Robert Fleck: Kunst und Ökologie, Wien / Hamburg: Edition Konturen 2023, 183 S., 47 Farb-, 2 s/w-Abb., ISBN 978-3-902968-87-6, EUR 34,00
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In der Bildenden Kunst ist die Ökologie zu einem Megathema geworden, die Kunstgeschichte als Disziplin bleibt dahinter zurück. Das wird z.B. im Vergleich mit den Literaturwissenschaften deutlich, in der sich der Ecocriticism inzwischen schon disziplinär gefestigt hat. [1] Ähnliche Versuche in der Kunstgeschichte, wie das (allerdings schwer verdauliche) Buch von Andrew Patrizio, sind zumindest in Deutschland auf kein durchschlagendes Interesse gestoßen. [2]
Das vorliegende Buch von Robert Fleck wird hieran wohl nicht viel ändern, aber es benennt in eher essayistischer und ohne Anspruch auf enzyklopädische Vollständigkeit daherkommender knapper Form doch einige Grundproblematiken. Weitgehend konzentriert auf die zeitgenössische Kunst - das ist bei einem Ausstellungsmacher und Akademielehrer auch kaum anders zu erwarten - fallen die historischen Betrachtungen eher kursorisch und zuweilen auch diskutabel aus. So wird man der Behauptung nicht einfach so zustimmen können, der Impressionismus sei eine "Ausflucht gegenüber der sich gleichzeitig durchsetzenden Industriegesellschaft" gewesen (53). In der ökologisch engagierten Kunst sieht der Verfasser einen Epochenumbruch, der dem des frühen 20. Jahrhunderts gleichkommt (12). Und in der Gegenwartskunst bleibt der Verfasser nicht bei den üblichen Verdächtigen hängen, die er etwa im Fall von Olafur Eliasson sogar kritisch beleuchtet (141), sondern thematisiert häufig auch relativ unbekannte Vertreter*innen. Der ökologisch produktive Kunstschaffende ist für Fleck nicht der Naturschutz-Propagator, sondern derjenige, der sich einfühlsam in eine natürliche Konstellation einfindet - und dabei auch darauf achtet, ökologisch unbedenkliche Materialien zu verwenden (31ff). Erwähnt wird aber auch eine Dialektik der ökologischen Kunst, die in der Bilanz zuweilen ungewollt umweltschädigend erscheint (72ff). Dem selbstbewusst Grenzen überwindenden Avantgardisten der Klassischen Moderne stellt Fleck den Ökologen als eher bescheiden sich integrierenden Gestalter entgegen (112ff). Natur zu überwinden war vielleicht ein Projekt der autonomen Kunst, jetzt wird ihr Gehör verschafft. Der Deutungsansatz schreibt sich ein in jüngst erschienene Interpretationen von therapeutischer und postautonomer Kunst, betont dabei eine insgesamt zu beobachtende dystopische Tendenz, was aber deren Wiederverzauberungscharakter nicht ausschließt (27). [3] Besonders sympathisch erscheint mir hier eine Rehabilitation Friedensreich Hundertwassers, dessen populäre Verehrung in umgekehrt proportionalem Verhältnis zu seiner Verachtung in der Expertenwelt steht (101ff).
Der Kunstbegriff ist bei Fleck aber weiter gefasst und schließt auch deren Vermittlungs- und Vermarktungsinstitutionen ein (121ff). Dabei geht es vor allem um Museen, zu deren Ökologisierung intensive Bemühungen um energetische Optimierungen gehören, und die weltweiten Kunstmessen, deren entschieden zweifelhafte Ökobilanz Fleck penibel zusammenzählt. Insgesamt ein zum Nachdenken anregendes Buch.
Anmerkungen:
[1] Vgl. etwa Benjamin Bühler: Ecocriticism. Grundlagen - Theorien - Interpretationen, Stuttgart 2016.
[2] Andrew Patrizio: The Ecological Eye. Assembling an Ecocritical Art History, Manchester University Press 2018.
[3] Vgl. Linn Burchert: Das Bild als Lebensraum. Ökologische Wirkungskonzepte in der abstrakten Kunst, 1910-1960, Bielefeld 2019; Wolfgang Ullrich: Die Kunst nach dem Ende ihrer Autonomie, Berlin 2022.
Hubertus Kohle