Martin Dreher: Athen und Sparta, München: C.H.Beck 2001, 221 S., 5 Karten, ISBN 978-3-406-48208-3, EUR 19,50
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Stephen Hodkinson / Anton Powell (eds.): Sparta & War, Swansea: The Classical Press of Wales 2006
Stephen Hodkinson (ed.): Sparta. Comparative Approaches, Swansea: The Classical Press of Wales 2009
Lukas Thommen: Sparta. Verfassungs- und Sozialgeschichte einer griechischen Polis, Stuttgart: J.B. Metzler 2003
Thomas J. Figueira (ed.): Spartan Society, Swansea: The Classical Press of Wales 2004
Paul Cartledge: Spartan Reflections, London: Duckworth Publishers 2001
Nigel Nicholson: The Poetics of Victory in the Greek West. Epinician, Oral Tradition, and the Deinomenid Empire, Oxford: Oxford University Press 2016
Volker Grieb: Hellenistische Demokratie. Politische Organisation und Struktur in freien griechischen Poleis nach Alexander dem Großen, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2008
Jason König: Athletics and Literature in the Roman Empire, Cambridge: Cambridge University Press 2005
Bei dem in der Reihe "C.H. Beck Studium" erschienenen Werk handelt es sich um ein Studienbuch zu den beiden wichtigsten griechischen Poleis, das Geschichtsstudenten, "Lehrern an weiterführenden Schulen sowie interessierten Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen" (11) eine erste Orientierung bieten soll. Dies erklärt, warum das Buch keine neuen wissenschaftlichen Einsichten bietet, was letztlich auch nicht das Ziel des Autors ist.
Der Titel des Buches löst zunächst Verwunderung aus. Man kennt eine Vielzahl von Werken zur Geschichte Griechenlands in archaischer und klassischer Zeit, und in diesen spielen Athen und Sparta naturgemäß eine zentrale Rolle. Auch Arbeiten über Athen oder Sparta mit einem vergleichenden Blick auf den 'Rivalen' sind keine Mangelware. Eine zusammenhängende Betrachtung der Geschichte beider Poleis dagegen lag bislang in deutscher Sprache nicht vor, wie Dreher im Vorwort vermerkt. Er sieht in einem solchen Verfahren drei Vorteile: Erstens könne man beiden Poleis Gerechtigkeit widerfahren lassen, indem man ihnen ungefähr denselben Raum zugestehe. Zweitens würden die Charakteristika Athens und Spartas durch einen Vergleich klarer hervortreten, und drittens werde durch die "Nachzeichnung der bilateralen Beziehungen erkennbar, wie sich die innere Ordnung der beiden Staaten und ihre Politik nach außen wechselseitig beeinflussten und bedingten" (9).
Bei der Gliederung orientiert sich Dreher an den etablierten Epochengrenzen. Im ersten Teil (13-58) wird die Entwicklung von den Anfängen bis zum Jahr 511 vor Christus untersucht. Der Prozess der Polisbildung in Athen und Sparta wird zunächst getrennt behandelt, im Anschluss erfolgt ein knapper Vergleich hinsichtlich der Größe, der politischen Organisation und der sozialen Struktur. In Anbetracht der weiten Thematik des Buches und dem daraus resultierenden Zwang zur kompakten Darstellung mag man dem Autor Vereinfachungen nachsehen. Es wäre jedoch wünschenswert gewesen - gerade im Hinblick auf die Funktion des Buches als Orientierungshilfe -, wenn Dreher etwas eingehender auf Forschungspositionen und deren Grundlagen eingegangen wäre. Dies gilt besonders für die politische und soziale Entwicklung des archaischen Sparta, da die Forschung auf diesem Gebiet gerade in den letzten Jahren nicht nur verschiedene konkurrierende Thesen, sondern vielmehr inkompatible Gedankensysteme hervorgebracht hat. [1] Dreher schließt sich weitgehend der Position Thommens an, der die Herausbildung der 'lykurgischen' Ordnung in das 6. Jahrhundert datiert und auf die Anforderungen zurückführt, die sich aus der Führungsrolle Spartas auf der Peloponnes ergeben hätten. Man kann Dreher keinen Vorwurf machen, dass er diese Sichtweise übernimmt, doch es sollte aus dem Text deutlicher hervorgehen, dass es zur inneren Entwicklung Spartas und deren Ursachen viele andere Positionen gibt.
Der zweite Teil "Zwischen Gegnerschaft und Bündnis" (59-138) behandelt die Zeit von der ersten antityrannischen spartanischen Intervention in Athen bis zum Ende des Peloponnesischen Krieges. Den größten Raum nimmt die Darstellung der Kriegsereignisse ein, daneben erfolgt ein detailliert aufgeschlüsselter Vergleich der Institutionen Athens und Spartas.
Der dritte Teil (139-173) beschäftigt sich mit dem vierten Jahrhundert bis zur Schlacht von Chaironeia. Hier ist die Ereignisgeschichte noch dominanter, die Behandlung der jeweiligen inneren Ordnungen erfolgt nur als kurzer Anhang. Die Darstellung von Bündnissen, Kriegen und Friedensverträgen würde genauso gut in ein allgemeineres Werk zur griechischen Geschichte passen, denn es gibt kaum wichtige Ereignisse, an denen weder Athen noch Sparta teilhatten und die man deswegen im vorliegenden Buch vermisste.
Dies führt zu einem generellen Kritikpunkt. Dem Autor gelingt es meines Erachtens nicht, die Vorteile einer kombinierten Behandlung von Athen und Sparta nachzuweisen. Der spezifische Charakter einer Polis lässt sich stets durch Vergleiche mit anderen Poleis schärfer profilieren, ohne dass deswegen aber eine gleichberechtigte Untersuchung notwendig wäre. Die im Vorwort aufgestellte These, dass die innere Entwicklung Athens und Spartas nur durch den Kontakt mit der jeweils anderen Polis zu erklären sei, wird im Verlauf des Textes nicht erhärtet. Für die archaische Zeit liegt die unabhängige Entwicklung der beiden Poleis sowieso auf der Hand und wird auch von Dreher nicht bestritten. In der Klassik scheinen für die Verfassungsentwicklung andere Außenbeziehungen bedeutender gewesen zu sein, zum Beispiel diejenige Athens zu seinen Bundesgenossen.
Das Buch leidet außerdem an mangelnder Sorgfalt, was die Benutzung von Begriffen betrifft. Ein Beispiel: "Aber auch Wissenschaftler verschiedener Disziplinen, nicht nur solche der Altertumskunde, sind immer wieder hingezogen zu den proto- und idealtypischen Verhältnissen, die in der Geschichte Athens und Spartas so eindrucksvoll zutage treten" (9). Verhältnisse sind real und daher niemals idealtypisch, und wenn sie als prototypisch bezeichnet werden, wüsste man gerne, für welchen Typ sie 'proto' sind.
Trotz dieser Mängel werden Studienanfänger das Buch gerne benutzen, um sich erste Informationen über das archaische und klassische Griechenland zu beschaffen. Das Layout ist sehr ansprechend, und die Randtitel erleichtern die Orientierung im Text. Hilfreich sind auch die kurzen Quellenbesprechungen am Anfang jedes Teils. Ein besonderes Verdienst des Autors ist, dass er Namen und Begriffe in Text und Register mit Akzenten versehen hat, womit Fehlbetonungen griechischer Wörter - ein Dauerproblem griechischer Proseminare - wirksam bekämpft werden können.
Anmerkung:
[1] Hier nur eine kleine Auswahl: M. Nafissi: La nascita del kosmos. Studi sulla storia e la società di Sparta, Neapel 1991; L. Thommen: Lakedaimonion politeia. Die Entstehung der spartanischen Verfassung, Stuttgart 1996; M. Meier: Aristokraten und Damoden. Untersuchungen zur inneren Entwicklung Spartas im 7. Jahrhundert v. Chr. und zur politischen Funktion der Dichtung des Tyrtaios, Stuttgart 1998; St. Hodkinson / A. Powell (Hg.): Sparta. New Perspectives, London 1999.
Christian Mann