Giovanna Baldissin Molli / Francesco G. B. Trolese (Hgg.): Magnificenza monastica a gloria di Dio. L'abbazia di Santa Giustina nel suo secolare cammino storico e artistico, Roma: Viella 2020, 599 S., ISBN 978-88-3313-313-3, EUR 75,00
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Jubiläen sind ein willkommener Anlass, um beispielsweise eine Person, ein Ereignis oder eine Institution auf Tagungen oder in Publikationen in Erinnerung zu rufen und den aktuellen Forschungsstand wiederzugeben: So bereits auch mehrfach - etwa anlässlich der 1500jährigen Geburt des Hl. Benedikts [1] - für die Benediktinerabtei S. Giustina in Padua. Der hier zu besprechende Sammelband nimmt die im Jahr 1919 erfolgte Rückkehr der Benediktiner in das Paduaner Gotteshaus, das im frühen 19. Jahrhundert säkularisiert worden war, zum Anlass, die anderthalb Jahrtausende umspannende Klostergeschichte zu beleuchten.
Herausgekommen ist ein ca. 1,2 Kilogramm schwerer Band, der auf 600 Seiten neben drei einleitenden Anmerkungen 43 Beiträge aus 40 Federn umfasst. Zwar mangelt es keineswegs an bau-, kunst- und historischen Studien zu S. Giustina, doch fehlt es - wie Antonio Rigon konstatiert (13-17) - an einer Zusammenschau der Forschungsergebnisse. Der Band ist in zwei Sektionen unterteilt: Der erste Abschnitt "Storia" enthält 16 Aufsätze, die sich in lockerer chronologischer Anordnung verschiedenen Aspekten der Historie der geistlichen Einrichtung annehmen (19-260); die 27 Beiträge des zweiten Teils "Arte" befassen sich u. a. mit der Architektur, mit einzelnen Gebäudeteilen des komplexen Bauensembles und ihrer Ausstattung sowie mit zahlreichen Objekten, die den Kirchenraum zieren. Ein umfangreiches Quellen- und Literaturverzeichnis (527-569) und ein Personen-, Orts- und Archivregister (571-599) beschließen den Band. Da die chronologische Spanne von den Anfängen des Justina-Kults bis zur zeitgenössischen Kunst im Sakralraum reicht, kann hier nur eine Auswahl von - vornehmlich mediävistischen - Beiträgen besprochen werden.
Am 7. Oktober 304 habe die Hl. Justina in Padua wegen ihres christlichen Glaubens den Märtyrertod erlitten und sei außerhalb der Stadt bestattet worden, heißt es in den hagiographischen Schriften, denen sich Andrea Tilatti widmet (21-27). Die Passio der Hl. Justina, handschriftlich erstmals an der Wende zum 12. Jahrhundert belegt, verortet er etwa aufgrund inhaltlich-kompositorischer Merkmale im Padua des 6. Jahrhunderts und stellt sie somit in den Kontext der Errichtung der ersten Kultstätte. Die Vita des Hl. Prosdocimus, des vermeintlich ersten Bischofs von Padua, sei dagegen zur Zeit Berengars I. abgefasst worden und stelle die Rolle des städtischen Oberhirten für Leben und Kult der Hl. Justina heraus. Diese hagiographischen sowie die ältesten urkundlichen und archäologischen Zeugnisse untersucht Francesco Veronese (29-42). Eine monastische Gemeinschaft lasse sich ab dem späten 10. Jahrhundert nachweisen, und Bischofs- wie Königsurkunden aus jenen Jahren und dem Folgejahrhundert verdeutlichten deren Förderung. Valentina Cantone und Paolo Vedovetto (263-273) besprechen die geringen Überreste des vom patricius Opilio im 6. Jahrhundert in Auftrag gegebenen Baus über dem Grab der Märtyrerin. Von der vermutlich dreischiffigen Basilika haben sich etwa Mosaikböden, ein Tympanon und die Kapelle des Hl. Prosdocimus erhalten, die jedoch 1564 umgestaltet wurde.
Im 12.-14. Jahrhundert habe die Klostergemeinschaft von S. Giustina trotz der kommunalen Bemühungen, geistliche Herrschaftsrechte im Umland einzuziehen, und der Konkurrenz durch die Mendikanten weiterhin ein enges Verhältnis zur Stadtkommune gepflegt, wie Marco Bolzonella skizziert (43-59). Im Duecento habe die Abtei unter dem Einfluss der Familie Da Limena gestanden, die drei Äbte nacheinander stellte. Auf eine schwierige Phase unter dem Signore Ezzelino III. da Romano sei in der zweiten Jahrhunderthälfte ein kultureller und wirtschaftlicher Aufschwung des Klosters gefolgt. Die erfolgte Konsolidierung im 13. Jahrhundert lasse sich auch am Klientelnetzwerk ablesen, das Bruno Castiglioni erhellt (61-74). S. Giustina sei mit Adelsfamilien wie den Da Baone, milites und der städtischen Rechtselite lehnsrechtliche Bindungen eingegangen. Bis ins späte Duecento ließen sich ferner abhängige Dienstleute ("masnada") ausmachen, die anschließend vermutlich ausgelöst worden seien, um akuten Geldbedarf zu decken. Giannino Carraro betrachtet die Kirchen, die S. Giustina unterstanden (85-97). Im ausgehenden 13. Jahrhundert sei deren Anzahl durch bischöfliche Schenkungen und eigene Gründungen auf 26 überwiegend im Paduaner Umland befindliche Gotteshäuser angewachsen. Im Spiegel des 1274 angelegten und im Trecento ergänzten Chartulars, des Catastico verde, bespricht der Mitherausgeber Trolese knapp Abtsfolge und -handlungen im 14. Jahrhundert (75-84). Im frühen Trecento habe man den Kult um den Evangelisten Lukas, dessen Gebeine in der Abteikirche ruhen, mittels Kapellenbau, Handschriftenproduktion und neuem Sarkophag (zu diesem auch Filippo Faccin, 503-505) gefördert, wie Giovanna Valenzano erläutert (275-285). Vom romanisch-gotischen Kirchenbau sei jedoch nur noch wenig übrig, darunter Teile des gotischen Eingangsportals, das die Verfasserin rekonstruiert.
Im 14. Jahrhundert befand sich die Abtei S. Giustina im Niedergang. Erst das erfolgreiche Reformprogramm des 1409 eingesetzten Abtes Ludovico Barbo, das der benediktinischen Reform dies- und jenseits der Alpen wesentliche Impulse gab, habe eine Glanzzeit eingeläutet, wie der Mitherausgeber umreißt (99-128). Eingefordert worden sei eine strikte Einhaltung der Benediktsregel. Durch den Zustrom junger Kandidaten aus dem Paduaner studium habe zudem die Zahl der Mönche rasch zugenommen. 1419 wurde die Kongregation von S. Giustina (De unitate) gegründet. Dem Klosterverband schlossen sich auf der Apenninenhalbinsel rasch weitere Klöster an. Nach dem Beitritt Montecassinos im frühen 16. Jahrhundert wurde daraus die Congregatio Cassinensis. Die Klosterbibliothek wuchs im Quattro- und Cinquecento durch Ankäufe, Schenkungen und eigene Buchproduktion an, wie erneut Trolese nachzeichnet (139-161). Federica Toniolo erörtert, dass schon im 13.-14. Jahrhundert in S. Giustina wertvolle Kodizes hergestellt worden seien und sich die - vorwiegend liturgische - Buchherstellung um die Mitte des Quattrocento intensiviert habe, als bedeutende laikale Miniaturmaler wie Girolamo da Cremona engagiert worden seien (353-364). Produziert wurden auch Choralhandschriften, von denen Matteo Cesarotto den Corale 1 analysiert (319-329). Der architektonischen Neukonzeption des Abteikomplexes im Cinquecento, die Gianmario Guidarelli thematisiert (297-304), fiel fast die gesamte gotische Abteikirche zum Opfer, sodass nur noch wenige Reste der älteren Bauabschnitte erhalten sind.
Hilfreich ist die bis zur Gegenwart reichende Liste der Äbte von S. Giustina (249-260). Begrüßenswert wäre ein Grundriss des heutigen Klosterkomplexes gewesen, auf den jedoch verzichtet wurde. Mit seinen 331 Abbildungen von Archivalien, Objekten aus dem Sakralraum, Fotografien und 3D-Modellen ist der Sammel- zugleich als Bildband angelegt, weswegen die über ein Dutzend unscharfen bzw. grobkörnigen Illustrationen ärgerlich sind (z. B. Abb. 1, 161, 303). Insgesamt wird der Band allerdings, trotz weniger interessens- und überlieferungsbedingter Auslassungen, dem eigenen Anspruch gerecht und bietet einen willkommenen Überblick zu diesem bedeutenden benediktinischen Gotteshaus, seiner bewegten Historie und reichen Ausstattung.
Anmerkung:
[1] S. Benedetto e otto secoli (XII-XIX) di vita monastica nel Padovano (= Miscellanea erudita; 33), Padua 1980.
Giuseppe Cusa