Rezension über:

Simon A. Waldman: Anglo-American Diplomacy and the Palestinian Refugee Problem, 1948-51 (= Security, Conflict and Cooperation in the Contemporary World), Basingstoke: Palgrave Macmillan 2015, X + 281 S., ISBN 978-1-1374-3150-9, GBP 60,00
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Rezension von:
Lutz Maeke
Institut für Zeitgeschichte München - Berlin
Redaktionelle Betreuung:
Empfohlene Zitierweise:
Lutz Maeke: Rezension von: Simon A. Waldman: Anglo-American Diplomacy and the Palestinian Refugee Problem, 1948-51, Basingstoke: Palgrave Macmillan 2015, in: sehepunkte 16 (2016), Nr. 2 [15.02.2016], URL: https://www.sehepunkte.de
/2016/02/27241.html


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Simon A. Waldman: Anglo-American Diplomacy and the Palestinian Refugee Problem, 1948-51

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Neben der Anerkennung der Teilung des ehemaligen britischen Mandatsgebietes durch die arabischen Staaten, der Festlegung von Grenzen, dem Status Jerusalems und der Verteilung des Jordanwassers galt die Repatriierung und finanzielle Entschädigung der arabischen Flüchtlinge in Palästina Ende der 1940er Jahre als zentraler Streitpunkt des Nahostkonfliktes. Mehr als 700.000 Menschen waren aus dem Territorium des gemäß Resolution der Vereinten Nationen (VN) gegründeten jüdischen Staates und aus den von Israel während des ersten arabisch-israelischen Krieges besetzten Gebieten in die Nachbarländer geflohen oder vertrieben worden. Nachdem es US-Diplomat Ralph Bunche gelungen war, im Auftrag des Sicherheitsrates als "United Nations Mediator on Palestine" Waffenstillstandsabkommen zwischen Ägypten, dem Libanon, Jordanien und Syrien sowie Israel zu vermitteln, strebten die VN einen Gesamtfriedensvertrag an. Die 1948 unter der Ägide der Generalversammlung gegründete "Palestine Conciliation Commission" (PCC) sollte im Namen der internationalen Staatengemeinschaft den Konflikt im Nahen Osten befrieden. Mit dem Scheitern der Pariser Konferenz gelangte jene Mission 1951 vorerst an ihr Ende.

Simon A. Waldman, Dozent für "Middle Eastern Studies" am King's College London, widmet sich in seiner Dissertation einem entscheidenden Aspekt dieser 1948/49 angestrengten Gesamtfriedenslösung: dem Flüchtlingsproblem respektive seiner Bedeutung innerhalb des Verhandlungsprozesses der PCC - dargestellt aus der Perspektive der britisch-amerikanischen Nahostdiplomatie. Auch wenn Waldman nicht expressis verbis erklärt, warum er seine gut 200 Seiten starke Untersuchung auf die Jahre von 1948 bis 1951 begrenzt, wird implizit deutlich, dass er sich an der PCC orientiert, d.h. den Zeitraum zwischen ihrer Gründung und dem Scheitern der Konferenz von Paris in den Fokus rückt.

Waldmans zentrale These lautet, Washington und London hätten zwischen 1948 und 1951 nicht nur intensiv an einer Regelung des "Palestinian refugee problem" gearbeitet, sondern in jenen vier Jahren habe sich nachgerade "a significant opportunity" (3) geboten, diese Frage zu lösen. Aufgrund eines gravierenden taktischen wie strategischen Fehlers während des Verhandlungsprozesses habe die PCC jedoch scheitern müssen. "The tragedy" (190) der amerikanisch-britischen Diplomatie habe in der Unfähigkeit bestanden, den Grundirrtum ("major strategic error", 95; "fatal mistake", 89) zu erkennen: "The mistake that the powers [Großbritannien und USA] made was in grouping the Arab states into one bloc during PCC-orchestrated negotiations. This hardened the Arab position because, when grouped together, the Arabs states became less likely to show flexibility in negotiations" (17). "This fatal mistake, to allow the Arab states to negotiate as a bloc" (188) gilt in den Augen des Autors als "the ultimate reason for the PCC's failure" (89).

Als die Forschung vor mehr als 40 Jahren versuchte, die Ursachen für den Erfolg der Bunche-Mission sowie für den Misserfolg der PCC zu eruieren, argumentierten manche in gleicher Weise, etwa Nadav Safran. Er erklärte, hätte die PCC wie Bunche separate direkte Verhandlungen zwischen Israel und den arabischen Regierungen über alle strittigen Punkte initiiert, dann wäre man bis 1951 erfolgreich gewesen. Da die PCC jedoch zugelassen habe, dass die Araber in den Verhandlungen en bloc auftraten, sei Flexibilität verlorengegangen und ein Scheitern unvermeidlich gewesen. [1]

Obwohl die En-Bloc-These eingängig erscheinen mag, da sie die komplexen Zusammenhänge des Nahostkonfliktes vermeintlich plausibel reduziert, ist sie eher Teil der Historiographie als der aktuellen wissenschaftlichen Debatte der Geschichte des Nahostkonfliktes. Verfechter dieser monokausalen Erklärung argumentierten stets kontrafaktisch und vermochten ihre Überlegungen weder anhand von Quellen noch anhand konkreter Verhandlungssituationen fundiert zu belegen. Die seit geraumer Zeit in Fülle online einsehbaren PCC-Dokumente verdeutlichen zudem, wie unbegründet der Vorwurf ist, diese hätte nur ein einziges Verhandlungsformat zugelassen und dessen negative Folgen nicht reflektiert. [2] Nicht zuletzt widersprechen der En-Bloc-These wesentliche Fakten: Nachdem Amman das Westjordanland und Ost-Jerusalem 1948/49 besetzt hatte, betrieben die arabischen Staaten eine rigide antijordanische Politik; insofern existierte kein arabischer Block. Einen solchen homogenen Block konnte es damals auch insofern nicht geben, als kein eigenständiger Akteur namens "Palästinenser" existierte. Alle arabischen Regierungen reklamierten vielmehr, sie seien legitime Vertreter der arabischen Flüchtlinge in Palästina. Hinzu kam: Weil die Liga der arabischen Staaten den jordanischen König Abdallah für die Annexion des Westjordanlandes und Ost-Jerusalems bestrafen wollte, blockierte gerade die bilateral von Israel und Jordanien Anfang der 1950er Jahre gesuchte Konfliktregelung einen Gesamtprozess. Keine arabische Regierung war bereit, einen jordanisch-israelischen Kompromiss mitzutragen, der praktisch nicht nur die Existenz Israels in Palästina für rechtmäßig erklärt, sondern auch die jordanische Kontrolle über das Westjordanland und Ost-Jerusalem zementiert hätte.

Auch wenn Waldman seine Arbeit mit zahlreichen Quellen aus britischen und amerikanischen Archiven anreichert, präsentiert er in fünf Kapiteln insgesamt kaum mehr als einen Abriss von im Wesentlichen bekannten Verhandlungsabläufen der PCC zwischen 1948 und 1951. Und er tut dies, ohne den vermeintlich strategisch-prozessualen Kardinalfehler oder die Hintergründe der "significant opportunity" der britisch-amerikanischen Nahostdiplomatie stichhaltig herauszupräparieren. Unverständlich ist, dass Waldman sich dagegen entschieden hat, ausgiebig auf die wichtigen Quellen der Vereinten Nationen zurückzugreifen. Der Rolle Jordaniens und der Nichtexistenz eines politisch zu adressierenden Akteurs namens "Palästinenser" schenkt er überdies an nur zwei Stellen Beachtung: Auf Seite 82 hält er fest, es sei "important to note that there was little Palestinian representation"; auf Seite 70 erklärt er, dass Jordanien 1948/49 "gained sovereignty over much of the Palestinian Arab population". Weder bezieht Waldman diese beiden zentralen Aspekte aufeinander noch reflektiert er deren Bedeutung für die Erfolgschancen der PCC. Nicht bedacht wird also die Tatsache, dass Bunche die Waffenstillstände bilateral zwischen Israel und den Nachbarstaaten verhandeln konnte, weil sie eindeutig konkrete bilaterale Themen betrafen, die Frage der arabischen Palästinaflüchtlinge aber weder mit einer palästinensischen Regierung besprochen werden konnte noch die existierenden arabischen Regierungen einig waren, wer von ihnen das Territorium Palästinas regieren sollte.

Enttäuscht wird von Waldmans Buch zudem nicht nur, wer sich eine fundierte Einbettung des Themas in die bereits gut erforschten jordanisch-israelischen Kontakte der 1950er Jahre erhofft hat, sondern auch wer Näheres darüber erfahren wollte, ob und wie die britisch-jordanischen Beziehungen die Erfolgschancen der PCC beeinflusst haben. Gerade weil Großbritannien im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten, Frankreich und der Türkei nicht Mitglied der PCC war (was Waldman erst auf Seite 64 kryptisch mitteilt), London aber als ehemalige Mandatsmacht von Palästina (sowie des Staates Jordanien) ein zentraler Akteur in der Region bleiben wollte, musste das britische Sonderverhältnis gegenüber Amman die Anstrengungen der PCC tangieren. London vertrat noch Anfang der 1950er Jahre vehement den Standpunkt, König Abdallahs Übernahme des Westjordanlandes sei legitim und die jordanische Politik der Assimilierung der ins Land geflüchteten Araber aus Palästina sei richtig. Großbritannien hatte zudem 1948 im Vorfeld der PCC-Gründung einen Resolutionsentwurf vorgelegt, der die israelische Kontrolle über den Negev beenden wollte, da Israel einen strategischen Zugang über Land via Jordanien nach Suez blockierte. [3] Welche Rolle spielte all dies im gesamten Gefüge der US-Diplomatie beziehungsweise der PCC? Hätte man unter diesen Vorzeichen Zugeständnisse erzwingen können?

Kapitel 6, in dem Waldman preisgibt, dass es bis 1951 direkte arabisch-israelische Verhandlungen gegeben hat, fehlt nach Lektüre der vorangegangenen 139 Seiten nicht nur scheinbar jede Berechtigung, sondern wirkt ebenso additiv wie Schlusskapitel 7, in dem das VN-Flüchtlingshilfswerk für Palästina zur "Institutionalization of Failed Diplomacy" apostrophiert wird, ohne auf dessen humanitäre Bedeutung einzugehen oder dessen eigentliche Vorgeschichte exakt darzustellen. In Anbetracht der von Waldman nicht berücksichtigten Standardwerke und falsch geschriebener Personennamen wirkt es befremdlich, dass auf Seite 188 kurzerhand festgestellt wird, alle Forschungsansätze, die bemüht sind, das Scheitern der PCC Anfang der 1950er Jahre differenziert und nicht monokausal mit der En-Bloc-These zu begründen, seien inadäquat ("not an adequate explanation for the failure", 188) - ohne dass Waldman sein Thema hinreichend in der Forschungslandschaft verortet hätte oder er imstande wäre, seine Prämissen konsistent, gar mit Quellen belegt, zu präsentieren.

Unglücklich erscheint letztlich auch die Auswahl der beiden Titelbilder. Präsentiert wird eine Aufnahme, die den britischen Premierminister Clement Attlee und US-Präsident Truman sowie den sowjetischen Außenminister Molotow im Gespräch mit dem sowjetischen Diplomaten und Rechtsexperten Sergej A. Golunskij zeigt. In der Bildlegende wird der gar nicht abgebildete "sowjetische Premierminister" Josef Stalin benannt, während Molotow und Golunskij ebenso unerwähnt bleiben wie die Entstehung des Fotos im Sommer 1945 während der Potsdamer Konferenz. Welchen Bezug dieses Bild zum Untersuchungsgegenstand der Studie Waldmans haben soll, erschließt sich in keiner Weise. Dies gilt auch für das zweite Bild: die "palästinensische Nationalfahne". Denn zum identitätsstiftenden Symbol eines palästinensisch-nationalen Selbstverständnisses wurde die schwarz-weiß-grün gestreifte Fahne mit rotem Dreieck auf der linken Seite erst 1968, nach der Übernahme der 1964 gegründeten Palästinensischen Befreiungsorganisation durch Jassir Arafats Fatah.

Indem Waldman essentielle Facetten des Nahostkonfliktes und damit zugleich die Bedingungen negiert, die den äußeren Rahmen einerseits der Mission Bunches und andererseits der PCC absteckten, bleibt er Antworten nicht nur auf die Frage schuldig, was der amerikanisch-britischen Initiative Grenzen setzte und von welchen Interessen deren Politik bestimmt wurde, sondern letztlich auch auf die Frage nach den Ursachen des Scheiterns der PCC im Jahr 1951.


Anmerkungen:

[1] Vgl. Nadav Safran: Israel. The Embattled Ally, Cambridge 1978; ders.: From War to War. The Arab-Israeli Confrontation, 1948-1967, New York 1969.

[2] Vgl. u. a. UN/A/1985, Progress Report of the UN Conciliation Commission for Palestine, 20.11.1951. Für die Dokumente der PCC siehe "United Nations Information System on the Question of Palestine", https://unispal.un.org/DPA/DPR/unispal.nsf/udc.htm.

[3] Vgl. UN/A/C.1/394/REV.1, United Kingdom: Revised Draft Resolution, 24.11.1948.

Lutz Maeke