Matthias Müller / Peter-Michael Hahn (Hgg.): Zeichen und Medien des Militärischen am Fürstenhof in Europa (= Schriften zur Residenzkultur; Bd. 10), Berlin: Lukas Verlag 2016, 240 S., 35 Farb-, 40 s/w-Abb., ISBN 978-3-86732-251-5, EUR 36,00
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Der vorliegende Band, aus einer Tagung des Rudolstädter Arbeitskreises zur Residenzkultur hervorgegangen, zeigt auf dem Einband den jungen Ludwig XIV. als Personifikation des Krieges. In der linken Hand die Fackel, in der Rechten das Schwert, ist er ganz der Figur der Ira, des Zorns, aus der Iconologia Cesare Ripas verpflichtet. Ira, eine nicht von vornherein harmonisch in die Herrschaftsikonografie zu integrierende Figur, tritt hier dynamisiert in Erscheinung.
Krieg und militärische Option sind die positiven Potentiale eines frühneuzeitlichen Herrschers und keineswegs als Aggressionspolitik zu deuten. In welchen ausdifferenzierten Symbolsystemen sich die visuelle Bandbreite des militärischen und militärisch erscheinenden Komplexes manifestierte, analysieren die Beiträge eindrücklich und fundiert.
Das von Matthias Müller und Peter-Michael Hahn herausgegebene Buch ist in die Bereiche Zeichen und Medien der Repräsentation, Vermittlung von Dynastie und memoria sowie Symbolik der Residenzen gegliedert. Hahns einleitender Beitrag betrachtet die ökonomischen und sozialen höfischen Existenzweisen in der Perspektive des Militärischen. Hierbei wird deutlich herausgestellt, welche hohe Wirkmacht die Repräsentation kriegerischer Aspekte hatte. Ein stehendes Heer wurde zum Zeichen fürstlicher Autorität, und Kanonen generierten ein Image der Abschreckung. Im Zuge einer sich steigernden Aufmerksamkeit wurde das Militär im Alten Reich insbesondere nach 1648 ein wichtiger, den Fürstenstaat mit ausgestaltender Faktor.
Den ersten Abschnitt des Bandes bilden vier Untersuchungen zu den Vorstellungen politischer Machtausübung und ihrer Repräsentation. Klaus Pietschmann und Harriet Rudolph widmen sich der Bedeutung von Musik im höfischen Zeichengefüge. Pietschmann verweist einleitend auf die allgemeinverständliche Rezeption von Bläserfanfaren oder den Pauken und Trompeten im Te Deum, die den gottgewollten Ausgang von Schlachten akustisch markierten. Differenziert wird die Durchdringung von militärischen Motiven und der religiösen Messkomposition im höfischen Kontext anhand der L'homme armé-Tradition erläutert, womit Pietschmann den militärisch-symbolischen Komplex um die akustische Variante erweitert.
Margret Scharrer beschreibt detailliert den Zusammenhang von militärischen Motiven und Herrschaftsrepräsentation anhand der dreizehn Tragédies en musique von Jean-Baptiste Lully für Ludwig XIV. In diesen Heldengeschichten wird der Konnex von wehrhaftem König und aktivem Kriegshelden mit dessen Bedeutung als gerechtem Friedensstifter herausgestellt. So sind die Tragédies als die musikalische Vermittlung einer allumfassenden Staatstheorie zu verstehen.
Matthias Müller befasst sich mit dem bisher zu wenig rezipierten Bereich der Zeremonial- und Prunkwaffen des 16. Jahrhunderts. Auf ihren schmalen Bildfeldern verbinden sie die zerstörerischen und produktiven Verhältnisse von arma und litterae. Dass die Waffen ihre Motive aus den "Bilderfahrzeugen" (Aby Warburg) der Druckgrafik gewannen, erhöhte aufgrund deren Verbreitung die Akzeptanz dieser Bildsprache.
Der Beitrag zeigt eindrücklich, dass ein passives, illustratives Repräsentationsverständnis für die Frühe Neuzeit nicht angenommen werden kann. Wie Müller konsequent herausarbeitet sind Prunkwaffen mit ihren Bildfeldern letztendlich den Historienbildern zuzurechnen, was wiederum methodisch der kunst- und bildwissenschaftlichen Analyse dieser Gattung neue Sichtweisen eröffnet.
Im Beitrag von Harriet Rudolph geht es um militärische Motive im Kontext feierlicher Herrscherbesuche. Der zeremonielle Akt sollte in seiner Bildmächtigkeit ebenso auf die Gesellschaft des Gastes wie des Gastgebers wirken. Symbolische Formen des Militärischen werden Teil eines Staatszeremoniells beziehungsweise der Repräsentation sich ausdifferenzierender Territorien, wie Rudolph anschaulich darstellt.
Der zweite Abschnitt des Bandes widmet sich der Rüstkammer als Bauaufgabe. Gernot Klatte präsentiert in seinem Aufsatz die höfischen Rüstkammern in Dresden und Berlin, wo die Jagd- und Turnierwaffen des jeweiligen Herrschers verwahrt wurden und nicht das Kriegsgerät. Durch die Ausrichtung auf Person und Dynastie sind sie dementsprechend als Orte der memoria anzusehen, wie es Klatte detailliert analysiert.
Dem baulichen Gegenstück, dem Zeughaus, widmet sich Heiko Laß und untersucht dieses ebenso unter dem Begriff der memoria. Von Bedeutung war die Verbindung mit der Person des Herrschers in einer genealogischen Perspektive - wenn beispielsweise anhand von Prunkharnischen die militärische Kraft und historische Beständigkeit der jeweiligen Dynastien repräsentiert wurde.
Lutz Unbehaun behandelt das Zeughaus von Schloss Schwarzburg. Die Bau- und Umbaugeschichte der Anlage hatte zur Folge, dass im frühen 18. Jahrhundert verstärkt militärische Motive integriert wurden. Hierin wurde auch das zweigeschossige Zeughaus einbezogen, dessen Ausstattung sich mit der Visualisierung eines dynastischen Anspruchs verband.
Der dritte Teil des Bandes lenkt den Blick auf die Bauaufgabe Residenz und stellt deren militärische Symbolik zur Diskussion. In ihrem umfangreichen Beitrag stellt Astrid Heyde die Galerien von Karl X. Gustav sowie Karls XI. auf Schloss Drottningholm vor, deren monumentale Schlachtenbilder sie auf Aspekte der Historisierung befragt. Für den Bereich der Herrschaftsrepräsentation ist von besonderem Interesse, wie die fehlende Anciennität durch die Darstellung militärischer Ereignisse kompensiert werden konnte und diese in einer Heroisierung der majestas realis mündete.
Martin Eberle zeigt die Tiefenwirkung militärisch rückgebundener Motive in Raumausstattung und höfischem Kunsthandwerk des 18. Jahrhunderts. Mit diesem Beitrag kommt ein wichtiger Objektbereich in den Blick. Im Zuge und Nachhall des Dreißigjährigen Krieges etablierte sich die Symbolik des Militärischen, das jedoch den öffentlichen Empfangsräumen vorbehalten blieb, während der Frieden in den Rückzugsräumen Einzug hielt. So lässt sich im Kunsthandwerk auch der Bedeutungsverlust des Militärischen zu Beginn sowie dessen "Renaissance" gegen Ende des 18. Jahrhunderts eindrücklich beobachten.
Am Ende des Bandes setzt sich Thomas Fischbacher mit dem barbarischen Akt der symbolischen Zerstörung auseinander, deren Wirkmächtigkeit sich gerade aus der militärischen Nutzlosigkeit speist. Das Ziel besteht in erster Linie in einer moralischen Verletzung, welche jedoch zuweilen gerade die Solidarisierung der Bevölkerung unterstützt.
Das Buch stellt in einer beeindruckenden Dichte vor, welch hohes Gewicht bisher zu wenig beachteten militärischen Motiven zukam. Er belegt, wie die gesteigerte Bedeutung von Personen und Handlungsformen symbolisch artikuliert wurde und legt visuelle Argumentationsstrategien offen. Es ist ein hoher Verdienst der Beiträge, diesen lange eher ausgeklammerten Bereich in den Fokus der Forschung gerückt zu haben.
Pablo Schneider