Jürgen Strötz: Der Bund des Papsttums mit dem Frankenreich. Die katholische Kirche und das fränkisch-deutsche Reich der Karolinger und Ottonen von der Kaiserkrönung Karls des Großen (800) bis zum Tod Heinrichs II. (1024) (= Studien zu Religionspädagogik und Pastoralgeschichte; Bd. 5), 2004, 360 S., 117 Abb., ISBN 978-3-8300-1117-0, EUR 115,00
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Franz Fuchs / Peter Schmid (Hgg.): Kaiser Arnolf. Das ostfränkische Reich am Ende des 9. Jahrhunderts. Regensburger Kolloquium 9.-11.12.1999, München: C.H.Beck 2002
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Jürgen Strötz ist sowohl Autor des zu besprechenden Bandes als auch Herausgeber der Reihe "Studien zu Religionspädagogik und Pastoralgeschichte", die im Hamburger Dr. Kovač-Verlag erscheint. Er ist zudem der Autor sämtlicher vier bereits zuvor in dieser Reihe erschienenen Bände, allesamt aus dem Jahr 2003. Im vorliegenden Band betrachtet er das frühe und den Übergang ins hohe Mittelalter, wo er die Formierungsphase zahlreicher der heutigen west- und mitteleuropäischen Staaten verortet. Bestimmend für diese Frühzeit sieht er die abendländisch-christlichen Ursprünge an, den gemeinsamen Wertehorizont des heutigen Europa. Er betrachtet die Epoche Karls des Großen bis zum Ende der Ottonenherrschaft als besonders prägend für die spätere Zeit und verfolgt das Anliegen, dem Leser den heutigen Forschungsstand nahe zu bringen, wobei das Hauptaugenmerk auf der kirchenhistorischen Perspektive liegen soll (10).
Strötz schildert die Ereignisse und greift, abweichend von dem Buchtitel, bis in die Zeit Pippins des Jüngeren zurück. Ausgehend von dessen Aufstieg zum Königtum skizziert er die Ereignisse bis zur Kaiserkrönung Karls des Großen. In groben Zügen wird die weitere Geschichte dargestellt: die Regierung Ludwigs des Frommen, die Auseinandersetzungen mit dessen Söhnen, der so genannte Bruderkrieg nach dem Tod des zweiten Karolingerkaisers und der Vertrag von Verdun. Holzschnittartig wird auf die Nachfolgereiche nach dem Friedensschluss von 843 eingegangen. Es folgt eine kurze Schilderung der Herrschaft Karls des Kahlen in seinem Westreich, Lothars I. und seiner Söhne im Mittelreich und Ludwigs des Deutschen im Ostfränkischen Reich. Fortan heftet Strötz den Blick auf den ostfränkischen Raum unter Arnulf, Ludwig dem Kind und Konrad I. Während Heinrich I. ebenfalls recht knapp behandelt wird, widmet Strötz Otto dem Großen mehr Aufmerksamkeit, wobei der Schwerpunkt der Betrachtung auf dessen Italienpolitik liegt, welche ihm schließlich die Kaiserkrone einbrachte. Anschließend führt er die Darstellung der Zeit von Otto II. bis Heinrich II. zu einem raschen Ende. Dabei räumt er den betreffenden Herrschern deutlich weniger Raum ein als ihren Vorgängern (307 ff.), anders als dies der Titel des Bandes nahe legt.
Anders als Buchtitel und Vorwort annehmen lassen, verliert der Autor die kirchenhistorische Perspektive an vielen Stellen aus dem Blick. So geht er auf Ereignisse ein, welche mit den Beziehungen zwischen König / Kaiser sowie Papst und Kirche in keinem erkennbaren Zusammenhang stehen. Die Schilderung der Normannengefahr, der Slavenkriege Ludwigs des Deutschen oder der Auseinandersetzungen dieses Königs mit seinen Söhnen sind für das eigentliche Sujet des Bandes fruchtlos, ebenso wie der Vertrag von Verdun und seine Folgen oder die in großer Breite behandelte Frage nach dem Zeitpunkt der Entstehung des Deutschen Reichs.
Die Passagen, in denen auf die Beziehungen zwischen König und Kirche eingegangen wird, bleiben ebenso oberflächlich wie die Darstellung der Ereignisgeschichte. Hier fehlt eine tiefer gehende Diskussion der kirchengeschichtlichen Schlüsselmomente. So hätte der päpstlichen Beteiligung am Aufstieg der Karolinger zum Königtum mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden müssen als lediglich in einem zur Kaiserkrönung Karls des Großen hinführenden Unterkapitel. Auch diese erste Kaiserkrönung wird nicht angemessen dargestellt. Die Diskussion der Hintergründe und der umstrittenen Umstände des Krönungsakts bleibt in Ansätzen stecken. Während danach viel Raum für die Ereignisgeschichte und für zum Thema irrelevante Episoden verwendet wird, bleiben einzelne Probleme des 9. Jahrhunderts, wo es durchaus intensive Berührungen zwischen den Frankenkönigen und den Päpsten gab, weitgehend außen vor. So hätten besonders die Involvierung der Päpste in die Eheaffäre Lothars II. und das Eingreifen Papst Johannes VIII. in die Nachfolge im Kaisertum 875 deutlich breiteren Raum verdient. Auch die Einsetzung Drogos von Metz (844) und Ansegis' von Sens (876) als päpstliche Vikare für Gallien und Germanien hätte nicht nur erwähnt, sondern auch kommentiert werden müssen. In Strötz' Darstellung (96, 124 f.) kann für den unkundigen Leser der Eindruck entstehen, diese Vikariate hätten für den rechtsrheinischen Raum eine tatsächliche Relevanz gehabt, was nicht der Fall war. Weitgehend ausgeblendet wird die kirchenhistorische Perspektive unter den Herrschaften Arnulfs bis Heinrichs I.
Es ist bemerkenswert, dass Strötz danach seine Wiedergabe der Ereignisgeschichte unterbricht um in einem - auch so bezeichneten - Exkurs auf das ottonisch-salische Reichskirchensystem einzugehen (244-262). Diesen zentralen Punkt des königlich-kirchlichen Zusammenwirkens hätte man angesichts des Buchuntertitels doch wohl organisch in die Darstellung einbetten müssen, anstatt ihn in einem Exkurs wie einen nicht so recht in den übrigen Text passenden Part gesondert zu behandeln. Dennoch dürfte der Exkurs die beste Passage des gesamten Buches sein, da Strötz hier zu seinem eigentlichen Thema findet. Die kritischen jüngeren Veröffentlichungen zum Konzept der Reichskirche, etwa von Reuter, fließen jedoch zu wenig in die Darstellung ein. [1] Im Abschnitt über die Kaiserkrönung Ottos des Großen konzentriert Strötz sich dann auf die Verhältnisse in Italien und das Verhältnis zwischen Otto und den Päpsten. Allerdings kommt er auch hier kaum über eine recht oberflächliche Erzählung hinaus, strukturelle Betrachtungen fehlen überwiegend. Anschließend schweift der Autor wieder ab und wendet sich den Fragen nach dem Zeitpunkt der Entstehung des Deutschen Reichs und den Gründen für das Scheitern des Karolingerreichs zu (291-305).
Sein Ziel, den heutigen Forschungsstand wiederzugeben und dem "Leser ein[en] Weg durch das "Dickicht" der überreich vorhandenen Literatur zu diesem Thema" aufzuzeigen (10), erreicht Strötz nur teilweise. So stützt er sich in den Passagen zur Karolingerzeit zu sehr auf Mühlbachers "Deutsche Geschichte unter den Karolingern" von 1895 (zweite unveränderte Auflage 1959). [2] Dieses in der zweiten deutschen Kaiserzeit unter dem Eindruck des deutsch-französischen Gegensatzes entstandene Werk gibt den Forschungsstand des 19. Jahrhunderts wieder. Der findet sich dann auch in Formulierungen Strötz', wenn er etwa vom Rhein nach dem Vertrag von Meersen als "deutschem" Strom spricht (115) oder im wörtlichen Zitat Mühlbachers (128). Es ist unverständlich, warum Strötz hier nicht intensiver Schieffers "Die Karolinger" heranzog, wo der heutige Forschungsstand hervorragend dargestellt wird. [3] Zudem kennt der Autor mehrere neue und einschlägige Schriften zum 9. Jahrhundert offensichtlich nicht, welche indes allesamt noch rechtzeitig vor Abschluss der Drucklegung im Dezember 2003 greifbar waren. [4] Zur Bearbeitung der Ottonenzeit zieht Strötz, wenn auch etwas weniger intensiv, die ebenfalls in wilhelminischer Zeit entstandene "Geschichte des Deutschen Kaisertums" von Giesebrecht heran. [5] Von heutigem Forschungsstand kann wiederum nicht die Rede sein, zumal gerade zur Ottonenzeit Gerd Althoffs aktuelles Handbuch zwar im Literaturverzeichnis erscheint, in den betreffenden Passagen jedoch nicht zitiert und offenbar nicht verwendet wurde. [6]
Dem Band wurden zahlreiche Karten beigegeben, welche insbesondere die politischen Teilungen des Frankenreichs im 9. und die politischen Zustände im 10. Jahrhundert verdeutlichen sollen. Durch die indiskutable Druckqualität ist ihre Nützlichkeit jedoch stark eingeschränkt. Ebenso schlecht ist die Druckqualität der im Anhang beigegebenen Stammtafeln, die aus anderen Schriften übernommen und nicht eigens neu gesetzt wurden.
Die vielen Abbildungen des Bandes wurden offenbar historisch unreflektiert allein zur schmückenden Illustration beigegeben. Die wenigen existierenden zeitgenössischen stehen neben einer Vielzahl deutlich jüngerer Abbildungen. Die vielen Herrscherdarstellungen in dem Band, die von einem neuzeitlichen Historiengemälde im Frankfurter Römer stammen oder von anderen Historiengemälden vor allem des 19. Jahrhunderts, sind jedoch für das Anliegen des Bandes ohne Aussagekraft. Auf diese hätte man verzichten und stattdessen die übrigen Abbildungen in besserer Qualität wiedergeben können.
Zum äußeren Erscheinungsbild des Bandes ist folgendes zu bemerken: Der Satz ist überaus großzügig bemessen. Die Zeichengröße dürfte eine 12-Punkt-Schrift sein, der Zeilenabstand im Haupttext ist etwa 1½-zeilig (in den Fußnoten circa 10-Punkt, einzeilig). Bei einer geringeren Zeichengröße und einem kleineren Zeilenabstand, wie ansonsten üblich, hätte die Seitenzahl des Bandes geringer ausfallen können. Hierdurch hätte auch der für ein Buch in Paperback-Bindung zu hohe Preis von 115 € verringert werden können. Gelegentliche Fehler im Satz, mehrere Fußnoten stehen nicht auf der richtigen Seite, deuten auf eine Edition mit Word for Windows hin, wo dieser Fehler häufig auftritt, mit etwas Sorgfalt aber behoben werden kann (besonders auffällig und unnötig auf Seite 290).
Bilanziert man die einzelnen Punkte dieser Rezension, so bleibt ein weitgehend unbefriedigender Eindruck. Aus thematischer Sicht fehlt die Stringenz, der wiedergegebene Forschungsstand ist nur teilweise der neueste und die Abbildungen sind von schlechter Druckqualität. Ein treffender formulierter Titel wäre unerlässlich gewesen. Zudem finden sich zahlreiche kleinere Ungenauigkeiten, die wohl zumindest teilweise durch die Skizzenhaftigkeit der Darstellung entstanden. Die stärkeren Passagen des Werks liegen in der Behandlung der Zeit Ottos des Großen und der ottonischen Reichskirche. Da das Zusammenwirken von König und Kirche seit jeher in seiner Bedeutung erkannt worden ist, hat dieses Thema auch in der bisherigen Literatur breiten Niederschlag gefunden. Die aus dieser Tradition heraus entstandenen Handbücher, etwa aus der Feder Schieffers [7] oder Althoffs [8], sind dem hier rezensierten Werk vorzuziehen.
Anmerkungen:
[1] Timothy Reuter: The 'Imperial Church System' of the Ottonian and Salian Rulers: a Reconsideration, in: Journal of Ecclesiastical History 33 (1982), 347-374.
[2] Engelbert Mühlbacher: Deutsche Geschichte unter den Karolingern, 2. unveränderte Auflage Stuttgart 1959.
[3] Rudolf Schieffer: Die Karolinger (= Urban-Taschenbücher; 441), 3. überarb. u. erweiterte Auflage Stuttgart 2000 (Strötz verwendet stattdessen die ältere zweite Auflage von 1992).
[4] So etwa: Wilfried Hartmann: Ludwig der Deutsche (Gestalten des Mittelalters und der Renaissance), Darmstadt 2002; Franz Fuchs / Peter Schmid (Hg.): Das ostfränkische Reich am Ende des 9. Jahrhunderts. Regensburger Kolloquium 9.-11.12.1999 (Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte Reihe B; Beiheft 19), München 2002, darin besonders der Aufsatz: Wilfried Hartmann: Kaiser Arnolf und die Kirche, 221-252; Boris Bigott: Ludwig der Deutsche und die Reichskirche im ostfränkischen Reich (826-876) (Historische Studien; 470), Husum 2002.
[5] Wilhelm von Giesebrecht: Geschichte des Deutschen Kaisertums, 4. Bde., Braunschweig-Leipzig 1875-1895.
[6] Gerd Althoff: Die Ottonen. Königsherrschaft ohne Staat (Urban-Taschenbücher; 473), Stuttgart / Berlin / Köln 2000.
[7] Siehe Anm. 3.
[8] Siehe Anm. 6.
Boris Bigott