Stephan Vogel: Fortuna Düsseldorf im Nationalsozialismus, Hamburg: Tredition GmbH 2017, 124 S., 63 s/w-Abb., 2 Tbl., ISBN 978-3-7439-1935-8, EUR 14,99
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Lorenz Peiffer / Henry Wahlig (Hgg.): "Unser Verein ist judenfrei". Ausgrenzung im deutschen Sport. Eine Quellensammlung, Berlin / Boston: De Gruyter Oldenbourg 2017, LXXXIV + 223 S., ISBN 978-3-11-053231-9, EUR 89,95
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František Steiner: Fußball unterm gelben Stern. Die Liga im Ghetto Theresienstadt 1943-44. Herausgegeben, übersetzt und kommentiert von Stefan Zwicker, Paderborn: Ferdinand Schöningh 2017, 195 S., 54 s/w-Abb., ISBN 978-3-506-78626-5, EUR 26,90
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Alexandra Garbarini: Numbered Days. Diaries and the Holocaust, New Haven / London: Yale University Press 2006
Johannes-Dieter Steinert: Deportation und Zwangsarbeit. Polnische und sowjetische Kinder im nationalsozialistischen Deutschland und im besetzten Osteuropa 1939-1945, Essen: Klartext 2013
Józef Zelkowicz: In jenen albtraumhaften Tagen. Tagebuchaufzeichnungen aus dem Getto Lodz/Litzmannstadt, September 1942, Göttingen: Wallstein 2015
Christopher Spatz: Ostpreußische Wolfskinder. Erfahrungsräume und Identitäten in der deutschen Nachkriegsgesellschaft, Osnabrück: fibre Verlag 2016
Karen Auerbach: The House at Ujazdowskie 16. Jewish Families in Warsaw after the Holocaust, Bloomington, IN: Indiana University Press 2013
Lorenz Pfeiffer / Henry Wahlig: Juden im Sport während des Nationalsozialismus. Ein historisches Handbuch für Niedersachsen und Bremen, Göttingen: Wallstein 2012
Lorenz Peiffer / Arthur Heinrich (Hgg.): Juden im Sport in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus. Ein historisches Handbuch für Nordrhein-Westfalen, Göttingen: Wallstein 2019
Gretel Bergmann: "Ich war die große jüdische Hoffnung". Erinnerungen einer aussergewöhnlichen Sportlerin, 2., erweiterte Auflage, Heidelberg / Ubstadt-Weiher / Basel: verlag regionalkultur 2015
Dieser Tage beteiligen sich zahlreiche Fußballvereine und Fangruppen an Aktionen gegen Rassismus und Antisemitismus. Anlass dafür ist der Erinnerungstag im deutschen Fußball, der zum 15. Mal rund um den International Holocaust Remembrance Day am 27. Januar stattfindet. So wird mancher Klub vor dem Anpfiff seines Bundesligaspiels an ausgeschlossene jüdische Mitglieder erinnern - das signalisiert, dass Vereine und Verbände zunehmend bereit sind, sich mit ihrer Geschichte in der Zeit des Nationalsozialismus zu befassen. Dazu trägt das Interesse der Öffentlichkeit und der Geschichtswissenschaft bei, das sich seit den 1990er Jahren intensiviert hat und es dem Sport - Funktionären wie Aktiven - erschwert, unangenehme Teile seiner Vergangenheit zu beschweigen.
Ein augenfälliges Resultat dieser Entwicklung sind Studien, die sich der NS-Vergangenheit großer Fußballvereine widmen - genannt seien die gelungenen Monographien über den 1. FC Kaiserslautern oder den FC Schalke 04. Eine der jüngsten Veröffentlichungen aus diesem Kreis beleuchtet nun Fortuna Düsseldorf - immerhin Deutscher Meister 1933. Dabei handelt es sich um die bemerkenswerte Fleißarbeit Stephan Vogels, eines langjährigen Anhängers, der Informationen aus dem Vereinsarchiv, öffentlichen Archiven und privaten Sammlungen zusammengetragen hat. Fortunas Funktionäre waren demnach Handwerker, Beamte oder in kaufmännischen Berufen tätig. Obwohl ihr Verein vermutlich bis 1933 von der jüdischen Kaufmannsfamilie Carsch unterstützt wurde, sträubten sie sich nicht gegen die Gleichschaltung. Ähnliche Befunde lassen sich für zahlreiche vergleichbare Klubs treffen. Der amtierende Meister bekannte sich im Juli 1933 zum "Führerprinzip", zwei Jahre später lässt sich der erste Ruf nach einem expliziten "Arierparagraphen" nachweisen.
Andererseits war der 1939 gewählte "Vereinsführer" 1933 nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten seiner Stellung als Leiter eines Werklehrerseminars enthoben worden. Ob das allerdings rechtfertigt, den handelnden Personen das Bemühen um eine "Balance zwischen Sport und Politik" (124) zu bescheinigen? Schon ein Foto der Meisterfeier 1933 mit Hakenkreuzfahne und NSDAP-Oberbürgermeister Wagenführ konterkariert die Aussage, dass "weder der Verein, noch einer seiner Spieler, für die nationalsozialistische Propaganda" (30) angetreten seien. Die Ehrenmitgliedschaft Werner Keyßners, des Mönchengladbacher NSDAP-Oberbürgermeisters, wurde nach 1945 ausdrücklich erneuert. Die Biografien von Spielern, Trainern und Funktionären, die zwei Drittel des Bändchens füllen, machen in einzelnen Fällen stutzig: Paul Bornefeld, zuvor zwei Jahre ohne Anstellung, wurde 1933 nicht nur Deutscher Meister, sondern auch NSDAP-Mitglied - und trat im selben Jahr als Buchhalter in den Dienst der Düsseldorfer Stadtverwaltung.
Fortuna Düsseldorf im Nationalsozialismus liefert daher Schlaglichter und Anstöße für eine tiefergehende Untersuchung. Das Buch weist aber zahlreiche Mängel auf, die zeigen, dass eine solche Zusammenstellung die Arbeit des Historikers nicht ersetzt: Biographien reihen sich unvermittelt aneinander, und es findet sich kaum ein einordnendes Wort, Urteile bleiben diffus, Belege ungenau; auch im Umgang mit den zahlreich verwendeten Entnazifizierungsakten wäre eingehendere Quellenkritik geboten gewesen.
Wodurch sich wissenschaftliche Beschäftigung mit Sport im NS-Staat auszeichnet, zeigen Lorenz Peiffer und Henry Wahlig. Ihrer Quellensammlung "Unser Verein ist judenfrei!" stellen sie eine Einleitung voran, die einen profunden Überblick bietet und Bezüge zur neueren NS-Forschung herstellt. Die Edition versammelt 334 Dokumente, die die "rechtliche Ausgrenzung von Juden aus dem deutschen Sportleben nach dem 30. Januar 1933" (XLIII) abbilden. Sie gliedern sich nach ihrer Provenienz in vier Kapitel: Staatliche Institutionen, NS-Organisationen, Turn- und Sportbewegung, Presse.
Erklärtes Ziel ist es, ein Panorama zu entfalten, das die unterschiedlichen Verhaltensweisen der Akteure im Sport gegenüber jüdischen Mitgliedern darstellt. Deutlich wird, dass sich Verbände und Vereine in vielen Fällen eilfertig dem Nationalsozialismus andienten und ohne Zwang einen "Arierparagraphen" einführten. Jedoch legen die Dokumente ebenso nahe, dass Ortsgruppen- oder Kreisleiter mancherorts Druck ausübten. Kommunalverwaltungen preschten mit Badeverboten vor, während sich Reichsbehörden oder Spitzenverbände bis 1936 bemühten, antisemitische Ausfälle einzuhegen oder zu verbrämen, weil sie einen Olympiaboykott fürchteten. Nach den Olympischen Spielen in Berlin und erst recht mit dem Novemberpogrom 1938 entfielen diese Rücksichtnahmen.
Wie groß die Bandbreite selbst innerhalb eines Vereins sein konnte, zeigen die Quellen zu Eintracht Frankfurt: Durften jüdische Mitglieder der Boxabteilung ab April 1933 nicht mehr angehören, spielten sie in Einzelfällen bis 1937 Fußball. Zwar sind die Quellen zur Eintracht aus der Literatur zitiert, doch speist sich ein großer Teil aus Archiven und der zeitgenössischen Presse - was die Perspektive explizit jüdischer Publikationen einschließt.
Eine solche Quellensammlung, die den aktuellen Forschungsstand beachtet, ist äußerst hilfreich und schließt eine offensichtliche Lücke. Der stolze Preis von annähernd 90 Euro rechtfertigt es aber, auch kleinere Schwächen zur Sprache zu bringen. Das Verzeichnis der Dokumente ist unübersichtlich, insbesondere das Sachregister inkonsequent: Warum taucht hier der Sportverein der Berliner Elektrizitätswerke, aber kein anderer einzelner Klub auf?
Dass sich unter den 334 Dokumenten nur vier finden, die 1940 oder später verfasst wurden, nimmt nicht wunder. Gemäß der 1940 vom Nationalsozialistischen Reichsbund für Leibesübungen vorgegebenen Einheitssatzung mussten Vereine einen "Arierparagraphen" in ihre Statuten einfügen; die antisemitischen Maßnahmen gingen längst weit über Badeverbote hinaus. Wer als Jude galt, war zu diesem Zeitpunkt vom offiziell organisierten Sport in Deutschland ausgeschlossen.
Trotzdem spielten einige von ihnen weiterhin Fußball - in der Emigration oder sogar, wenngleich dies nicht die Regel war, im Konzentrationslager. Eine absolute Ausnahme bildete Die Liga im Ghetto Theresienstadt 1943-44. In dem Buch Fußball unterm gelben Stern, dessen deutsche Ausgabe diesen Untertitel trägt, hat der tschechische Journalist František Steiner Erinnerungen von Zeitzeugen aufgezeichnet und kommentiert. In den Kasernenhöfen des ab 1941 eingerichteten Lagers fanden 1943 und 1944 Liga- und Pokalspiele statt, die von den Häftlingen organisiert wurden. Ein Abstieg in die zweite Spielklasse war ebenso geregelt wie die Schiedsrichtereinteilung für Jugendspiele. Die Teammitglieder fanden durch ihre Tätigkeit im Lager - erster Meister wurde die "Kleiderkammer" - oder geradezu vereinsmäßig zusammen. 3000 Zuschauer drängten sich während des Pokalfinales 1943 am Spielfeldrand. Auf dem staubigen Hof jagten Spieler dem Ball nach, die ihr Können zuvor in den höchsten tschechoslowakischen Ligen bewiesen hatten.
Das Buch, das Stefan Zwicker übersetzt, eingeordnet und mit hilfreichen Anmerkungen versehen hat, stellt Tore und Meisterschaften in den Mittelpunkt. Steiners Wissen um Sportlerkarrieren und Anekdoten ist nicht zu überlesen. Seine Gesprächspartner befragte er, lange nachdem 1944 das letzte Tor gefallen war. Die widrigen Umstände, unter denen die deutsche Ausgabe entstand und die Zwicker beklagt, spiegeln sich leider in vielen kleinen Fehlern. Dass die Lektüre lohnt, steht aber außer Frage. Steiner, selbst als "Halbjude" verfolgt, schreibt Sätze wie: "Als mit den Transporten nach Auschwitz-Birkenau auch eine Reihe von Schiedsrichtern deportiert wurde, stellte das den Fußball in Theresienstadt vor Probleme." (59) Ein jugendlicher Zuschauer kommt ebenso zu Wort wie der Torhüter Jiří Pavel, für den Fußball im Lager "eine Droge" war, "mit der man ins Leben zurückkehrte" (46). Das ist die Stärke des Buches: Es beschreibt das unbegreifliche Nebeneinander von Fußball und Sterben, es liefert Hinweise auf die Funktion des Sports als Selbstbehauptung und Ablenkung im Angesicht des alltäglichen Mordens.
Die hier vorgestellten Veröffentlichungen zeigen jedoch, dass der Sportplatz ebenso ein Ort war, an dem Ausgrenzung und Entrechtung früh und deutlich sichtbar wurden. Pavel überlebte einen Todesmarsch und starb 2011 in Prag. Die meisten jüdischen Sportler wurden jedoch ermordet wie der deutsche Nationalspieler Julius Hirsch oder starben an den Folgen ihrer Haft wie Waldemar Spier, Mitglied des Spielausschusses von Fortuna Düsseldorf.
Gregor Hofmann