Stephen Hodkinson / Anton Powell (eds.): Sparta & War, Swansea: The Classical Press of Wales 2006, xxi + 309 S., ISBN 978-1-905125-11-1, USD 79,50
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Die Reihe der unter der Ägide von Stephen Hodkinson und Anton Powell seit 1989 herausgegebenen Sammelbände zum antiken Sparta [1] hat mit der vorliegenden Aufsatzsammlung eine eindrucksvolle Fortsetzung erfahren. Anders als in den vorausgegangenen Bänden ist der thematische Fokus dieses Mal enger gefasst: Mit dem Thema 'Krieg' haben die Beteiligten einen Gegenstand ausgewählt, der vor dem Hintergrund allgemeiner Sparta-Klischees zunächst einmal geradezu selbstverständlich erscheint - und doch handelt es sich dabei um einen Bereich, der in der Sparta-Forschung der letzten Jahre eher ein Schattendasein geführt hat.
Neuere Arbeiten zur Geschichte und inneren Ordnung Spartas haben wiederholt gegen das verbreitete Bild vom 'Heerlager' Sparta Stellung bezogen, und auch in der vorliegenden Aufsatzsammlung nimmt die Studie von St. Hodkinson zur Frage "Was Classical Sparta a Military Society?" (111-162) eine zentrale Stellung ein. Hodkinson versucht in seiner differenziert argumentierenden Analyse seinerseits, verbreitete Klischees zu destruieren, indem er zum einen moderne Sparta-Bilder behandelt, zum anderen antike Nachrichten über die Bedeutung von Krieg und Militarismus in Sparta bespricht, sowie schließlich danach fragt, inwieweit der Bereich des Militärischen die spartanische Gesellschaft in archaischer und klassischer Zeit geprägt hat. Seinem abschließenden Ergebnis, wonach "military elements in Spartan society were clearly significant, but not dominant over other aspects of polis life in the way that has often been claimed" (147), wird man sicherlich zustimmen können. Bereits die Analyse der Fragmente des Dichters Tyrtaios zeigt deutlich, dass die darin befindlichen Lobgesänge auf kriegerische Tüchtigkeit keine absoluten Wertvorstellungen vermitteln wollen, sondern in einer ganz konkreten Notlage (2. Messenischer Krieg) sämtliche Kräfte des Gemeinwesens für den Erhalt desselben zu mobilisieren versuchen (vgl. 116). Auch die Gegenüberstellung Athens und Spartas im thukydideischen Epitaphios des Perikles (Thukydides 2,39) kann nicht unvoreingenommen als Zeugnis für übermäßigen Militarismus in Sparta gewertet werden.
Erst im 4. Jahrhundert v. Chr. tritt dieser Aspekt stärker in den Vordergrund des Quellenmaterials - unter anderem bei Xenophon, dessen Bedeutung in dieser Frage Hodkinson indes möglicherweise ein wenig unterschätzt - insbesondere im Lichte der nachfolgenden Überlegungen N. Humbles ("Why the Spartans Fight So Well, Even If They Are in Disorder - Xenophon's View", 219-233). Vor allem der allmähliche Niedergang der militärischen Bedeutung Spartas im 4. Jahrhundert hat Reflexionen über die Rolle des Krieges in dieser Gesellschaft hervorgerufen, die schließlich in Aristoteles' Sparta-Kritik einen wichtigen Höhepunkt fanden (128). Die Spartiaten sahen sich freilich seit dem 7. Jahrhundert v. Chr. aufgrund des Heloten-Problems vor ganz spezifische Herausforderungen gestellt. Hodkinson hält die These einer dadurch bedingten Transformation Spartas in eine auf Krieg und Selbstverteidigung ausgerichtete, starr und militaristisch organisierte Gesellschaft für "too extreme" und verweist auf Parallelfälle wie die thessalischen Penesten (132). Mir scheinen indes die helotisierten Messenier doch einen Sonderfall darzustellen, der Sparta einiges abverlangt hat. In neueren Arbeiten ist wiederholt die historische Bedeutung des 2. Messenischen Krieges und der Helotisierung der Messenier (die insbesondere dadurch eine kollektive, aus der Abgrenzung vom Gegner Sparta entwickelte Identität gewonnen haben) herausgearbeitet worden. Wichtige Aspekte des spartanischen Kosmos seit dem 6. Jahrhundert sowie auch die Entstehung des Peloponnesischen Bundes lassen sich plausibel aus der Helotengefahr erklären. [2]
Dass eine systematische Erforschung des Themas 'Sparta und Krieg' noch in den Anfängen steckt, wird u.a. aus den Beiträgen von J. Ducat ("The Spartan 'tremblers'", 1-55), Th. Figueira ("The Spartan hippeis", 57-84) und P. Low ("Commemorating the Spartan War-Dead", 85-109) deutlich. Ducats systematische Behandlung aller bekannten Zeugnisse zu den tresantes macht die Schlussfolgerung unausweichlich, dass diesbezüglich keine festen Definitionen und Sanktionsmuster in Sparta bestanden, sondern dass "the 'tremblers' atimia was a variable sanction" (45). Formen devianten Verhaltens im Krieg ('Feigheit') wurden auch in anderen Poleis geahndet, in Sparta allerdings stärker auf dem Wege sozialer Sanktionsmechanismen als etwa in Athen. Figueira zeichnet die Entwicklung der spartanischen Elitetruppe der 300 Hippeis nach, in der er nicht nur eine schlagkräftige militärische Einheit sieht, sondern auch einen Verband, der die innere Ordnung aufrecht zu erhalten hatte, wie die Ereignisse im Kontext der Kinadon-Affäre deutlich machten (59f.). Großen Wert legt Figueira darauf, dass die Hippeis nicht mit den 300 Spartiaten gleichzusetzen seien, die in der Schlacht bei den Thermopylen fielen (61f.). Die Beobachtung, dass es sich bei den Hippeis wohl um junge Männer gehandelt haben dürfte (69), verweist auf die Frage ihrer internen Organisationsform und ihrer möglichen Ansiedlung innerhalb eines größeren Kontextes von Initiationsriten. Figueira geht diesen Fragen leider nicht näher nach, obwohl gerade hier möglicherweise weitere Hinweise auf den Ursprung der Hippeis zu finden wären - insbesondere vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Elitetruppen von 300 Kriegern keine spartanische Besonderheit waren. [3]
Figueiras Überlegungen berühren sich mit denjenigen M. Lupis zum umstrittenen Pitanatischen Lochos (185-218). Lupi unterzieht die einschlägigen Herodot- und Thukydides-Passagen einmal mehr einer eindringlichen Analyse und kommt zu dem Schluss, dass es sich beim Pitanatischen Lochos um die 100 Mann starke Leibwache der Könige gehandelt haben müsse, welche wiederum aus den Hippeis hervorgegangen sei (200). Lupis überlegungen münden schließlich in die These, dass es sich bei Pitane um das ursprüngliche Zentrum der Polis Sparta gehandelt habe, während Mesoa, Limnai und Kynosura als weitere Oben das Ergebnis einer Neustrukturierung der Polis in hellenistischer oder römischer Zeit gewesen seien (204) - ein Vorschlag, der noch einige Diskussionen auslösen dürfte.
P. Low diskutiert die Verehrung von Kriegstoten in Sparta und behandelt dabei insbesondere die en polémô-Inschriften. Während diese sich fast ausschließlich innerhalb des spartanischen Territoriums finden, haben die Spartaner Polyandria außerhalb ihres Gebietes angelegt, was interessante Rückschlüsse auf die spezifischen Formen der Gefallenenehrung erlaubt, die in Sparta gepflegt wurden. Die von Low eingeführte Unterscheidung einer privaten und einer öffentlichen Memoria erscheint indes u.a. auch aufgrund der (von ihr nicht diskutierten) Fragmente des Tyrtaios, in denen dieser Unterschied eingeebnet wird, nicht unproblematisch.
Die archäologischen Relikte lakedaimonischer Grenzfestungen diskutiert J. Christien (163-183). Sie zeigt, dass zur Zeit zwei Verteidigungslinien an der Ostküste der Peloponnes sowie eine Defensivlinie in Messenien nachweisbar sind. Während ihre These, dass die Messenier offenbar im 4. Jahrhundert ein Verteidigungssystem gegen Sparta aufgebaut haben (171), nachvollziehbar ist, vermögen Vermutungen, wonach die Spartaner nach dem Zusammenbruch ihres Herrschaftssystems 369 die Krypteia als neue Form der Kriegführung und Selbstverteidigung eingeführt haben (175-177), nicht zu überzeugen. Trotz der problematischen überlieferungslage zur Krypteia scheinen mir die Hinweise dafür, dass diese vor einem (initiations-)rituellen Hintergrund erklärt werden muss, weiterhin nicht entkräftet zu sein. [4]
Im letzten Teil des Bandes gibt zunächst E. Millender einen instruktiven überblick über "The Politics of Spartan Mercenary Service" (235-266), bevor F. Ruzé in einem etwas schematisch geratenen Beitrag die Rolle von Verrat in der spartanischen Politik untersucht (267-285) und A. Powell danach fragt, warum die Spartaner nach dem Ende des Peloponnesischen Krieges nicht Athen zerstört haben (287-303).
Der Verzicht auf eine systematische Behandlung des Themas 'Krieg' am Beispiel der Perserkriege, des Peloponnesischen Krieges und der Auseinandersetzungen des 4. Jahrhunderts ist auffällig. Er insinuiert, dass sich trotz der historischen Bedeutung dieser Problemkomplexe an ihnen möglicherweise doch weniger spezifisch 'Spartanisches' diskutieren lässt, als man zunächst vermuten würde.
Den Herausgebern ist es einmal mehr gelungen, eine Reihe ertragreicher und stimulierender Beiträge zusammenzuführen, und man wartet mit Spannung den nächsten Band der mittlerweile prominenten Reihe ab; es bleibt allerdings zu hoffen, dass in diesem Buch dann auch die deutschsprachige Forschung stärker als bisher miteinbezogen wird.
Anmerkungen:
[1] A. Powell (Hg.), Classical Sparta: Techniques Behind Her Success, London 1989; A. Powell/St. Hodkinson (Hgg.), The Shadow of Sparta, London/New York 1994; St. Hodkinson/A. Powell (Hgg.), Sparta. New Perspectives, London 1999; A. Powell/St. Hodkinson (Hgg.), Sparta. Beyond the Mirage, Swansea/London 2002; Th. Figueira (Hg.), Spartan Society, Swansea 2004.
[2] Vgl. etwa M. Meier, Aristokraten und Damoden. Untersuchungen zur inneren Entwicklung Spartas im 7. Jahrhundert v. Chr. und zur politischen Funktion der Dichtung des Tyrtaios, Stuttgart 1998; E. Baltrusch, Mythos oder Wirklichkeit? Die Helotengefahr und der Peloponnesische Bund, in: HZ 272 (2001), 1-24; W. Schmitz, Die geschorene Braut. Kommunitäre Lebensformen in Sparta?, in: HZ 274 (2002), 561-602.
[3] P. Vidal-Naquet, The Black Hunter Revisited, in: PCPhS 212 (1986), 126-144, bes. 134f.
[4] Vgl. dazu Meier (wie Anm. 2), 151ff.; 208ff. Zur Krypteia s. jetzt auch St. Link, Zur Entstehungsgeschichte der spartanischen Krypteia, in: Klio 88 (2006), 34-43.
Mischa Meier