Derek Beales: Prosperity and Plunder. European Catholic Monasteries in the Age of Revolution, 1650-1815, Cambridge: Cambridge University Press 2003, 395 S., zahlr. Abb., ISBN 978-0-521-59090-7, GBP 35,00
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Zum historischen Diskurs gehört wesentlich auch das Beschweigen von Gegenständen, die aus irgendwelchen Gründen als uninteressant gelten. Demgemäß erhielt der Emeritus der Universität Cambridge und Verfasser verschiedener Werke über das späte 18. und das 19. Jahrhundert von der London School of Economics eine Absage für die Vorlesungsreihe, aus der dieses Buch hervorgegangen ist. Zwar machten die circa 200 000 Mönche und circa 150 000 Nonnen in den circa 15 000 Männer- und circa 10 000 Frauenklöstern des katholischen Europa um 1750 nur zwischen 1 % und 1 der Bevölkerung der jeweiligen Länder aus, aber ihnen gehörten durchschnittlich 10 % des Landes, von ihren kulturellen, sozialen und politischen Aktivitäten ganz abgesehen. Also kein Gegenstand, den irgendeine seriöse Richtung der Geschichtswissenschaft ignorieren könnte, obwohl genau dieses die Regel ist, wie Beales eingangs etwas beleidigt darlegt. Er konnte sein Thema aber 1993 in den Birkbeck Lectures des wohlhabenden Trinity College behandeln, das mit einem Zuschuss auch die aufwändige Gestaltung des vorliegenden Bandes ermöglichte.
Das Buch beruht überwiegend auf der Forschungsliteratur in den west-, mittel- und südeuropäischen Sprachen, die in den Anmerkungen und der Bibliografie erfreulich korrekt zitiert wird. Es gliedert sich neben Einleitung und Schluss in 10 Kapitel, die chronologisch zu drei Teilen gruppiert sind. Zunächst wird in fast der Hälfte des Werkes die Blütezeit der Klöster im späteren 17. und im 18. Jahrhundert behandelt - insofern ist im Untertitel "in the Age of Revolution" etwas irreführend. Nach einer Einführung über die Klöster und die Gegenreformation (1) werden nacheinander die verschiedenen Länder untersucht, zunächst das Reich (2) und dort vor allem Österreich, wo sich der Verfasser am besten auskennt, beginnend mit einer liebevollen Detailstudie über Stift Melk. Es folgen Frankreich (3) und etwas knapper die iberische Halbinsel (4) und Italien (5), das Land mit der höchsten Regularendichte, wo es in Florenz in der Mitte des 17. Jahrhunderts mehr Nonnen als verheiratete Frauen gab, wo 1760 in Rom jeder vierzigste Mann ein Mönch und jede achtzigste Frau eine Nonne waren, wo in Neapel 1580 ein[e] Ordenangehörige[r] auf 53 Einwohner kam, 1781 aber eine[r] auf 36. Im Reich lag der Anteil weit niedriger, um in Ungarn und Polen, die nur gestreift werden, auf circa 1:1000 abzusinken.
Nach solchen, so gut wie irgend möglich abgesicherten Zahlenangaben gehen die Kapitel auf die länderspezifischen Varianten der Regularengeschichte ein. Dazu gehört das Verhältnis zwischen alten und neuen Orden, den mächtigen Benediktiner- und Zisterzienserklöstern des Reiches, Frankreichs, Belgiens einerseits, den Bettelordenskonventen und den Jesuitenkollegien andererseits. Dazu gehört die Bedeutung der Nonnen, die im Reich zahlenmäßig schwächer, in Italien aber dominant waren, während in Frankreich das einzigartige und zukunftsweisende Phänomen zahlreicher neuer Frauenkongregationen für Unterricht, Fürsorge und Krankenpflege zu beobachten ist. Dazu gehört im Reich und vor allem in Belgien die Rolle der Ordensoberen auf Ständeversammlungen, mit den deutschen Reichsklöstern als Extremform. Dazu gehört das Phänomen der Kommendataräbte, das in Italien zur Versorgung der kurialen Elite benutzt wurde, während es in Frankreich dank Konkordat von der Krone zu höchst weltlichen Versorgungszwecken eingesetzt werden konnte. Dank der günstigen Konjunktur und des Wohlstands vieler Klöster sind grandiose Bauwerke des Barock, Rokoko und Klassizismus entstanden; anderswo wurde zumindest ehrwürdige Bausubstanz sorgfältig erhalten.
Von wissenschaftlichen und anderen kulturellen Leistungen ist die Rede, nicht selten von solchen im Sinne der aufkommenden Aufklärung. Schulen und Universitäten lagen in den Händen der Jesuiten und anderer Orden. Schließlich waren die Orden europaweit sozial als Arbeit- und Almosengeber ebenso bedeutsam wie als Zufluchtsstätte für unverheiratete Männer und vor allem Frauen. Männer bescheidener Herkunft fanden in den Orden eine Chance zum sozialen Aufstieg, wie er in vielen Ländern im adelig dominierten Weltklerus kaum möglich war, während Frauen die seltene Möglichkeit einer selbstständigen Führungsrolle geboten wurde. Natürlich konnte die Versorgungsfunktion zusammen mit den übrigen weltlichen Zwecken in manchen Fällen zu Missständen führen, die aber in anderen durch brennenden Eifer, in den meisten durch korrekte Routine der Regelerfüllung aufgewogen wurde.
Der zweite Teil ist den vorrevolutionären Ordensreformen gewidmet, womit in gewisser Hinsicht die zeitgenössische Sprachregelung für die massiven Eingriffe der Staatsgewalt übernommen wird, denn darum handelte es sich, von der wenig erfolgreichen Unterdrückung kleiner Klöster Italiens durch Innozenz X. abgesehen. Zunächst geht es um die Beseitigung des Jesuitenordens 1759-1773 (6), die laut Beales weniger mit aufgeklärter Gegnerschaft zu tun hat als mit Beseitigung einer politisch einflussreichen, kirchlichen Korporation durch die wachsende Staatsgewalt - es sei denn die Jesuiten waren als Lehrer unentbehrlich wie in Österreich und Preußen. Auch die französische "commission des réguliers" von 1766 (7) löste keineswegs nach Belieben ein Sechstel der Ordenshäuser auf, sondern orientierte sich an dem Anliegen einer strengen Einhaltung der ursprünglichen Ordensregel.
Zwar lässt sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine zunehmende (selbst)kritische Einstellung zur hergebrachten Frömmigkeit im Allgemeinen und zum traditionellen Ordensleben im Besonderen feststellen. Aber dabei handelte es sich weit eher um katholische Aufklärung als um radikale Ordens- und Kirchenfeindschaft oder regelrechten Unglauben. Die Berechtigung der beschaulichen Existenz wurde angezweifelt, auch Ordensleute hatten in irgendeiner Weise gesellschaftlich nützlich zu sein. Viele von ihnen vertraten selbst diese Ansicht. Darauf liefen Maßnahmen Josephs II. hinaus, die Beales gemäß seinen Forschungsschwerpunkten abermals besonders ausführlich darstellt (8), mit eigenen Abschnitten zu Ungarn und Belgien, wo die Klöster eine wichtige Rolle bei der Behauptung der "nationalen" Identität gegen Österreich, Frankreich und Holland spielen sollten.
Die beiden letzten Kapitel sind der Französischen Revolution (9) und ihren Auswirkungen in den Ländern Europas (10) gewidmet, die schließlich auf die totale Unterdrückung jedes Ordenslebens und die vollständige Enteignung der Orden durch den Staat hinausliefen. Zunächst spielten die Orden keine und die Kirche kaum eine Rolle im revolutionären Programm. Beales zeigt, wie es zur allmählichen Eskalation kam und schließlich die antikirchlichen und antichristlichen Kräfte die Oberhand gewannen. Er betont aber zu recht, dass die Revolution sich zunächst und dann Napoleon wieder als Vollender des Gallikanismus verstanden. Anfangs herrschte sogar die Meinung vor, ein Papst, der den Josephinismus hingenommen habe, werde auch der Zivilkonstitution des Klerus seine Zustimmung nicht verweigern können. Die Diskussion über die Folgen der Säkularisation vor allem in Bayern erstreckt sich dann noch weit in das Schlusswort hinein.
Zwar blühte das Ordensleben in allen betroffenen Ländern im 19. Jahrhundert wieder auf. Die Jesuiten wurden 1814 restituiert, und die weiblichen Kongregationen französischen Typs nahmen überall einen gewaltigen Aufschwung. Aber das waren nicht mehr die Orden des Ancien Régime, denn deren tragende öffentliche Rolle war mit ihren politischen und sozialen Funktionen hinfällig geworden. Der moderne Staat hatte mit ihnen einen seiner letzten Antipoden beseitigt. Was nun entstand, waren "private" Vereinigungen im Rahmen der bürgerlichen Gesellschaft beziehungsweise zentralisierte "Gliederungen" der modernen Papstkirche.
Beales hat das Verdienst, diesen Schlüsselvorgang der europäischen Geschichte an der Schwelle der Moderne eindrucksvoll zusammenfassend dargestellt zu haben. Dass bei einem so weit reichenden Vorhaben Mängel auftreten, versteht sich von selbst. Dass es "Hitler" heißen muss und nicht "Hilter" (307), ist bekannt, weniger, dass Fra Angelico nicht Abt von S. Marco gewesen sein kann, weil es keine Dominikaneräbte gibt (135), oder dass Montgelas zwar französisch erzogen, aber nicht französischer Abstammung war (286). Eine Berücksichtigung der umfangreichen Trierer Forschungen zur Säkularisation wäre genauso nützlich gewesen wie die Einbeziehung des zumindest in Deutschland nicht ganz unbekannten Konfessionalisierungs-Paradigmas. Schließlich hätte man sich gerade von einem konservativ-revisionistischen Buch eine stärkere Berücksichtigung der Spiritualität der verschiedenen Orden gewünscht. Das alles ändert aber nichts daran, dass es sich um eine wichtige Vervollständigung des historischen Diskurses handelt, der man breite Resonanz wünschen möchte.
Wolfgang Reinhard