Mariana Hausleitner: Eine Atmosphäre von Hoffnung und Zuversicht. Hilfe für verfolgte Juden in Rumänien, Transnistrien und Nordsiebenbürgen 1941-1944, Berlin: Lukas Verlag 2020, 296 S., ISBN 978-3-86732-348-2, EUR 25,00
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Der von Mariana Hausleitner vorgelegte Band widmet sich einem bislang weitgehend unbehandelten Thema in der Geschichte der Judenverfolgung im rumänischen Machtbereich. Rettungs- und Hilfsmaßnahmen für verfolgte Juden in Rumänien, Transnistrien und Nordsiebenbürgen stehen in einem starken Spannungsverhältnis zu den erdrückenden Befunden brutaler Gewaltexzesse und weitgehender Kollaborationsbereitschaft an der Verfolgung und Ermordung der Juden aus Teilen der rumänischen Zivilbevölkerung. Umso bemerkenswerter sind die von Hausleitner dargestellten Fälle von Hilfe und Rettung, die von der Gedenkstätte Stille Helden in der Stiftung Gedenkstätte Deutscher Widerstand herausgegeben und so auch einem breiteren Publikum bekannt gemacht werden.
In einer klar strukturierten Einleitung bietet der Band eine historisch-politische Kontextualisierung, in der die Ausmaße des Holocaust und der Rettungsbemühungen in Rumänien umrissen werden. Dabei skizziert die Verfasserin die Situation der Juden im rumänischen Königreich bis 1940 sowie den Kriegseintritt Rumäniens an der Seite des Deutschen Reichs als Ausgangspunkte für die dann folgenden neun Fallgeschichten von Hilfe und Rettung. In zwei weiteren Kapiteln geht Hausleitner auf die schweren Schicksale der Helferinnen und Helfer im kommunistischen Rumänien ein und gibt Einblicke in den rumänischen erinnerungskulturellen Diskurs zur Geschichte der Rettung und Hilfe der Juden nach 1990. Der Band schließt mit einem Resümee und einem Ausblick auf die weitere Betrachtung der Hilfsaktionen in Rumänien und Transnistrien.
Die Auswahl der dargestellten Rettungsgeschichten bildet das Spektrum der zentralen Personen(-gruppen), Regionen und Ereigniszusammenhänge im Kontext von Rettung und Hilfe für verfolgte Juden im Untersuchungsraum ab. Nicht-jüdische Zivilisten, Lokalpolitiker, Funktionäre und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, Diplomaten und vor allem Jüdinnen und Juden selbst, die Hilfsnetzwerke knüpften, werden in ihrem außerordentlichen Engagement zur Rettung verfolgter Juden vorgestellt. Dabei geraten die zentralen Orte und Räume der Verfolgung in den Blick: Städte wie Jassy oder Czernowitz, die Regionen Bessarabien und Nordbukowina, das rumänisch besetzte Transnistrien und das ungarisch besetzte Nordsiebenbürgen. Mit den gewählten Fällen von Rettung veranschaulicht die Autorin gleichzeitig die verschiedenen Ausprägungen des Holocaust in Rumänien: der Pogrom in Jassy und die Todeszüge Ende Juni und Anfang Juli 1941, Massaker und Massenerschießungen in Bessarabien und Transnistrien, die Deportationen aus Czernowitz und die Lebensbedingungen der nach Transnistrien deportierten und zu Tausenden verwaisten Kinder. Zahlreiche Fotografien zeigen die Akteure, Karten helfen bei der regionalen Verortung der Geschehnisse. Abbildungen von Zeichnungen, Handschriften und Malereien ermöglichen Einblicke in die Perspektive der Verfolgten.
Hausleitner gelingt es, Rettung und Hilfe für die verfolgten Juden in Rumänien, Transnistrien und Nordsiebenbürgen als grenzüberschreitendes Sonderthema ohne Vorbild in der aktuellen Forschung herauszustellen. Dabei verweist sie in einem knapp gehaltenen Fußnotenapparat auf die zentrale Literatur zum Thema, ohne die Lesbarkeit der Texte für ein breites Zielpublikum einzuschränken. Diese wird zudem durch ein kurzweilig und ansprechend gestaltetes, übersichtliches Layout erhöht sowie durch ein Personenregister am Ende des Bandes, das die gezielte Suche nach historischen Akteurinnen und Akteuren ermöglicht.
Eine weitere Stärke des Bandes liegt darin, dass die Autorin nicht nur die Geschichten von Rettung und Hilfe erzählt, die sich angesichts einer prekären Quellenlage rekonstruieren lassen. Darüber hinaus zeigt Hausleitner die schwierigen Überlieferungsgeschichten auf. Oft genug waren es glückliche Zufälle und das Engagement einzelner Überlebender, die auf Rettungsgeschichten aufmerksam machten und es ermöglichten, die Hintergründe zu rekonstruieren. Die Überlieferung und Erinnerung waren in der Folgezeit des Zweiten Weltkrieges in Rumänien durch die ideologische Ausrichtung des Ceauşescu-Regimes erschwert. Wer zuvor über Kontakte zum US-amerikanischen War Refugee Board oder zum American Jewish Joint Distribution Committee Hilfe geleistet hatte, stand im Kalten Krieg unter Spionageverdacht. Etliche Helferinnen und Helfer saßen seit 1950 in rumänischen Gefängnissen, starben dort oder emigrierten nach ihrer Entlassung ins Ausland. Signifikante Bemühungen zur Erforschung von Rettungsgeschichten in Rumänien begannen erst 2004, seit der Bericht einer internationalen Historikerkommission zum Holocaust in Rumänien vorlag. [1] 60 Jahre nach Kriegsende in Rumänien waren viele der Helferinnen und Helfer wie auch der Geretteten bereits verstorben oder lebten verstreut im Ausland. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Räume der Verfolgung über Ländergrenzen hinweg erstrecken. Die Überlieferungsketten führen durch Rumänien, Moldawien und die Ukraine sowie in die USA, nach Israel, Chile und viele weitere Länder. Nur durch gezielte Vernetzung können weitere Rettungsgeschichten aufgedeckt und rekonstruiert werden. Dazu leistet Hausleitner mit ihrem Band einen wichtigen Beitrag. Der Publikation ist eine große Leserschaft zu wünschen, um das außerordentliche und mitunter lebensgefährliche Engagement Einzelner für das Leben der verfolgten und mit dem Tode bedrohten Juden bekannt zu machen und zu würdigen.
Anmerkung:
[1] Tuvia Friling / Radu Ioanid / Mihail E. Ionescu (eds.): Final Report. International Commission on the Holocaust in Romania, Iaşi 2005.
Sonja Knopp