Marie Favereau: La Horde d'Or et le Sultanat Mamelouk. Naissance d'une alliance (= Cahier des Annales Islamologiques; 34), Kairo: Institut français d'archéologie orientale 2018, X + 176 S., ISBN 978-2-7247-0718-2, EUR 36,80
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Marie Favereau, die nach einiger Zeit in Oxford gerade eine neue Stelle am Départment d'histoire der Université Paris-Nanterre angetreten hat, hat ein sehr informatives Buch über die Entstehung der Allianz zwischen dem Mamlukensultant und der Goldenen Horde zu Beginn der 1260er Jahre vorgelegt. Zwar gibt es schon eine Reihe guter Studien über die Beziehungen zwischen den Mongolen und den Mamluken (insbesondere von Reuven Amitai), doch ist bisher wenig über die mannigfaltigen diplomatischen Kontakte zwischen Kairo und Saray geschrieben worden. [1] Diese Interaktionen bestanden 170 Jahre lang, nämlich von der ersten offiziellen Kontaktaufnahme 1262 bis in die 1430er Jahre, als die Osmanen ihren Machtbereich massiv ausdehnten und die Kommunikation zwischen den beiden Herrschaftsverbänden unterbrachen.
In dem Buch geht es grundsätzlich um Mobilität, also um die Zirkulation von Menschen, Waren und Ideen. Als Vermittlungsinstanz dienten Gesandtschaften, in deren Umfeld Luxusgüter, technische Kenntnisse, religiöses Wissen und höfischer Geschmack ausgetauscht wurden. Als Basis dieser Verflechtungen fungierten die schriftlichen (und mündlichen) Abkommen zwischen den Herrschern. Starb einer der Partner, kam es in der Regel zu neuen Aushandlungen.
Insgesamt wissen wir von 80 Gesandtschaften, wobei sich, nach Marie Favereau, drei besonders intensive Phasen erkennen lassen. (1) 1261-1267: Berke (reg. 1257-1267) und Baybars (reg. 1260-1277) - Der Beginn, (2) 1312-41: Özbek (reg. 1312-1342) und an-Nasir Muhammad (reg. 1293-1341) - Krisen und Unstimmigkeiten, (3) 1392-99: Toqtamisch (reg. ca. 1380-1395) und az-Zahir Barquq (reg. 1382-1389 und 1390-1399 ) - Das letzte Bündnis.
Der Schwerpunkt der Studie von Marie Favereau liegt, wie gesagt, auf der ersten Phase, in der es den beiden Herrschern Baybars und Berke vor allem daran gelegen sein mußte, sich zum einen zu legitimieren und sich zum anderen zwischen Byzanz, der islamischen Welt und den Mongolen zu positionieren. Die Quellenlage ist nicht ganz einfach, denn auf der Seite der Goldenen Horde sind keinerlei Texte auf uns gekommen. Darüber hinaus sind auch auf der Seite des Mamlukensultanates die Briefe und die Abkommen nicht im Original erhalten. Allerdings finden sich "Kopien" bzw. Zusammenfassungen davon in arabischen Ckroniken und Kanzleihandbüchern. Die Verfasserin nutzt als Grundlage für ihre Darstellung in erster Linie eine recht detaillierte Chronik, die Baybars persönlicher Sekretär und Biograph Ibn Abd az-Zahirs (1223-93) verfasst hat. [2]
Nachdem Qutuz, der in der berühmten Schlacht von Ayn Jalut 1260 die Mongolen besiegt hatte, ermordet worden war und Baybars die Macht übernommen hatte, ging es dem neuen Mamlukensultan unter anderem darum, neue Sklaven aus der Kaukasusregion zu rekrutieren. Ein Problem war dabei, dass Hülegüs Truppen 1256 Anatolien eingenommen hatten und damit die übliche Transportroute blockiert war. 1259 starb jedoch der Großkhan Möngke. Der zum Islam übergetretene Berke brach mit dem neuen Großkhan Qubilai und unternahm 1261 einen Angriff gegen Hülegü. Die Unternehmung verlief allerdings nicht sehr glücklich. 200 Jochiden flohen vor Hülegü nach Damaskus und baten Baybars um Schutz. Dies war der Beginn einer regen diplomatischen Aktivität zwischen den beiden muslimischen Machthabern, die Marie Favereau sehr kenntnisreich in dem ersten Kapitel ihres Werkes nachzeichnet.
Der weitere politische Kontext bildet dann den Gegenstand des dritten Teils des Buches. Vor allem die Rolle des byzantinischen Herrschers Michael VIII. (reg. 1259-82) wird ausführlich behandelt.. 1261 hatte dieser, der eng mit Genua zusammenarbeitete, Konstantinopel zurückerobert. In der Folgezeit kam es zu einer vorübergehenden Verständigung zwischen ihm, Berke und Baybars. So befanden sich in der ersten Gesandtschaft, die der Jochidenherrscher nach Kairo schickte, auch byzantinische, seldschukische und genuesische Gruppen. Da Michael VIII. jedoch sein fagiles Reich so gut wie möglich sichern wollte, schloss er in der Folgezeit mit allen Seiten Verträge, so auch mit Hülegü. Dieser ließ ihn unter der Bedingung gewähren, dass er seinen Feinden nicht helfen würde.
In dem zwischen die beiden Teile eingeschobenen mittleren Kapitel geht es dann um die an den Kontakten direkt beteiligten Personen und um die Frage der verwendeten Sprachen, der ausgetauschten Geschenke und der von den Gesandtschaften benutzten Reisewege. An einer Stelle beschreibt Abd az-Zahir ausführlich die Reise einer diplomatischen Mission von Kairo nach Saray. Von der Hauptstadt des Mamlukensultanates brach man nach Alexandria auf, wo man ein Schiff bestieg und nach 20 Tagen in Konstantinopel an Land ging. Dann begab sich die Gesandtschaft nach Daphnusia (die Insel Kefken in der heutigen Türkei), von wo ein Boot auf die Krim nach Sudaq fuhr. Die Überfahrt dauerte zwischen zwei und zehn Tagen. Nach einer weiteren Tagesreise erreichte man zunächst Solkhat (heute: Staryj Krym). Einen Tag später kam die Reisegruppe zum Rand der Steppe, die man in 20 Tagen zu Pferde durchqueren musste, um schließlich an das am Ufer der Wolga gelegene Saray, die Hauptstadt der Goldenen Horde, zu kommen.
Wie lautet das Fazit des Buches? Baybars und Berke konnten im Verbund Hülegüs Eroberung islamischer Länder stoppen und dadurch ihre jeweilige Herrschaft stabilisieren. Eine richtige Militärgemeinschaft zwischen Kairo und Saray kam nicht zustande, doch der Mamlukennachschub wurde gesichert und der Warenaustausch und die Handelsbeziehungen wirkten sich positiv für beide Seiten aus. Zudem sind kulturell auch Vermischungen von islamischen und chingizidischen Elementen erkennbar.
Marie Favereau hat insgesamt eine sehr interessante Abhandlung vorgelegt, die unsere Kenntnisse von der Etablierung der Beziehungen zwischen dem Mamlukenreich und der Goldenen Horde deutlich ergänzt.
Anmerkungen:
[1] Zu den Gesandtschaften zwischen dem Mamlukensultanat und anderen Herrschaftszentren liegen nun zwei umfangreiche Studien vor: Frédéric Bauden / Malika Dekkiche (eds.): Mamluk Cairo, a Crossroads for Embassies. Studies on Diplomacy and Diplomatics, Leide n / Boston 2019 und Doris Behrens-Abouseif: Practicing Diplomacy in the Mamluk Sultanate: Gifts and Material Culture in the Medieval Islamic World, London / New York 2014.
[2] Zu Baybars ist gerade eine umfangreiche Monograhie erschienen, die allerdings nicht auf die Kontakte zu der Goldenen Horde eingeht: Hans-Ulrich Kühn: Sultan Baibars und seine Söhne. Frühmamlukische Herrschaftssicherung in ayyubidischer Tradition, Göttingen 2018.
Stephan Conermann