Martin Zückert / Jürgen Zarusky / Volker Zimmermann (Hgg.): Partisanen im Zweiten Weltkrieg. Der Slowakische Nationalaufstand im Kontext der europäischen Widerstandsbewegungen (= Bad Wiesseer Tagungen des Collegium Carolinum; Bd. 37), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2017, 320 S., 2 s/w-Abb., ISBN 978-3-525-37315-6, EUR 50,00
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Diese Rezension erscheint auch in der Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung.
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Der Slowakische Nationalaufstand von August bis Oktober 1944 ist in Deutschland und Westeuropa bislang wenig beachtet oder thematisiert worden. Der zu besprechende Sammelband ist daher schon deshalb zu begrüßen, weil er einem des Slowakischen nicht mächtigen Publikum Grundlegendes zu diesem für das nationale Selbstverständnis der Slowakei zentralen Ereignis vermittelt. Darüber hinaus zeigt er an dessen Beispiel "die Realitäten des Partisanenkrieges und zum anderen seine Mythologisierung und Instrumentalisierung" (21) auf.
Neben der einleitenden Studie der Herausgeber Martin Zückert, Jürgen Zarusky und Volker Zimmermann wird der Slowakische Nationalaufstand durch einen wichtigen Beitrag von Boris Barth über den neuzeitlichen Partisanenkampf als asymmetrischen Konflikt, den oft entgrenzte Gewaltanwendung kennzeichnet, in den Kontext weiterer, vor allem ost- und südosteuropäischer Widerstandsbewegungen im Zweiten Weltkrieg gestellt. Beide theoretischen Beiträge setzen den Anspruch für die folgenden Fallstudien recht hoch an, denn die im Sammelband unternommene Kontextualisierung verstehen die Herausgeber "als Anregung und zugleich als Beitrag zu einer vergleichenden Partisanenforschung" (26), die einzelne nationale Fallstudien in einen gesamteuropäischen Kontext einordnen soll. Angesichts der Heterogenität der Partisanenbewegungen in den verschiedenen Ländern sind von einem solchen vergleichenden Ansatz in der Tat über militärgeschichtliche Erkenntnisse hinaus vor allem wertvolle Erkenntnisse für die Gesellschaftsgeschichte des Zweiten Weltkriegs zu erwarten. Zudem eröffnet der Blick auf die geschichtspolitische Instrumentalisierung der Partisanenbewegung(en) interessante vergleichende Perspektiven auch für die Nachkriegsgesellschaften in Europa. So kann etwa Ulrike Lunow mit ihrem Beitrag über ehemalige tschechoslowakische und französische Widerstandskämpfer "als Akteure und Objekte von Geschichts- und Sozialpolitik" (225) zeigen, dass ein solcher Ost-West-Vergleich sinnvoll ist und dass "in beiden Ländern sehr ähnliche Muster im Umgang mit den ehemaligen Widerstandskämpfern und NS-Opfern" bestanden, weil "in beiden Ländern diejenigen Gruppen die 'Gewinner'" wurden, die "als Symbolfiguren die jeweiligen Machthaber repräsentierten" ( 247 folgende). Wie fruchtbar die angestrebte vergleichende Perspektive sein kann, belegt ebenfalls der Beitrag von Matteo Colombi über den Filmregisseur František Čáp, der in der kommunistischen Tschechoslowakei und später in Jugoslawien mit den Melodramen Bilá tma (Weiße Dunkelheit, Tschechoslowakei 1948) über den slowakischen Nationalaufstand und Trenutki odločitve (Entscheidungsmomente, Jugoslawien 1955) über den slowenischen Widerstand aus unterschiedlichen Gründen sowohl großes Lob als auch teilweise starke Kritik erntete und im zweiten Fall sogar zensiert wurde.
Zückert behandelt im den Slowakischen Nationalaufstand betreffenden Teil des Bandes den zwiespältigen Charakter des Aufstandes "zwischen Armeeerhebung und irregulärer Kriegsführung" (43). Es handelte sich nämlich um einen Aufstand von Teilen der regulären slowakischen Armee und der Bevölkerung, die sich politisch an der tschechoslowakischen Exilregierung in London orientierten und von überwiegend sowjetisch beeinflussten Partisanen unterstützt wurden. Den Zusammenhang zwischen der Kommunistischen Partei der Slowakei und der Partisanenbewegung in der Slowakei beleuchtet Marek Syrný, während Marian Uhrin mit der II. slowakischen Partisanenbrigade "General Milan Rastislav Štefanik" und Martin Vítko mit der Gruppe "Žiar" einzelne Partisaneneinheiten in den Blick nehmen. Der Beitrag von Vítko bietet eine wertvolle Anregung, in welche Richtung weiter zu forschen sich im slowakischen Fall lohnen würde: Am Beispiel von "Žiar", als deren Mitglieder sich nach dem Krieg zahlreiche Angehörige des Widerstandes meldeten, um die im Gesetz Nummer 255/46 Zb. geregelten sozialen Vorteile für bestimmte Kategorien von Widerstandsangehörigen in Anspruch nehmen zu können, stellt er nämlich die wichtige "Frage, wie viele weitere 'Partisanengruppen' auf diese Weise nach dem Krieg 'entstanden' sind" (123).
Die bis heute zentrale Bedeutung des Nationalaufstandes für das historische Selbstbild des slowakischen Staates in seinen unterschiedlichen Repräsentationen untersucht Monika Vrzgulová für den Zeitraum von 1989 bis zur Gegenwart, während Marína Zavacká am recht aussagekräftigen Beispiel von Kinder- und Jugendliteratur zeigt, wie stark die politischen Veränderungen in der Tschechoslowakei 1945-1955, vor allem natürlich der kommunistische Staatsstreich 1948, das öffentliche Bild des Slowakischen Nationalaufstandes veränderten.
Die ost- und südosteuropäischen Fallstudien behandeln in durchweg kenntnisreicher und differenzierter Weise die weißrussische so genannte "Partisanenrepublik" (Olga Baranova), die antisowjetische Partisanenbewegung in Litauen im und nach dem Zweiten Weltkrieg (Ekaterina Makhotina) und die antikommunistische Nationale Republikanische Griechische Liga (Vaios Kalogias) in den verschiedenen Phasen ihrer Entwicklung. Alle Studien verdeutlichen die ethnische und ideologische Heterogenität der jeweiligen Partisanenbewegungen, ihre Abhängigkeit von der militärischen und politischen Groß-wetterlage des Gesamtkriegs sowie die entscheidende Bedeutung des Vorhandenseins einer unterstützenden "Anlehnungsmacht" (11).
Zwei Fallstudien scheinen besonders interessant: Franziska Bruder kommt in ihrem Beitrag über jüdische Überlebende des Aufstandes im Vernichtungslager Sobibór und ihr teilweises Überleben im Kontext verschiedener polnischer und sowjetischer Partisanen-verbände exemplarisch der Forderung der Herausgeber nach, den Widerstand von Juden als Partisanen eingehender zu erforschen, und belegt, dass in der Tat die "Haltung der verschiedenen Partisanenbewegungen zu den verfolgten Juden ein wichtiges Kriterium ihrer politischen Verortung" (18) dargestellt habe. Jüdische oder nicht-antisemitische Partisanengruppen waren für die Juden in einem noch stärkeren Ausmaß "Überlebensgemeinschaften" (1) als andere Partisanengruppen für die jeweilige nationale Bevölkerung. Sven Deppisch hingegen präsentiert mit den von der deutschen Polizei übersetzten Tagebuchaufzeichnungen eines sowjetischen Partisanen in der Nähe von Leningrad, die von Ende Mai 1941 bis zu dessen Tod Ende September 1941 reichen, eine überaus seltene Binnenperspektive auf die Motivation und die Probleme des alltäglichen Überlebens in der ersten Phase des Partisanenkriegs in der Sowjetunion.
Der Sammelband wird seinem hohen Selbstanspruch, eine neue, europaweite vergleichende Perspektive auf die in ihrer Zusammensetzung und Motivation beziehungsweise Ideologie sehr heterogenen Partisanenbewegungen im Zweiten Weltkrieg zu eröffnen, insgesamt gerecht. Man darf gespannt sein, ob er weitere Forschungen in diese Richtung anstößt; Anregungen dafür bietet er durchaus.
René Küpper