Stephan Laux / Maike Schmidt (Hgg.): Grenzraum und Repräsentation. Perspektiven auf Raumvorstellungen und Grenzkonzepte in der Vormoderne (= Trierer Historische Forschungen; Bd. 74), Trier: Kliomedia 2019, 165 S., 15 Abb., ISBN 978-3-89890-216-8, EUR 42,00
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Der aus neun Aufsätzen bestehende Band beruht auf einer gleichnamigen Trierer Tagung des Jahres 2015. Ausweislich der knappen Einleitung enthält er Fallstudien zur Konstruktion und Repräsentation von Grenze und Raum in der Vormoderne und versteht sich als Beitrag zu einer "Raumgeschichte als Wissensgeschichte." (9) Eher konzeptionell angelegte Kapitel wechseln sich ab mit Fallstudien. Präsentiert wird ein breites Panorama zumeist grenz- und raumbezogener Untersuchungen des späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit, deren inhaltliche Verbindung zu den Prämissen des Bandes - so viel sei vorweggenommen - sich nicht immer ganz leicht erschließt.
Das Augenmerk der Aufsätze gilt verschiedenen europäischen Gebieten in unterschiedlicher Skalierung: Maike Schmidt betrachtet Grenzen als (Ordnungs-) Praktiken unter der Prämisse ihrer veränderten Bedeutung und Wahrnehmung über die Jahrhunderte. Am Beispiel französischer Forstgrenzen der Frühen Neuzeit werden Verfahren der Ordnung des Raumes und deren Interpretationsmöglichkeiten durch unterschiedliche Beteiligte aufgezeigt; demnach seien es insbesondere die Grenzkonflikte, die eine Grenze erst etablierten. Basierend auf seiner Habilitationsschrift zeichnet Andreas Rutz anschließend die evolutionäre Etablierung von Landkarten bei der Konstruktion territorialer Grenzen im frühneuzeitlichen Reich nach (der Aufsatztitel spricht gar von einer "Revolution"), die sich erst langsam und in enger Verklammerung von kartographischen mit textuellen Elementen durchsetzten. Ausgehend von akteurs- und praxisbezogenen Raumkonzepten weist der Beitrag anhand des Nürnberger Landgebietes nach, dass vor allem seit dem 18. Jahrhundert mit Hilfe von Karten politische Fakten geschaffen wurden. Camille Crunchant wiederum verfolgt mit Blick auf die nordostfranzösische Außengrenze die Entwicklung von einer unsichtbaren, immateriellen Grenzzone zu einer sichtbaren, linearen Grenze zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert - besondere Bedeutung besaßen Aspekte ihrer militärischen Sicherung und damit verbundene administrative und kulturell-repräsentative Akte. Die Veränderlichkeit einer mehr oder weniger linear gedachten Grenze durch lokale Praktiken der Ressourcennutzung thematisiert der Aufsatz von Martin Berthold am Beispiel des Holzschlagens in einem zwischen Brandenburg und Kursachsen umstrittenen Gebiet bei Zossen und Baruth um 1700.
Zwei Beiträge behandeln das Problem von Mündlichkeit und Schriftlichkeit bei der Informationsgewinnung für das Aushandeln räumlicher Ansprüche. So beschreibt Benjamin Müsegades anhand von Urbaren des 14. Jh. aus dem Südwesten des Reiches, inwiefern derartigen Bestandsaufnahmen über Besitz- und Abgabenverhältnisse sowohl mündlich erhobene Informationen als auch archivierte Schriftzeugnisse zugrunde lagen. Der Beitrag von Daniel Kaune thematisiert das Zusammenspiel von Zeugenbefragungen und Augenscheinskarten in einem Reichskammergerichtsprozess über einen Grenzstreit aus der Mitte des 16. Jahrhunderts. In Verbindung mit den Fragstücken der Verhöre konnten Augenscheine eine räumliche Realität konstruieren bzw. inszenieren und waren damit Teil der Prozesstaktik einer Partei.
Zwei weitere Kapitel befassen sich mit grenzüberschreitender Mobilität: Im Aufsatz von Thomas Richter über einen Grenzkonflikt zwischen dem katholischen Aachen und den Generalstaaten aus dem letzten Drittel des 17. Jahrhundert spielt vor allem der konfessionelle Faktor eine Rolle, denn hier ging es letztlich nicht um Landeserweiterung, sondern um den Versuch, das "Auslaufen" Aachener Reformierter ins benachbarte Vaals zu verhindern. Jort Blazejewski nimmt demgegenüber Trier und Luxemburg als Zufluchtsgebiete adeliger und geistlicher Emigranten der Französischen Revolution in den Blick und betont die administrativen und ökonomischen Herausforderungen bei der Aufnahme der Neuankömmlinge.
Um imaginierte Grenzen und deren Überschreitung geht es schließlich im Beitrag von Inge Hülpes, der das Nürnberger Fastnachtsspiel "Vom heyraten" aus dem 15. Jahrhundert behandelt und sich damit thematisch recht weit von den anderen Kapiteln entfernt. Im Sinne einer karnevalesken Verkehrung gesellschaftlicher Zustände stehen hier insbesondere sexuelle Tabus im Zentrum.
Nicht allein der letztgenannte Aufsatz zeigt, dass die Einzeluntersuchungen gelegentlich nur in ziemlich loser Verbindung zueinander und zum titelgebenden Thema des Bandes stehen - auch die gliedernden Zwischenüberschriften tragen wenig zur Klarheit bei. Bei den meisten der hier versammelten Beiträge handelt es sich um die Vorstellung von Dissertationsprojekten bzw. um Fallstudien aus dem Kontext größerer (Abschluss-) Arbeiten. Ohne Zweifel bietet der reich bebilderte Band immer wieder interessante Momentaufnahmen und Einblicke in die politische, kulturelle und wissensgeschichtliche Konstruktion bzw. Infragestellung von (nicht ausschließlich) räumlichen Ordnungsansprüchen.
Alexander Schunka