Rezension über:

Elisabeth Hassmann / Heinz Winter: Numophylacium Imperatoris. Das Wiener Münzkabinett im 18. Jahrhundert (= Schriften des Kunsthistorischen Museums; Bd. 14), Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 2016, 254 S., zahlr. Abb., ISBN 978-3-7001-7841-5, EUR 49,90
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Rezension von:
Torsten Fried
Staatliches Museum Schwerin
Redaktionelle Betreuung:
Sebastian Becker
Empfohlene Zitierweise:
Torsten Fried: Rezension von: Elisabeth Hassmann / Heinz Winter: Numophylacium Imperatoris. Das Wiener Münzkabinett im 18. Jahrhundert, Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 2016, in: sehepunkte 17 (2017), Nr. 6 [15.06.2017], URL: https://www.sehepunkte.de
/2017/06/30148.html


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Elisabeth Hassmann / Heinz Winter: Numophylacium Imperatoris

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Die von Johann Georg Krünitz 1773 begründete "Oekonomische Encyklopädie" erfuhr sukzessive eine beträchtliche Erweiterung des Themenspektrums - später findet sich sogar im Titel die Kunstgeschichte. Es kann daher nicht verwundern, dass im Band 98 (erschienen 1805) auch das Lemma "Münzkabinett" seine Behandlung erfuhr. Nach einer allgemeinen Einführung werden wichtige Kabinette in Deutschland vorgestellt. Hierbei rangiert das kaiserliche Münzkabinett an erster Stelle. Diese Einschätzung durch die Zeitgenossen zu Beginn des 18. Jahrhunderts dürfte nicht alleine der Bedeutung des kaiserlichen Hofes im Reich geschuldet sein, vielmehr hat es "[...] nächst dem Pariser vielleicht an Menge und Kostbarkeit kaum seines gleichen." (6) Dass das Wiener Münzkabinett diese Position einnehmen konnte, gründet sich zu einem großen Teil auf den Ausbau der Sammlung und die Bearbeitung der Stücke im 18. Jahrhundert. Deshalb steht dieses Jahrhundert eindeutig im Mittelpunkt des wissenschaftsgeschichtlichen Diskurses hinsichtlich des numismatischen Sammelns und Forschens in Wien. Nun präsentieren Elisabeth Hassmann und Heinz Winter mit dieser Monografie die Ergebnisse ihrer Arbeit.

Deren einzelnen Kapitel orientieren sich an den verschiedenen habsburgischen Herrschern im 18. Jahrhundert. Unter Kaiser Joseph I. (1705-1711) wurde Carl Gustav Heraeus (1671-1725) mit der Stelle eines Antiquitäten-Inspektors betraut, der entscheidende Schritte für die Verselbständigung des Sammlungsbereiches der Münzen und Medaillen einleitete. Zuvor bestand die übliche Praxis eigentlich darin, dass die numismatischen Zeugnisse zusammen mit anderen Kunstgegenständen an unterschiedlichen Orten aufbewahrt wurden; unter anderem in der Schatzkammer, in der Kunstkammer und in der Hofbibliothek. Zudem gewannen unter ihm neben den antiken Geprägen nun auch moderne Münzen und Medaillen an Bedeutung. Wichtiger Impulsgeber war hierbei Kaiser Karl VI. (1711-1740), der selbst lebhaftes Interesse an der Numismatik zeigte. In den 1720er-Jahren entstanden fünf Codices, die Aufschluss über den Bestand geben und die bislang von der Forschung gänzlich unberücksichtigt geblieben sind. Genauso wie Karl VI. war Franz I. Stephan (1745-1765) ein begeisterter Münzsammler. Mehr noch: Er schuf sich ein eigenes, das franziszeische Münzkabinett, welches zu einem integralen Bestandteil des Wiener Kabinetts werden sollte. Sicher nicht zufällig wählte man für den Schutzumschlag des Bandes ein Gemälde, das den Kaiser als Numismatiker präsentiert.

Eine Großmutter von Kaiser Franz Stephans war Lieselotte von der Pfalz (1652-1722), die auch als Münzsammlerin in Erscheinung getreten ist. Diesem Vorbild wollte seine Gattin Maria Theresia (1740-1780) nicht nacheifern - sie konnte einer solchen Leidenschaft wenig abgewinnen. Aber die Habsburgerin wusste um die Wirkung kaiserlicher Kunst als Mittel herrscherlicher Repräsentation. Schließlich ließ sie nichts unversucht, um den Ruhm und die Größe des Hauses Habsburg zu mehren. Im Hinblick auf die Münzsammlung forderte Maria Theresia mit Nachdruck die Schaffung von Katalogen und erlaubte den allgemeinen Publikumsbesuch. So weilten im September 1749 die Eheleute Gottsched in der Residenzstadt an der Donau und besahen sich (gegen Eintrittsgeld) auch die numismatischen Schätze. Überhaupt sorgte die Kaiserin dafür, dass fast der gesamte Bestand der kaiserlich-habsburgischen Münzsammlungen in Wien räumlich vereint war; ab 1767 erschien im Hofschematismus das k. k. Münz- und Medaillenkabinett.

Zu einem Glücksfall entwickelte sich die Anstellung von Joseph Hilarius Eckhel (1737-1798), der zum Begründer der modernen antiken Numismatik wurde. Indem er die Numismatik als Lehrfach an der Wiener Universität begründete, schuf er die Verbindung von Sammlung und Lehre, die für das Münzkabinett kennzeichnend werden sollte. Immer wieder wurden Zuwächse registriert. So beschloss Maria Theresia auf Anregung Eckhels die systematische Zuteilung des Bestandes der geschnittenen Steine an das antike Münzkabinett. Kaiser Joseph II. (1765-1790) setzte sich dafür ein, dass verstärkt ausländische Medaillen erworben wurden. Am Ende des Jahrhunderts erfolgte eine Weichenstellung mit großer Symbolkraft, die quasi den Übergang in eine neue Epoche einleitete. War 1774 die Trennung in ein antikes und ein modernes Münzkabinett erfolgt, so wurden 1798 beide Einrichtungen wiedervereinigt.

Im Anschluss an die Sammlungsgeschichte stellen Hassmann und Winter die räumliche Situation und die Einrichtung des Münzkabinetts vor. Ebenso gilt die Aufmerksamkeit der Besichtigungsmöglichkeiten der Sammlung. Ein umfangreicher Quellenanhang ist dem Band beigefügt. Außerdem findet sich eine Übersicht über die Entwicklung der kaiserlichen Münzsammlungen in Wien und über das Personal des Kabinetts im 18. und frühen 19. Jahrhundert. Ein Quellen- und Literaturverzeichnis sowie ein Register schließen den Band ab. Hervorzuheben sind die zahlreichen Abbildungen im Text.

Mit diesem Werk liegt erstmals eine Darstellung vor, die für ein komplettes Jahrhundert die Geschichte eines Münzkabinetts beschreibt und deutet. Vergleichbare Studien wurden für andere deutsche und europäische Kabinette bisher nicht erarbeitet. Ein derartiges Buch konnte aber auch nur geschrieben werden, weil die schriftliche Überlieferung des Wiener Münzkabinetts in einem Maße vorhanden ist, die ihresgleichen sucht. Aus den verschiedensten Gründen - man denke nur an Kriegsverluste - sind die Akten andernorts nicht bis in unsere heutigen Tage überliefert, sei es nun im Berliner oder im Münchner Kabinett. Aber nicht nur die Münzkabinettsakten als direkte Quellen wurden berücksichtigt, sondern auch andere schriftliche Zeugnisse. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang nicht zuletzt zeitgenössische Reisebeschreibungen der Stadt Wien inklusive Hinweisen zu den numismatischen Schätzen. Auch wenn das Buch bereits ein Jahr vor dem großen Jubiläumsjahr 2017 erschienen ist - Maria Theresia hätte sich über ein solches Geburtstagsgeschenk sicher gefreut.

Torsten Fried