Klaus Schatz: "... Dass diese Mission eine der blühendsten des Ostens werde
". P. Alexander Rhodes (1593-1660) und die frühe Jesuitenmission in Vietnam, Münster: Aschendorff 2015, 260 S., 8 Farbabb., ISBN 978-3-402-13100-8, EUR 39,80
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Die Geschichte der außereuropäischen Mission der Frühen Neuzeit ist ein dorniges Gebiet. Indigene Quellen sind rar, die konzeptuelle Verortung des Gegenstands ist schwierig. Wie soll man mit dem heutigen Zustand umgehen - handelt es sich um Erklärung, Herleitung oder Rechtfertigung gegenwärtiger religiöser Konfigurationen?
Klaus Schatz SJ stellt sich diesen Herausforderungen anhand der jesuitischen Mission im heutigen Vietnam mit besonderem Fokus auf die Person Alexandre de Rhodes', dem er eine zwar nicht hinreichende, aber notwendige Rolle darin zuschreibt. Damit ist der Zuschnitt des Buches klar: Es handelt sich um eine kirchen- und religionsgeschichtliche, biografisch strukturierte Studie aus vor allem europäisch-jesuitischen Quellen (wobei man die Nutzung vietnamesischer Sekundärliteratur in eigens erfolgter deutscher Übersetzung lobend hervorheben muss!). Ihr Ziel ist die Erklärung einer "Erfolgsgeschichte, die mit der Mission des 17. Jahrhunderts beginnt" (9). Hergeleitet werden sollen Genese und stabilisierende Faktoren der heutigen vietnamesischen katholischen Minderheit von ca. 8% der Bevölkerung.
Entlang der Biografie de Rhodes' wird das Panorama der Mission Vietnams - ab 1620 des Süd- (Đàng Trong; Annam oder Cochinchina für die Europäer) und Nordreiches (Đàng Ngoài; europ.: Tonking) - im 17. Jahrhundert entfaltet. Nach einem Überblick über die jesuitische Missionstätigkeit bis ca. 1615 werden zunächst Herkunft und Ausbildung Alexandre de Rhodes' behandelt. Als Avignonese verfügte er als Franzose und päpstlicher Untertan über Möglichkeiten, zwischen verschiedenen europäischen Proponenten europäischer Expansion zu wechseln. Dieses Jonglieren zwischen Papstkurie, Jesuitenorden, Congregatio de Propaganda Fide, portugiesischem padroado und französischem König sollte im Verlauf seiner Biografie immer wieder zum Tragen kommen. 1612 trat er in den Jesuitenorden ein und ließ sich zielgerichtet für eine Tätigkeit in Asien, bevorzugt in Japan, ausbilden, womit die zweite biografische Grundkonstante gesetzt wird. Wegen der Landesabschließung Japans unter den Tokugawa ab 1614 schied de Rhodes' Wunschziel Japan aus, als er endlich in Südostasien eingetroffen war. Und so wurde er 1622 von Macao aus nach Nordvietnam entsandt.
Nach einem zweiten Überblick über die Verhältnisse in Vietnam vor de Rhodes' Ankunft folgen vier Kapitel zu den Stationen seiner Tätigkeiten in den Jahren 1624-26 (Tonking), 1627-30 (Cochinchina), 1630-40 (Macao) und 1640-45 (Cochinchina), die sich eng an die zeitgenössischen Quellen, also Berichte von und über de Rhodes, anschließen und Praktiken und Strukturen der Missionsarbeit eher en passant offenlegen. Resümiert werden diese im nächsten Überblickskapitel zu den strukturellen Besonderheiten der vietnamesischen Mission, das mit der Erläuterung der drei als zentral beschriebenen Leistungen de Rhodes' - seiner Katechismus-Adaption, der Katechisten-Vereinigung und der Entwicklung einer lateinischen Notation für das Vietnamesische, das Quốc ngữ - die Kernthese der Arbeit vorbereitet.
Zwei weitere biografische Kapitel beschreiben die Zeiträume von 1645-54, als de Rhodes nach der Rückkehr nach Europa in Rom und Frankreich vergebens versucht, neue Mittel für die Mission Vietnams aufzutreiben, und seine letzten Jahre (1655-60) als Leiter der neu eingesetzten Mission in der persischen Hauptstadt Isfahan. Dieses letzte Kapitel behandelt in Abschnitt 1 kurz Zeit und Zustände in Persien. Die wesentlich längeren Unterkapitel 2 und 3 formulieren die Schlussthese aus: Ohne de Rhodes keine so effektive Mission in Vietnam. Vor allem seinen drei großen Errungenschaften sei es - trotz seines teilweise impulsiven Temperaments und starrsinnigen Charakters - zu verdanken, dass der Katholizismus in Tonking wie Cochinchina trotz Ausweisungen und Verfolgungen dauerhaft Fuß fassen konnte.
Trotz der einbezogenen vietnamesischen Quellen und der Schilderung der Aktivitäten der vietnamesischen Konvertiten bleibt die so entworfene Perspektive eine strikt europäisch-missionarische. Nichteuropäische Akteure treten nur auf, insofern sie die Mission hemmen oder befördern; Gleiches gilt von indigener Religion, Politik und Sozialstruktur. Auch Konvertiten werden vor allem erwähnt, wenn sie durch Unterstützung oder Eigeninitiative dazu beitragen, die katholische Lehre weiter zu verbreiten. Dass die Konvertiten daran einen wesentlichen Anteil hatten, erkennt Schatz an. Allerdings bedarf es bei ihm dazu stets der Missionare, allen voran de Rhodes', um die Bedingungen der Möglichkeiten dazu bereitzustellen und zu kontrollieren. Dass de Rhodes von seinen Konvertiten begeistert war und von 1645-49 beim Papst für die Errichtung einer eigenständigen vietnamesischen Kirche mit indigenen Bischöfen warb, ist ihm hoch anzurechnen. Aber sein Scheitern dabei zeigt, wie sehr die missionarische Projektion des katholischen Glaubens in die außereuropäische Welt im 17. Jahrhundert auch eine Projektion spiritueller europäischer Macht darstellte, die diese Welt verfügbar machen sollte.
Was der Sekretär der Propaganda Fide 1657 gegen die Missionsorden vorbrachte - dass die christliche Lehre in wesentlichen Teilen Geheimwissen sei; die Orden Exklusivansprüche für ihre Missionsgebiete beanspruchten; und dass aufgrund des Machtanspruchs der europäischen Orden keine Einheimischen zu Priestern geweiht würden (205) - trifft die SJ in Vietnam je nach Lektüre Schatz' unterschiedlich. Folgt man ihm, träfe es zumindest auf de Rhodes kaum zu; wenn, dann nur der Umstände wegen. Liest man die Beschreibungen gegen den Strich, lassen sich de Rhodes' drei Errungenschaften in (nicht nur) jesuitische Missionspraktiken einfügen, die anderes nahelegen. Der Umgang mit den Katechisten, von denen er "Ganzhingabe an die Mission verlangte" (155), ist den in Japan angewandten Praktiken spiritueller Führung der Konvertiten so ähnlich, dass Schatz' Argumente für eine Unterscheidung nicht verfangen (83). Der Aufbau des Katechismus ist in der Form singulär, aber nicht in der Vorgehensweise, die wesentliche Dogmen erst nach der Taufe preisgab. Formen diakritischer lateinischer Notation wurden zuvor bereits für Japanisch und Chinesisch entwickelt.
Die Fokussierung auf ein relativ kleines Korpus jesuitisch-katholischer Quellen und ebensolcher Literatur führt zu manchen Einschränkungen der Perspektive. Dass etwa im politischen Kalkül der vietnamesischen Eliten die Möglichkeit, ab 1637 statt über die katholischen Portugiesen über die VOC an europäische Handelsgüter zu gelangen [1], zur Entscheidung für Missionarsausweisungen und Christenverfolgung beigetragen haben dürfte, wird nicht erwähnt. Ebenso treten die übrigen Jesuitenmissionare in Vietnam kaum aus den Schatten de Rhodes', der zwar die Leitung der Mission innehatte, aber nur sporadisch überhaupt im Land sein konnte, da er immer wieder ausgewiesen wurde. Die jahrelang vor Ort die Hauptarbeit tragenden Jesuiten und Konvertiten nehmen ihm gegenüber wenig Raum ein. Damit fügt sich die Arbeit in den Kanon derer zu Francisco de Javier, Matteo Ricci, Alessandro Valignano und Roberto de Nobili, denen Schatz de Rhodes bewusst zur Seite stellt (219). Er liefert so eine schlüssige Perspektive auf seinen Gegenstand; die Details, die er mitteilt, beleuchten ein spannendes Kapitel der europäischen Expansionsgeschichte. Aber dies ist nur eine mögliche Perspektive auf die frühe jesuitische Mission in Vietnam. Würde die Debatte darüber belebt, wäre das ein schöner Erfolg für ein gutes Buch.
Anmerkung:
[1] Barbara W. Andaya / Leonard Y. Andaya: A History of Early Modern Southeast Asia, 1400-1830, Cambridge 2015, 137.
Tobias Winnerling