Rezension über:

Felix Reer / Klaus Sachs-Hombach / Schamma Schahadat (Hgg.): Krieg und Konflikt in den Medien. Multidisziplinäre Perspektiven auf mediale Kriegsdarstellungen und deren Wirkungen, Köln: Halem 2015, 397 S., 54 s/w-Abb., ISBN 978-3-86962-101-2, EUR 32,00
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Rezension von:
Lars Grabbe
Fachbereich Design, FH Münster
Redaktionelle Betreuung:
Henning Engelke
Empfohlene Zitierweise:
Lars Grabbe: Rezension von: Felix Reer / Klaus Sachs-Hombach / Schamma Schahadat (Hgg.): Krieg und Konflikt in den Medien. Multidisziplinäre Perspektiven auf mediale Kriegsdarstellungen und deren Wirkungen, Köln: Halem 2015, in: sehepunkte 16 (2016), Nr. 10 [15.10.2016], URL: https://www.sehepunkte.de
/2016/10/28975.html


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Felix Reer / Klaus Sachs-Hombach / Schamma Schahadat (Hgg.): Krieg und Konflikt in den Medien

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Die mediale Verbreitung von Kriegs- und Konfliktdarstellungen hat in den letzten Jahren massiv zugenommen. Einerseits ist diese Entwicklung geprägt durch eine Zunahme militärischer und transnationaler Konflikte und andererseits durch einen Anstieg von terroristischen Attacken. Ob im Bereich von Printmedien, Radioformaten und Fernsehberichterstattungen, im Kontext der Kriegsinszenierung innerhalb von Video- und Computerspielen oder subjektiver Berichterstattung durch Online-Blogs von Soldaten und Soldatinnen direkt aus dem Feldlager, die vielfältigen Affekt-Bilder korrespondieren mit einer ebenso vielfältigen medialen Aufbereitung.

Die mediale Aufbereitung und anschließende Präsentation konfliktreicher Ereignisse ist primär ein Gegenstand journalistischer und bildungstheoretischer Praxis und verfügt demgemäß über einen gezielt gesteuerten Einfluss auf die nationale und internationale Meinungsbildung: "Und dies gilt nicht nur für die mediale Berichterstattung über aktuelle Kriege und Konflikte, sondern insbesondere auch in Bezug auf vergangene weltpolitische Ereignisse; nehmen die Medien hier doch neben der reinen Informationsfunktion zusätzlich auch eine Gedächtnisfunktion ein" (10). Darüber hinaus sind die Kriegs- und Konfliktdarstellungen nicht nur Gegenstand kognitiver Reflexion, sondern in hohem Maße anschlussfähig für emotionale Reaktionen und subjektive Bewertungen. Dass Kriegs- und Konfliktbilder demnach oftmals zu Meinungsbildern innerhalb der Bevölkerung werden, wirft dabei ein besonderes Licht auf die journalistische Arbeitsweise, denn die "Präsentation des Weltgeschehens, wie sie sich in den Massenmedien vollzieht, ist dabei stets als das Resultat eines journalistischen Bearbeitungsprozesses einzuordnen, der bestimmten Regeln folgt und eine bestimmte Interpretation der Ereignisse nahelegt" (9).

Die Beiträge in diesem Band, der auf einen im Jahr 2013 veranstalteten Workshop an der Universität Tübingen zurückgeht, widmen sich aus unterschiedlichen Disziplinen der komplexen Systemrelation einer jeweiligen Kriegs- und Konfliktdarstellung, des damit verbundenen Informations- und Nachrichtenwerts, den erkennbaren Inszenierungsvariablen und den individuell eingesetzten Medien. Erklärtes Ziel ist das multidisziplinäre Erschließen des komplexen Gebietes medialer Kriegs- und Konfliktdarstellungen und dessen Wirkungshorizont, "im Sinne eines möglichst facettenreichen Einblickes" (10), wobei bewusst klassische und neue Medien abgedeckt werden und Wissenschaftler unterschiedlichster Disziplinen beteiligt sind. Die Ordnung der insgesamt dreizehn Beiträge orientiert sich an den jeweils analysierten Medien, beginnend mit Fotografie und Print (Kapitel I.) über Film und Fernsehen (Kapitel II.) bis hin zu den sogenannten neuen und computerbasierten Medien (Kapitel III.).

Im Kapitel I. widmen sich die Autoren zunächst den bildhaften Repräsentationen und Inszenierungen des Kriegsendes und deren vielfältigen Bezügen zum kollektiven Bildgedächtnis (Ulrich Hägele), sowie der inszenatorischen Dynamik von Fotografien im Bürgerkrieg (Bernd Stiegler). Nach diesem medien- und bildgeschichtlichen Einstieg befasst sich das Kapitel mit empirischen überprüfbaren Emotionalisierungsparametern von unterschiedlichen Darstellungsweisen innerhalb der Kriegsfotografie (Sebastian Gerth), thematisiert im weiteren Verlauf die spezifischen Rollenentwürfe der Frau innerhalb der Berichterstattung überregionaler Tageszeitungen (Romy Fröhlich) und problematisiert abschließend das mediale Dilemma der Berichterstattung über die norwegischen Anschläge im Jahr 2011 (Daniel Hornuff).

Innerhalb der Orientierung auf das bewegte Bild zeigen die Autoren in Kapitel II. sinnvoll auf, wie sich zunächst Film als geeignetes Medium für die Repräsentation von Affekten nutzbar machen lässt, um hierdurch eine sinnvolle Darstellung von Postkonfliktsituationen (Thomas Elsaesser) zu erreichen und gemäß einer Poetologie des Schocks den Schrecken als semiotische Größe einer filmischen Wirkungsästhetik zu bestimmen (Hans J. Wulff). Weiterhin wird die Glaubwürdigkeit von Fernsehberichterstattung anhand des Studios als Schaubühne in den Blick genommen (Anne Ulrich) und abschließend die Berichterstattung über das Massaker von Marikana kritisch hinterfragt und der medienwissenschaftlichen Analyse zugänglich gemacht (Thomas Knieper / Ibrahim Saleh).

Mit der Perspektivierung neuer Medien widmet sich Kapitel III. abschließend dem Einfluss der Digitalisierung auf Journalismus und Auslandberichterstattung (Stephan Weichert) und zeigt, welche Mechanismen den Military Blogs als medialer Instanz zugrunde liegen und wie sich deren Informationsdynamik sinnvoll erfassen lässt (Johanna Roering). In den letzten beiden Beiträgen befassen sich die Autoren mit den Auswirkungen interaktiver Medientechnologie und prozeduraler Rhetorik auf die Kriegsinszenierung innerhalb von Computerspielen (Georg Valtin / Peter Ohler) und nutzen Erkenntnisse und Ansätze aus der Nutzungs- und Wirkungsforschung für eine vertiefende Auseinandersetzung mit dem Wirkungshorizont von First-Person-Shootern (Felix Reer / Nicole C. Krämer).

Dem vorliegenden Band gelingt ein facettenreicher Einblick in das heterogene Feld der Kriegs- und Konfliktdarstellung, welche sich im Spannungsfeld von Medientypen, Inszenierungen und rezeptiven Dynamiken realisiert. Die multidisziplinäre Perspektive erscheint hierbei hilfreich und sinnvoll, um ein möglichst weites Gebiet von Medien und Medienwirkungen explorativ abzustecken und auf eine individuelle Kriegs- und Konfliktdarstellung beziehen zu können. Die Vielfalt der Beiträge und Argumentationen ist sicher geeignet, um im medienwissenschaftlichen, soziologischen, journalistischen oder bild- und kunstwissenschaftlichen Diskurs weitere Impulse zu setzen und die problematische Dynamik von Kriegen und Konflikten - zwischen Inszenierung und Realität - analytisch zu reflektieren.

Lars Grabbe