Johanna Wolf: Assurances of Friendship. Transnationale Wege von Metallgewerkschaftern in der Schiffbauindustrie, 1950-1980 (= Transnationale Geschichte; Bd. 11), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2018, 406 S., 2 s/w-Abb., 11 Tbl., ISBN 978-3-525-35692-0, EUR 85,00
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Wie reagierten die Interessensvertretungen der Schiffbauindustrie auf die Herausforderungen, die die Branche seit den 1970er Jahren zu bewältigen hatte? Über dieses zentrale Forschungsinteresse hinaus untersucht Johanna Wolf in ihrer Studie "Assurances of Friendship" die Bedeutung der Transnationalität für die Metallgewerkschaften. Dabei rückt sie die Frage nach Krisenwahrnehmung, Handlungsspielräumen, Einflussmöglichkeiten und Vernetzungen der Akteure in den Mittelpunkt. Als stark international ausgerichtete Branche war und ist der Schiffbau mehr noch als andere Wirtschaftszweige von globalen Entwicklungen abhängig. Insbesondere in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatte sich die Schiffbauindustrie auf einen schnell wachsenden, zunehmend globalisierten Markt einzustellen. Nicht zuletzt die westeuropäischen Schiffbauländer mussten auf einen gesättigten Markt und die erstarkende Konkurrenz aus Asien reagieren.
Wolfs Untersuchung basiert auf vier räumlich orientierten Analyseebenen. Nach dieser Struktur richtet sich auch die inhaltliche Gliederung des Buches. Der Fokus bleibt jedoch auf Westdeutschland beziehungsweise Westeuropa gerichtet: Als lokales Fallbeispiel dient die Bremer Vulkan Werft; die IG Metall bildet den nationalen Untersuchungsgegenstand. Die europäische und die internationale Ebene werden am Beispiel des Europäischen Metallausschusses und Metallgewerkschaftsbunds sowie des Internationalen Metallgewerkschaftsbunds beleuchtet. Methodisch verortet Wolf ihre Studie im Bereich der transnationalen Geschichte um herauszufinden, "woher Ideen kamen, wo es Verflechtungen und Verbindungen gab und wie diese Kontakte auf die Strategien der Akteure zurückwirkten". (382) Allerdings wird der Leser feststellen, dass der Begriff "transnational" als einer der analytischen Grundpfeiler des Buches zwar in die aktuelle Forschung eingeordnet wird, die Definition für die eigene Studie jedoch etwas blass bleibt. Tatsächlich spielt inhaltlich auf allen Analyseebenen die Internationalität der Branche eine übergeordnete Rolle. So zeigt die Autorin, dass sich die Gewerkschaften nicht nur mit den Folgen der problematischen Entwicklungen in der Schiffbaubranche beschäftigten, sondern dass sie darüber hinaus vor dem Hintergrund zunehmender Globalisierungsprozesse "die Probleme des Sektors deutlich vor den 1970er Jahren erkannten und entsprechend ihrer Sorge um Arbeitsplätze Ideen entwickelten, wie einer Krise vorgebeugt werden könnte". (361) Mit diesem Ergebnis möchte Wolf - anknüpfend an Eckart Conze [1] - die These des uneingeschränkten wirtschaftlichen Aufschwungs der 1960er Jahre relativieren. Gleichzeitig bleibt die Autorin insofern auf einer Linie mit Anselm Doering-Manteuffel und Lutz Raphael [2] und deren Zäsursetzung "Nach dem Boom", als die Schiffbaukrise tatsächlich in den 1970er Jahren ihr volles Ausmaß erreichte.
Den Kontext der Untersuchung bilden die Jahre 1950 bis 1980. Der westeuropäische Schiffbau durchlief damals eine Entwicklung vom jahrzehntelangen ungebremsten Aufschwung hin zu Rezession und Stagnation, während sich Japan zum weltweit führenden Schiffbauland entwickelte. Wenn auch ein größerer Untersuchungszeitraum gewählt wurde, liegt ein besonderes Augenmerk auf den 1970er Jahren. Sie wirkten sich aufgrund des Ölpreisschocks besonders gravierend auf den Schiffbaumarkt aus und markierten damit den Beginn einer veritablen Krise. Wolf lässt die Betrachtung an einem kumulativen Punkt von Werftschließungen in den 1980er Jahren enden.
Mithilfe der verschiedenen Analyseebenen soll gezeigt werden, wie die Interessenvertretungen auf die Konjunkturen in der Branche reagierten. Beispielsweise gelang es den Akteuren der Bremer Vulkan Werft auf der Mikro-Ebene, die Belegschaft gegen mögliche Rationalisierungsmaßnahmen zu mobilisieren, was in den Jahren "nach dem Boom" zu wilden Streiks führte. Das Kapitel zur IG Metall zeigt die Schwierigkeit der Gewerkschaftsfunktionäre, sich zwischen angestrebter internationaler Solidarität und den nationalen Auswirkungen negativer Arbeitsmarktentwicklungen zu positionieren. Auch die europäischen Gewerkschaften rückten mit der Zeit zugunsten eines europäischen Protektionismus von den ursprünglich formulierten Zielen ab, auf internationaler Ebene Arbeitsplätze erhalten zu wollen. Die Vertreter des Internationalen Gewerkschaftsbunds konnten mangels konkreter Entscheidungsgewalt an ihren idealistischen Vorstellungen festhalten, gleichzeitig jedoch realpolitisch wenig umsetzen. Die Reaktionen und Strategien der Gewerkschaften der unterschiedlichen Ebenen vergleichend, zieht Wolf in einem letzten inhaltlichen Kapitel ein Resümee. Dabei analysiert sie das Fehlen oder Vorhandensein transnationaler, personeller oder thematischer Verflechtungen.
Die Vertreter des internationalen Gewerkschaftsbunds konnten aufgrund personeller, transnationaler Verflechtungen auch länderübergreifend agieren und globale Aspekte im Schiffbau verhandeln. Auf einer rein lokal-betrieblichen Ebene war dies nicht in demselben Maß möglich. Dieses Gefälle zwischen transnationaler beziehungsweise internationaler und nationaler sowie lokaler Orientierung ist zunächst ein wenig überraschender Befund. Für die nationalen und die internationalen Gewerkschaften stellte die Wissensbeschaffung einen bedeutenden Bestandteil ihrer Arbeit dar. Hierfür analysierten sie den globalen Kontext und förderten den transnationalen Austausch. Die Gewerkschaftsfunktionäre erarbeiteten auf diese Weise Strategien, um Krisen zu bewältigen und die sozialen Folgen abzumildern. Gleichzeitig gelang es den Gewerkschaften auf keiner Ebene, über Lösungsansätze für die eigenen, nationalen oder lokalen Probleme hinauszukommen. Wolf führt dies auf die zunehmende Konkurrenz nicht zuletzt zwischen den westeuropäischen Schiffbauländern zurück.
Die Studie zeigt, dass trotz einer zunehmenden transnationalen Perspektive der Gewerkschaften auf die Schiffbauindustrie die nationalen und lokalen Interessen im Mittelpunkt ihrer Forderungen und Reaktionen standen. So blieb die Erwartung von den Gewerkschaften formulierte Erwartung von globaler Solidarität hinter den tatsächlichen Gegebenheiten der Branche zurück. Angesichts dieses Befunds hätte hinter "Assurances of Friendship" zumindest ein Fragezeichen gesetzt werden können.
Anmerkungen:
[1] Eckart Conze: Die Suche nach Sicherheit. Eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von 1949 bis in die Gegenwart, München 2009.
[2] Anselm Doering-Manteuffel / Lutz Raphael: Nach dem Boom. Perspektiven auf die Zeitgeschichte seit 1970, 3., ergänzte Aufl., Göttingen 2012.
Eva Lütkemeyer