Christoph Bramann / Christoph Kühberger / Roland Bernhard (Hgg.): Historisch Denken lernen mit Schulbüchern, Frankfurt/M.: Wochenschau-Verlag 2018, 214 S., 28 s/w-Abb., 16 Tbl., ISBN 978-3-7344-0447-4, EUR 22,90
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Christoph Kühberger / Philipp Mittnik (Hgg.): Empirische Geschichtsschulbuchforschung in Österreich, Innsbruck: StudienVerlag 2015
Christoph Kühberger / Herbert Neureiter: Zum Umgang mit Nationalsozialismus, Holocaust und Erinnerungskultur. Eine quantitative Untersuchung bei Lernenden und Lehrenden an Salzburger Schulen aus geschichtsdidaktischer Perspektive, Schwalbach: Wochenschau-Verlag 2017
Wolfgang Buchberger / Christoph Kühberger / Christoph Stuhlberger (Hgg.): Nutzung digitaler Medien im Geschichtsunterricht, Innsbruck: StudienVerlag 2015
Der vorliegende Sammelband vereint Beiträge aus dem engeren und weiteren Forschungskontext des Salzburger Projekts Competence and Academic Orientation in History Textbooks (CAOHT), verantwortet von Christoph Bramann, Christoph Kühberger und Roland Bernhard. [1] Anlass für die Herausgabe des Bandes war die Salzburger Jahrestagung der Gesellschaft für Geschichtsdidaktik Österreich (GDÖ) vom 23. bis 24. September 2016 zum Schwerpunkt "Historisch denken lernen mit Schulbüchern", die gemeinsam mit dem Bundeszentrum für Gesellschaftliches Lernen (BZGL) veranstaltet wurde. Der Fokus von Projekt und Tagung liegt dabei auf Lehrwerken für die Primarstufe (Sachunterricht) und vor allem solchen für die Sekundarstufe I.
Nach einer Einleitung durch die Herausgeber folgen acht Beiträge. Als ersten Teil definieren die Herausgeber die Beiträge von Holger Thünemann (Köln) zu Forschungsstand und Perspektiven der Geschichtsschulbuchforschung (17-36), von Roland Bernhard (Salzburg / Innsbruck) zur empirischen 'Mixed-Methods' Methodik im Projekt CAOHT (37-62) sowie den von Christine Ottner und Alexander Preisinger (Wien) verantworteten Einblick in die Rahmenbedingungen der Geschichtsschulbuchproduktion für österreichische Handelsakademien nach einem neuen Lehrplan, an dessen Konzeption die Autoren selbst beteiligt waren (63-80). Im zweiten Teil werden in der Einleitung die sich daran anschließenden Beiträge zusammengefasst: Kai Krüger (Berlin) untersucht Narrative zur Wirtschaftsgeschichte in deutschen Geschichtsschulbüchern (81-110), Philipp Mittnik (Wien / Salzburg) vergleicht deutsche, österreichische und englische Geschichtsschulbücher am Fallbeispiel Nationalsozialismus, Wolfgang Buchberger (Salzburg) legt seinen Schwerpunkt auf die Untersuchung schriftlicher Quellen in Schulbüchern für die Primar- und Sekundarstufe (136-159) und Nikolaus Eigler und Christoph Kühberger (Salzburg) interessieren sich für Bilder im Geschichtsschulbuch in Zusammenhang mit dem Thema Nationalsozialismus (160-180). Der zweite Teil und der gesamte Band schließen mit dem Beitrag von Christoph Bramann (Bochum / Salzburg / Hildesheim) zu Arbeitsaufträgen in österreichischen Geschichtsschulbüchern (181-215).
Vorab ist festzuhalten, dass der Band Grundlagenarbeit leistet, indem die übergeordnete Fragestellung des Bandes sich darauf fokussiert, "ob sich historisches Denken als zentrales Ziel eines modernen Geschichtsunterrichts durch die zur Verfügung stehenden Schulbücher adäquat fördern lässt" (9). Es geht also darum zu prüfen, inwiefern ein auf Kompetenzerwerb zielender Unterricht auf Basis der Bücher verwirklicht werden kann. Und da Kompetenzorientierung präzise definierte Schüler- und Schülerinnenhandlungen voraussetzt, ist eines der wichtigsten Themen aller Beiträge die Aufgabenproblematik: Nach Lektüre des Bandes bestätigen sich erneut die von Holger Thünemann bereits 2013 berichteten Befunde [2], dass in den Geschichtsschulbüchern Arbeitsaufträge im dritten kognitiven Anforderungsbereich der Reflexion (Werturteil, Kontroversität, Gegenwartsbezug) noch immer in geringerem Maße vertreten sind als die Anforderungsbereiche der Reproduktion und Reorganisation historischer Sachverhalte (dazu äußern sich vor allem die Beiträge von Thünemann, Krüger, Buchberger, Mittnik, Eigler & Kühberger, Bramann).
Eine Schwäche der im Band dargestellten Analysen liegt in der teilweise unzureichenden Reflexion der empirischen Methodik. In keinem der Beiträge kommt beispielsweise zur Sprache, dass inhaltsanalytische Verfahren in der empirischen Bildungsforschung nicht nur der Entwicklung transparenter Kategoriensysteme zur Auswertung der qualitativen Daten bedürfen, sondern dass diese sich in der Anwendung unabhängiger Dritter auf Zuverlässigkeit in der Datenanalyse hin bewähren müssen [4], ein Schritt, über den hier (noch?) nicht berichtet wird. Damit fallen die Beiträge hinter die in der empirisch forschenden Geschichtsdidaktik inzwischen teilweise erreichten Standards zurück [5], was weniger den Autoren und Autorinnen anzulasten ist, sondern offensichtlich daran liegt, dass die Geschichtsdidaktik sich hier nach wie vor am Anfang eines mühevollen Weges befindet. [6] Der vorliegende Band ist allerdings dem empirischen Paradigma mit Fokus auf Unterrichtsforschung näher als der Vorläuferband aus demselben Projekt, der überwiegend kulturwissenschaftlich angelegte Studien beinhaltete. [7]
Mit Blick auf weitere Fortschritte in der empirischen Unterrichtsforschung liegt die Stärke des Bandes in der Entwicklung von Modellen und Analyserastern, die allesamt dem narrativistischen Paradigma des historischen Denkens verpflichtet sind. So hat Holger Thünemann ein früheres Modell zu den "Bausteinen aktueller Geschichtsschulbücher" [8] um den Bestandteil der Auftaktdoppelseiten erweitert (20), und im Beitrag von Roland Bernhard finden sich Auszüge aus den Fragebögen zur deskriptiven Erhebung des realen Umganges mit Geschichtsschulbüchern aus der Perspektive von Lehrkräften und Schüler und Schülerinnen (51-52). Innovativ ist beispielsweise auch der Fragebogen von Kai Krüger zur Prüfung narrativer Triftigkeit von Schulbuchnarrationen (93-94). Vielversprechend für weitere Forschungen sind außerdem die Analysekategorien, die Wolfgang Buchberger zur Untersuchung von Schriftquellen aus bisherigen geschichtsdidaktischen Auseinandersetzungen mit allgemeindidaktischen Aufgabenmodellen abgeleitet hat (144). Dies gilt auch für die grafische Modellierung der Interaktion zwischen Bildquellen und anderen Elementen von Schulbuchdoppelseiten, die im Beitrag von Nikolaus Eigler und Christoph Kühberger vorgeschlagen wird (171), sowie das Analyseraster zur Bewertung von Arbeitsaufträgen von Christoph Bramann (191).
Es ist das Verdienst des Salzburger Forscherteams um Christoph Kühberger, sich dieses für die künftige Erforschung und Entwicklung von kompetenzorientiertem Geschichtsunterricht wesentlichen Themas der empirischen Geschichtsschulbuchanalyse in derart umfänglicher und weiterführender Weise angenommen zu haben.
Anmerkungen:
[1] Zur Tagung siehe auch: Universität Salzburg: Das Projekt CAOHT, verfügbar unter: https://www.uni-salzburg.at/index.php?id=208544 (zuletzt aufgerufen am 23.07.2019).
[2] Holger Thünemann: Historische Lernaufgaben. Theoretische Überlegungen, empirische Befunde und forschungspragmatische Perspektiven, in: Zeitschrift für Geschichtsdidaktik 12 (2013), 141-155.
[3] Waltraud Schreiber / Béatrice Ziegler / Christoph Kühberger (Hgg.): Geschichtsdidaktischer Zwischenhalt. Beiträge aus der Tagung "Kompetent machen für ein Leben in, mit und durch Geschichte" in Eichstätt vom November 2017, Münster / New York 2019.
[4] Nicola Doering / Jürgen Bortz: Forschungsmethoden und Evaluation in den Sozial- und Humanwissenschaften, Heidelberg 2016.
[5] Christiane Bertram: Zeitzeugen im Geschichtsunterricht, Schwalbach / Ts. 2016.
[6] Vergleiche zum Beispiel Kadriye Ercikan / Peter Seixas (eds.): New Directions in Assessing Historical Thinking, New York 2015 oder aus dem deutschsprachigen Raum Monika Waldis / Béatrice Ziegler (Hgg.): Forschungswerkstatt Geschichtsdidaktik 15. Beiträge zur Tagung "geschichtsdidaktik empirisch 15", Bern 2017.
[7] Christoph Kühberger / Philipp Mittnik (Hgg.): Empirische Geschichtsschulbuchforschung in Österreich, Innsbruck 2015.
[8] Bernd Schönemann / Holger Thünemann: Schulbucharbeit. Das Geschichtslehrbuch in der Unterrichtspraxis, Schwalbach / Ts. 2010, 98.
Nicola Brauch