden, sich aber dennoch immer wieder an neue Kontexte anpassen können, ohne gänzlich ihre besonderen Merkmale zu verlieren.

Kapitel 2 (27-40) steht - in offensichtlicher Anlehnung an Joanne K. Rowling - unter der Überschrift "Classical Monsters and Where to find them". Hier beschäftigt sich die Autorin zunächst mit der Frage, wo Monster in antiken und modernen Erzählungen geographisch aufzufinden sind. Danach kommt Gloyn auf die modernen Genres zu sprechen, die klassische Monster thematisieren, wobei sie feststellt, dass dieser eher im "heroic epic" (34) als im Horror in Erscheinung treten. Es folgt ein kurzer Abstecher zu den Kreaturen des populären Pen&Paper-Rollenspiels "D&D", bevor die Autorin zu der Schlussfolgerung kommt, dass jedes Medium eigene Charakteristiken mit sich bringt, die jeweils die Interpretationsmöglichkeiten der Rezipierenden beeinflussen.

Das dritte Kapitel (41-59) wendet sich mit Ray Harryhausen einem der großen Namen der Filmgeschichte zu, den sie ins Zentrum einer Besprechung relevanter Kinoproduktionen von den 1950er Jahre bis in die frühen 1980er Jahre rückt, wobei auch Disneys "Hercules" (1997) aus inhaltlichen Gründen in diesen Kontext einbezogen wird. Daran schließt Kapitel 4 (61-81) mit einer Besprechung der Filme mit klassischen Monstern an, die ab der Wiederbelebung des Antikfilms durch "Gladiator" im Jahr 2000 veröffentlicht wurden. Von der Kinoleinwand geht es dann weiter zu Fernsehserien. Hier konzentriert sich Gloyn im fünften Kapitel (83-110) auf "Hercules: The Legendary Journeys" (1995-1999), während Kapitel 6 (111-139) zuerst "Xena: Warrior Princess" (1995-2001) und dann einzelne Erzählstränge aus der "Doctor Who"-Reihe (1963 - heute) bespricht.

Nachdem die Kapitel 3 bis 6 Film und Fernsehen behandelt haben, bespricht die Autorin in den letzten beiden Kapiteln des Buchs jeweils ein ausgewähltes Monster. Den Anfang macht im siebten Kapitel die Medusa (141-167), bevor Kapitel 8 den Minotauros thematisiert (169-193). Obwohl auch Film und Photographie angesprochen werden, dominiert in diesem letzten Themenblock der Untersuchung die Darstellung in der Literatur. Dass ausgerechnet Medusa und Minotauros als Fallbeispiele behandelt werden, begründet Gloyn damit, dass diese Figuren besonders häufig in der Populärkultur in Erscheinung treten (5). Das Buch endet mit einem sehr kurzen Epilog (195f.), einem Anmerkungsapparat (197-209), einer Filmographie (211f.), einer Bibliographie (213-221) sowie einem Index (223-228).

Aufgrund der Fülle des Materials ist es mehr als verständlich, dass es nicht das Ziel der Autorin ist, umfassend sämtliche Beispiele der Rezeption antiker Monster in der Populärkultur aufzuzählen, sondern stattdessen ausführlichere Einblicke in verschiedene Einzelbereiche zu bieten (2f.). Dennoch ist es bei der vorliegenden Thematik etwas überraschend, dass bezüglich der herangezogenen Beispiele das Horror-Genre weitgehend ausgeblendet wird. So hätte beispielsweise die Hammer-Produktion "The Gorgon" (1964) hervorragend zur ausführlichen Besprechung der Medusa gepasst. Beim Pen-und-Paper-Rollenspiel "D&D" hebt Gloyn zwar dessen große Prägewirkung hervor, arbeitet sich dann aber nicht tief genug in die Problematik ein, um mehr als einen äußerst knappen Eindruck zu vermitteln (36f.).

In seltenen Einzelfällen könnte man der Autorin im Detail widersprechen. So scheint die Szene aus "Immortals" (2010), in der Menschen in einem bronzenen Stier zu Tode geröstet werden, eher von der diesbezüglichen Praxis des sizilischen Tyrannen Phalaris (Diodor 9,18-19) inspiriert zu sein als von Menschenopfern an Baal-Moloch, wie Gloyn vermutet (66). Die Filmographie, in der die im Buch angesprochenen Filme und Serien aufgeführt werden, ist lückenhaft. So fehlen hier etwa die Serie "Dexter" (2006-2013) sowie der Film "Argo" (2012), die beide in der Untersuchung thematisiert werden. Wesentlich schwerer wiegt allerdings, dass die Studie im Literaturverzeichnis ausschließlich auf die englischsprachige Forschung verweist, was in vielerlei Hinsicht problematisch erscheint. Auch fehlen manche englischsprachigen Untersuchungen zur Rezeption verschiedener antiker Monster in der Populärkultur, was aber wohl wiederum dadurch zu erklären ist, dass Gloyn keinen Gesamtüberblick bieten möchte, sondern sich dem Thema über ausgewählte Fallbeispiele annähert.

Den aufgeführten Kritikpunkten steht gegenüber, dass die einzelnen Kapitel des in einer sehr ansprechenden Sprache verfassten Buchs definitiv zu überzeugen verstehen, wobei es sich als gewinnbringend erweist, dass Gloyn ihre Studie mit Jeffrey Cohens Überlegungen zu den Monster Studies verknüpft. Somit stellt die gelungene Monographie insgesamt betrachtet eine wichtige Grundlage für zukünftige Untersuchungen dar, die das äußerst ergiebige Themengebiet hoffentlich noch weiter ausleuchten werden. Material für derartige Projekte steht jedenfalls auch weiterhin in Hülle und Fülle zur Verfügung. [1]


Anmerkung:

[1] Zwischenzeitlich ist mit Katarzyna Marciniak: Chasing Mythical Beasts: The Reception of Ancient Monsters in Children's and Young Adults' Culture, Heidelberg 2020 ein umfangreicher Sammelband zur vorliegenden Thematik erschienen, zu dem auch Liz Gloyn ein Kapitel beigetragen hat.

Michael Kleu