Rezension über:

Stefanie Dick / Jörg Jarnut / Matthias Wemhoff (Hgg.): Kunigunde - consors regni. Vortragsreihe zum tausendjährigen Jubiläum der Krönung Kunigundes in Paderborn (1002 - 2002) (= MittelalterStudien; Bd. 5), München: Wilhelm Fink 2004, 100 S., ISBN 978-3-7705-3923-9, EUR 29,90
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Rezension von:
Boris Bigott
Historisches Seminar, Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg/Brsg.
Redaktionelle Betreuung:
Jürgen Dendorfer
Empfohlene Zitierweise:
Boris Bigott: Rezension von: Stefanie Dick / Jörg Jarnut / Matthias Wemhoff (Hgg.): Kunigunde - consors regni. Vortragsreihe zum tausendjährigen Jubiläum der Krönung Kunigundes in Paderborn (1002 - 2002), München: Wilhelm Fink 2004, in: sehepunkte 5 (2005), Nr. 2 [15.02.2005], URL: https://www.sehepunkte.de
/2005/02/6575.html


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Stefanie Dick / Jörg Jarnut / Matthias Wemhoff (Hgg.): Kunigunde - consors regni

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Anlässlich des tausendjährigen Jubiläums der Königinnenkrönung Kunigundes am 10. August 2002 veranstalteten der Landschaftsverband Westfalen-Lippe, das Paderborner Institut zur Interdisziplinären Erforschung des Mittelalters und seines Nachwirkens (IEMAN) und der Verein für Geschichte und Altertumskunde, Abteilung Paderborn eine Vortragsreihe. In der Reihe "Mittelalter Studien" des IEMAN wurden die vier in diesem Rahmen präsentierten Beiträge nun publiziert. Den Aufsätzen wurden ein Orts- und Personenregister sowie ein Quellen- und Literaturverzeichnis beigegeben, um eine bessere Weiterarbeit an dem Thema zu ermöglichen. Das Anliegen des Bandes ist es, einen "ebenso aktuellen wie umfassenden Überblick über den derzeitigen Kenntnis- und Diskussionsstand" in der Kunigundenforschung zu bieten (8).

Kunigunde war besonders in der jüngeren Vergangenheit Gegenstand großen Forschungsinteresses. Neben dem für die Paderborner Vortragsreihe ausschlaggebenden Jubiläum sind hierfür auch die historische Frauenforschung und die Genderstudies ursächlich. Zudem können an ihr mehrere lokale Bezüge festgemacht werden. Sie genießt in der Bamberger historischen Forschung große Aufmerksamkeit, da sie hier als Mitstifterin des Bistums wirkte, hier ihre Heiligsprechung betrieben wurde und hier, zumindest nach Bamberger Tradition, sich auch ihr Beisetzungsort befindet. Da der Gründungsort des Bistums Bamberg die Morgengabe Heinrichs II. an Kunigunde war und sie diese durch den Stiftungsakt verlor, entschädigte er seine Frau 1008 mit dem Königshof Kassel, in dessen Nähe sie 1017 das Kloster Kaufungen gründete. Nach dem Tod ihres Gatten und der Übergabe der Reichsinsignien an dessen Nachfolger Konrad II. im Jahr 1024 zog sie sich dorthin zurück, wo sie 1033 verstarb. Nicht zuletzt ist ihr Bezug zu Paderborn zu nennen: Hier wurde sie gekrönt, und es bestanden auch in der folgenden Zeit intensive Beziehungen zur dortigen Bischofskirche. Sie intervenierte auffällig häufig und engagierte sich für das Paderborner Bistum, sodass Ingrid Baumgärtner von einem "nahezu institutionalisierten Zuständigkeitsbereich" der Königin spricht (54).

Den weitesten Überblick zum Thema gewährt Franz-Reiner Erkens in seinem Beitrag "Consortium regni - consecratio - sanctitas: Aspekte des Königinnentums im ottonisch-salischen Reich" (71-82). Dabei fokussiert er vor allem die Königinnenweihe, die im westfränkischen und italischen Raum bereits wesentlich früher nachweisbar ist und deren Konzept wohl erst durch die Heirat Ottos des Großen mit Adelheid ins ostfränkisch-deutschen Reich gelangte. Erkens macht wahrscheinlich, dass die Weihe Kunigundes in Paderborn nicht nur die erste belegte, sondern überhaupt die erste Weihe einer ostfränkischen Königin war (72 f.). Wichtiger Bestandteil dabei war ursprünglich ein Gebet für die Fruchtbarkeit der Königin, sodass die Wurzeln des Vorgangs in einer Art "Fruchtbarkeitszauber" liegen (80). Der Wunsch nach Fruchtbarkeit blieb für Kunigunde bekanntlich unerfüllt, wobei in der Kinderlosigkeit des Kaiserpaars einer der Kerne ihrer späteren Verehrung als Heilige lag.

Das engere Umfeld der Königin und die politischen Zusammenhänge ihrer Zeit bespricht Stefan Weinfurter in seinem Aufsatz "Kunigunde, das Reich und Europa" (9-27). Hierzu gehören neben den familiären Verbindungen Kunigundes zu ihren Luxemburger Verwandten und ihrer möglichen karolingischen Abkunft auch die geistigen Hintergründe. Ihre Herkunftsregion, der Moselraum um Trier, war ähnlich intensiv von der Reform des Klosters Gorze geprägt wie auch die Stadt Regensburg, wo ihr späterer Gatte Heinrich aufwuchs. Diese geistige Strömung war von Bischof Wolfgang von Regensburg und Abt Ramwold von St. Emmeram vermittelt worden, die beide aus Trier kamen. Weinfurter vermutet, dass über die reformorientierten Kreise in Trier und Regensburg die Heirat Kunigundes mit Heinrich in die Wege geleitet wurde (12). Auch Weinfurter nimmt die Weihe Kunigundes in den Blick und gibt weitere Motive hierfür zu bedenken: Sie war ein Signal an die Sachsen, welche der Königserhebung Heinrichs zunächst reserviert gegenüber standen. Paderborn war als Weiheort besonders geeignet, da der hiesige Bischof Rethar Heinrichs Königtum gegenüber positiv eingestellt war und sein Sitz zur Mainzer Kirchenprovinz gehörte. So konnte Erzbischof Willigis von Mainz, der ebenfalls zu den Anhängern Heinrichs gehörte, die Weihe vornehmen. Das Weihedatum hatte man bewusst auf den Laurentiustag (10. August) gelegt, den Jahrestag der Lechfeldschlacht von 955. Laurentius galt seither als Schutzheiliger des Ottonenreichs (17 f.).

Kunigunde und Heinrich II. sind bekanntlich das einzige Kaiserpaar des Mittelalters, das heilig gesprochen wurde. Bernd Schneidmüller untersucht in seinem Beitrag "Heinrich II. und Kunigunde. Das heilige Kaiserpaar des Mittelalters" die Aspekte dieser Heiligkeit. Besonderes Interesse gilt dabei den Vorgängen, die zur Heiligenverehrung der beiden führten. In Rom kannte man schließlich ein völlig anderes Bild Heinrichs, dem insbesondere seine Eingriffe in die Kirchenstruktur vorgeworfen wurden (37). Obwohl gerade Heinrich selbst in seinen Urkunden mit ungewöhnlicher Deutlichkeit die körperliche Vereinigung mit seiner Ehefrau zum Ausdruck brachte, wurde die Kinderlosigkeit des Paares in eine so genannte Josefsehe umgedeutet, in der die Ehepartner ein keusches Leben führten. Neben der Verehrung des Herrscherpaars in ihren geistlichen Stiftungen Kaufungen, Merseburg und allen voran Bamberg wurde dies zu einer Basis der späteren Heiligsprechungen.

Im vierten Beitrag des Bandes ("Fürsprache, Rat und Tat, Erinnerung: Kunigundes Aufgaben als Herrscherin") untersucht Ingrid Baumgärtner, welche Pflichten Kunigunde hatte und wie sie diesen nachkam (47-69). Mit den drei im Titel genannten Stichworten setzt Baumgärtner die Hauptgesichtspunkte, unter denen das Wirken der Königin subsumiert werden kann (49). Ein wichtiges Zeugnis für ihr Wirken sind ihre Interventionen in den Urkunden Heinrichs II. Die Beobachtung, dass die meisten weiteren Intervenienten lediglich mit Kunigunde gemeinsam auftraten, unterstreicht die Wichtigkeit der Königin hierbei ebenso wie auch die Feststellung, dass der prozentuale Anteil der Interventionen Kunigundes mit fast 30% ungefähr demjenigen ihrer Vorgängerinnen Theophanu (24%) und Adelheid (32%) entspricht (51 f.). Aus längeren Phasen des Fehlens von Interventionen kann dagegen nicht zwingend auf ein distanzierteres Verhältnis der Eheleute Heinrich und Kunigunde geschlossen werden, insofern ist die Häufigkeit der Interventionen kein zuverlässiger Gradmesser für die Machtstellung der Königin. Die Interventionen Kunigundes decken sich weitgehend mit den Interessen Heinrichs II., sodass die Teilhabe am Reich, die in den Urkunden formuliert wird, keine leere Floskel gewesen sein dürfte. Rat und Tat leistete Kunigunde als Vermittlerin in Konflikten, besonders wichtig war sie dabei 1002, als es darum ging, den Ausgleich mit Hermann von Schwaben herbeizuführen, und 1020, im Streit mit Bernhard von Sachsen. 1018 wirkte sie als Stellvertreterin des Kaisers, als sie ihren Bruder Heinrich wieder in seine Würde als Bayernherzog einsetzte, die dieser während der so genannten Moselfehde verloren hatte. Baumgärtner betont jedoch, dass es sich bei dem Vorgang um einen Sonderfall handelte, da Heinrich zuvor bereits Herzog in Bayern gewesen war, Kunigunde selbst dort einst Herzogin war und es sich hierbei um ihren Bruder handelte. Ob auch eine Ersteinsetzung in ein Herzogtum von ihr hätte vorgenommen werden können, ist fraglich. Eine traditionelle Aufgabe der Königin war die Sorge um die Memoria, welche im Fall von Heinrich und Kunigunde von dem Herrscherpaar gemeinsam und intensiv betrieben wurde. Wichtig sind hierbei vor allem die Gründungen in Bamberg, das Bistum sowie die Klöster St. Stephan und St. Michael, daneben aber auch das Engagement für das Bistum Paderborn, die Gründung des Klosters Kaufungen sowie die Wiedererrichtung des Merseburger Bistums.

In den vier Beiträgen wird von Kunigunde ein Bild als Königin gezeichnet, die ihren Gatten jederzeit loyal unterstützte. Hierdurch nahm sie selbst an der Reichsregierung erheblichen Anteil, wobei sie jedoch nur jenen Part ausfüllte, welcher der Königin gemeinhin zustand. Ihre eigene Stellung war an die Position Heinrichs II. gekoppelt, gleichermaßen im Leben und postum als Heilige. Stets wird betont, wie schwierig die Annäherung an die historische Kunigunde ist, deren Geschichte durch die legendenhafte Heiligenvita beeinträchtigt wird. Sämtliche Quellenzeugnisse zu Kunigunde sind indirekter Natur: die Chronisten Thietmar von Merseburg und Wipo von Burgund, die Herrscherurkunden Heinrichs II. und ihre erst im 12. Jahrhundert entstandene Vita. Ein Zeugnis aus ihrer eigenen Hand, welches den direkten Blick auf sie freigeben könnte, fehlt dagegen.

Umso mehr ist die Leistung der vier Autoren zu würdigen, denen die behutsame Annäherung an die Königin gelingt. Mit dem Band wurde eine gute Grundlage zur weiteren Forschung zu Kunigunde selbst und zu mittelalterlichen Königinnen allgemein gelegt, wozu auch Register, Quellen- und Literaturverzeichnis - in Sammelbänden leider keineswegs Standard - erheblich beitragen.

Boris Bigott