Thomas Biller / Bernhard Metz: Der spätromanische Burgenbau im Elsaß (1200-1250) (= Die Burgen des Elsaß. Architektur und Geschichte; Bd. 2), München / Berlin: Deutscher Kunstverlag 2007, 480 S., ISBN 978-3-422-06635-9, EUR 88,00
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Zu Recht gilt das Elsass als eine der eindrucksvollsten Burgenlandschaften des Alten Reichs. Eine umfassende Aufarbeitung der Architekturgeschichte fehlt allerdings bisher, daher hat sich der Baukundler Thomas Biller diesem Desiderat angenommen. In einem insgesamt auf vier Bände angelegten Werk möchte er - gemeinsam mit dem Historiker Bernhard Metz - einen Überblick über die elsässische Burgenarchitektur liefern.
Nach dem bereits im Jahr 1995 vorgelegten Erstling des Gesamtwerks (Band 3: "Der frühe gotische Burgenbau im Elsaß (1250-1300)") ist hier der zweite erschienene und zugleich zweite Band der Reihe anzuzeigen, der dem spätromanischen Burgenbau - genauer der Zeitspanne zwischen 1200 und 1250 - gewidmet ist. Künftig sollen noch der erste und vierte Band der Reihe folgen, die dann die Anfänge des Burgenbaus im Elsass bis 1200 bzw. seine spätmittelalterliche Phase nach 1300 zum Gegenstand haben werden.
In Aufbau und Konzeption folgt der zweite Band im Wesentlichen seinem Vorgänger. Er beinhaltet einen historischen Abriss der elsässischen Geschichte während des Untersuchungszeitraums, einen Überblick über den Forschungsstand, Fragen zur Datierung sowie eine grundlegende Abhandlung der verschiedenen Bauteile. Letztere nimmt sowohl das Konzept der im Untersuchungszeitraum entstandenen Gesamtanlagen in den Blick als auch einzelne Bauteile. Dieser Part ist mit Schwarz-Weiß-Fotografien und zahlreichen erläuternden Darstellungen reich bebildert.
Es folgt ein Katalogteil von 30 Einzelanlagen, die in ihren wesentlichen Bestandteilen zwischen 1200 und 1250 entstanden und an denen die typischen architektonischen Merkmale des Burgenbaus jener Zeit verdeutlicht werden. Der Katalog nimmt mit rund 260 Seiten den größeren Teil ein, der vorgeschaltete historische und baukundliche Part kommt auf 170 Seiten.
Die einzelnen Artikel des Katalogteils gliedern sich zum einen in eine sehr knappe historische Einführung - in der Regel aus der Feder von Bernhard Metz (diesen Teil hätte man sich als Historiker ausführlicher gewünscht). Der jeweils folgende bauanalytische Abschnitt wurde von Thomas Biller verfasst. Auf eine genauere Kennzeichnung der Autorenschaft wurde unter dem Hinweis verzichtet, dass die dargestellten Sachverhalte ohnehin Resultate aus der mittlerweile jahrzehntelangen Zusammenarbeit der beiden sind (8). Den Artikeln sind jeweils Baualterpläne beigegeben, die vielfach von Biller oder vereinzelt auch weiteren Mitarbeitern neu angefertigt wurden - ein Sachverhalt, der ausdrücklich zu loben ist, wenn man den ansonsten weithin desolaten Aufarbeitungszustand der meisten Burgen diesbezüglich bedenkt.
Es folgt ein Quellen- und Literaturverzeichnis, worin die mehrfach zitierten Werke nachgewiesen werden; einmalig verwendete Titel finden sich lediglich am entsprechenden Ort in den Fußnoten. Ein Register erschließt den Band, wobei die darin aufgenommenen Personen, Orte und Sachbegriffe sich stets auf die historischen Passagen von Metz beziehen. Die baukundlichen Abschnitte Billers blieben unberücksichtigt, da diese bereits stark untergliedert und gesuchte Begriffe darin über das Inhaltsverzeichnis auffindbar sind. Auch die Abbildungen zu den einzelnen Burgen sind über das Register ermittelbar, was eine gezielte Suche erleichtert. Zuletzt enthält der Band eine Gesamtkarte des Elsass mit sämtlichen Burgen, die in allen vier Bänden des Werks behandelt werden. Die zugehörige Legende dient zugleich als Findmittel, das dem Benutzer zeigt, in welchem Band eine bestimmte Burg hauptsächlich behandelt wird.
Der Aufbau des Werks wirkt etwas umständlich, da im vorgeschalteten baukundlichen Teil bereits auf zahlreiche Sachverhalte vorgegriffen wird, die dann erst später im Katalogteil im Einzelnen vorgestellt werden. Liest man den Band von Anfang bis Ende, so ist häufiges Hin- und Herblättern erforderlich, um den Ausführungen folgen zu können. Störend wirken auch die zahlreichen Verweise auf die noch kommenden Bände 1 und 4, die vorerst nicht greifbar sind. Die damit verbundenen Argumentationen können in manchen Fällen einstweilen nicht nachvollzogen werden. Zudem fehlt dem Leser immer noch die Einführung in das Gesamtwerk, die erst in einem der kommenden Bände enthalten sein wird.
Inhaltlich bietet der Band einen breiten Überblick über die vielfältigen Bauformen der elsässischen Burgenarchitektur des Untersuchungszeitraums. Die Epoche zwischen 1200 und 1250 ist untrennbar mit der Spätphase der Stauferzeit in Deutschland verbunden. Das hat eine besondere Relevanz für das Elsass, wo bekanntlich einer der Kernräume staufischer Macht lag. Man möchte daher einen großen Einfluss der Staufer auch auf den elsässischen Burgenbau annehmen. Doch bemerkenswerter Weise schätzt Metz diesen als recht gering ein. Die Schriftquellen zeigen um 1200 lediglich vier Burgen der Staufer bzw. des Reichs im Elsass wozu bis 1236 lediglich fünf weitere als Neubauten hinzu kamen (24). Doch selbst wenn er betont, dass sich die Stellung der Ministerialen im 13. Jahrhundert deutlich von derjenigen im vorigen unterschied und aus den unfreien Dienstleuten von einst mittlerweile recht selbständige Herren geworden waren - die von unterschiedlichsten Aristokraten Lehen hielten und die Konflikte unter ihren Lehnsherren trefflich für die eigenen Zwecke auszunutzen verstanden -, wird man bei dieser Rechnung die Burgen der staufischen Ministerialen nicht unberücksichtigt lassen dürfen. Eine Vielzahl davon kennt Metz aus den Nordvogesen, wo etliche staufische Ministerialenfamilien mit recht kleinen aber zahlreichen Anlagen die Gegend durchdrangen (28f.). Dem Wirken dieser Ministerialen wird man ein Eigeninteresse sicher nicht absprechen wollen, dieses dürfte sich jedoch vor allem in dem Rahmen entfaltet haben, worin es sich mit den Interessen der staufischen Dienstherren deckte.
Derartige sozialgeschichtliche Sachverhalte, die ihren Ausdruck zweifellos auch in der Architektur fanden, bleiben wegen der Konzentration des Werks auf die Architekturgeschichte weitgehend außen vor. Und selbst wenn das Gesamtkonzept eine gewisse Interdisziplinarität von Historie und Baukunde suggeriert, so stehen die beiden Bereiche ohne intensivere Berührungen nebeneinander. Augenfällig wird dies auch bei der Burg Egisheim. Diese wurde in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts offenbar unter Hinnahme funktionaler Einschränkungen konsequent nach geometrischen Gesichtspunkten errichtet: Ein regelmäßig achteckiger Bergfried wurde seitenparallel von einer ebenso regelmäßig achteckigen Ringmauer umgeben. Die Gestalt der Innenbebauung dürfte recht unvorteilhaft gewesen sein, da die Anlehnung an die Ringmauerwände des Oktogons unregelmäßig gewinkelte Räume hervorbrachte und eine Nutzung des verbleibenden Innenraums als Burghof durch den dort mittig stehenden Bergfried nur eingeschränkt möglich war. So faszinierend der bauliche Befund in diesem Fall auch ist, Überlegungen, wer diese Burg genau errichtet hat und was mit dieser konsequenten Betonung der Formensprache gegenüber der Funktionalität zum Ausdruck gebracht werden sollte, werden nicht angestellt. Ein wirklich interdisziplinäres Projekt wäre hier vermutlich weniger sprachlos geblieben.
Unverständlich ist die Interpretation des Bauschmucks auf der Burg Girbaden als rückwärts gewandt und eine für die Staufer "gute alte Zeit" - die Epoche Friedrich Barbarossas - reflektierend (129). Zum einen war die Zeit Barbarossas politisch keineswegs so stabil - Krisen gab es auch damals zuhauf - zum anderen hatten die Stauferdynastie und ihre Anhänger zu Beginn der Herrschaft Friedrichs II., des Bauherrn der Girbaden, allen Grund mit großem Optimismus in die Zukunft zu blicken. Als die Burg zu Beginn der zwanziger Jahre des 13. Jahrhunderts errichtet wurde, hatte Friedrich seine Gegner überwunden, die Dynastie war durch den Thronfolger Heinrich (VII.) gesichert und Friedrich selbst herrschte als junger und tatkräftiger König. Eine Rückbesinnung auf seinen Großvater, die sich in der Baugestalt niedergeschlagen haben soll, leuchtet nicht ein, denn für die Zeitgenossen waren die Krise und der Untergang der Dynastie ab den dreißiger Jahren nicht vorhersehbar.
Trotz der kritisch angemerkten Punkte wird das Werk von Biller und Metz für architekturgeschichtliche Fragen zum Burgenbau im Elsass zu einem Standardwerk werden. Schon allein der umfassende Vergleich der knapp 90, noch weitgehend erhaltenen Anlagen wird eine anschauliche Erfassung der Burgen-Architekturgeschichte ermöglichen - und ermöglicht dies auch jetzt schon, nach dem Erscheinen von zwei der insgesamt vier Bände. Die selbst auferlegte Beschränkung auf die Architekturgeschichte, die nur knapp von historischer Seite flankiert wird, lässt allerdings Räume für weiterführende, interdisziplinäre Forschungen zu.
Boris Bigott