Marta Penhos: Ver, conocer, dominar. Imágines de Sudamérica a fines del siglo XVIII, Buenos Aires: Siglo veintiuno 2005, 382 S., ISBN 978-987-1220-18-2
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Die von Marta Penhos am Institut für Kunstgeschichte der Univesidad de Buenos Aires vorgelegte Dissertation untersucht drei spanische Forschungsreisen im späten 18. Jahrhundert in das Gebiet des heutigen Argentinien. Es handelt sich um die Exploration des Gran Chaco im Norden Argentiniens unter dem Kommando von Kapitän Matorras im Jahre 1774, die wesentlich bekannteren Reisen Flix de Azaras zwischen 1782 und 1801 sowie die Expedition Malaspinas zwischen 1789 und 1794. In allen drei Fällen kann die Autorin auf breite Vorarbeiten und nicht zuletzt auf zahlreiche kommentierte Editionen der Reisetagebücher zurückgreifen.
Penhos' Anliegen ist die Darstellung von Forschungs- und Entdeckungsreisen als Experimente der Wissensaneignung und, darüber hinaus, als grundlegende Elemente bei der Herausbildung der modernen Naturwissenschaften (16). Die Teilnahme bzw. die Begegnungen mit indianischen Ureinwohnern finden besondere Beachtung. Es geht also um Konstruktionsvorgänge der im Zuge dieser Reisen entstandenen Bilder des heutigen Argentiniens bzw. des damaligen Vize-Königtums Buenos Aires, vom Moment des Sehens bis zur Materialisierung in Bild oder Text, die Penhos beide unter dem Begriff der "im225ágenes" subsumiert (18). Wie schon im Titel angedeutet, interessiert sich die Autorin in erster Linie für die Beziehung von "visualidad y conocimiento" bzw. "visualidad y poder" (19). Die Arbeit schreibt sich somit in eine inzwischen beachtliche Reihe neuerer Studien zur Problematik des Sehens und der Wahrnehmung ein und nimmt, wie in der Einleitung ausgeführt, explizit Bezug auf Autoren wie Pratt, Foucault, Said und Crary.
Aus einer spezifisch kunstgeschichtlichen Perspektive interessiert sich Penhos darüber hinaus besonders für bestimmte Repräsentationstechniken und -traditionen, wie Darstellungen von Aussichtspunkten oder aus der Vogelperspektive, Funktionsmuster der Genremalerei und Übernahme von Techniken der klassischen europäischen Landschaftsmalerei (24).
Die Darstellung beginnt im Jahre 1767, als der Gouverneur von Tucum225án Matorras den Auftrag der spanischen Krone annahm, die Einwohner des Gran Chaco zu unterwerfen (35). Die daraus resultierende Expedition begann allerdings erst 1774 und ist insbesondere durch das Treffen Matorras' mit dem Indianerhäuptling Paykin bekannt geworden (41). Ein Treffen, das bereits von den Zeitgenossen mit dem Errichten einer Gedenksäule, die von Penhos als Landschaftsmarkierung und Zeichen der Inbesitznahme analysiert wird, in der Erinnerung verankert wurde. Darüber hinaus sind vor allem die vom Ingenieur Julio Ram243ón de C233ésar angefertigten Karten des Chaco die wichtigsten Quellen der Begegnung (65). Penhos kann nachweisen, dass nicht nur diese Karten, sondern auch ein anonymes Ölgemälde des Treffens mit dem Indianerhäuptling (das die Autorin Tom225ás Cabrera zuschreibt und sich heute im argentinischen Nationalmuseum in Buenos Aires befindet) auf die schriftlichen Einträge des Reisetagebuchs bei der Darstellung zurückgreifen mussten (78).
Diese Bilder sind Beweise dafür, dass die Darstellungen der Neuen Welt auf alte, in Europa etablierte Stereotype des Kontinents zurückgriffen, zu denen neben der allseits bekannten Nacktheit der Indianer auch Federn und Krokodile als Allegorien des Kontinents zählten (86-88). Das Zusammenspiel zwischen dem auf der Reise Gesehenem und dem schon vorher Gewussten sollte die Wahrheit der Darstellung verbürgen (96). Penhos gelingt es hier vor allem die Vielzahl der am Entstehungsprozess der Bilder beteiligten Personen aufzuzeigen (111).
Die Reise Azaras, welcher der zweite Teil der Arbeit gewidmet ist, der im Gegensatz zu den beiden anderen ohne Abbildungen auskommt, hatte ihren Ursprung im spanisch-portugiesischem Grenzvertrag von 1777, aus dem auf spanischer Seite u. a. die Expedici243ón de Am233érica Meridional hervor ging, durch welche die neu ausgehandelten Grenzen erkundet werden sollten. Jos233é Varela y Ulloa, dem das Generalkommando der Expeditionen oblag, war daran genauso beteiligt wie Diego de Alvear, Juan Francisco Aguirre und eben jener F233élix de Azara, von dem die Autorin freimütig zugibt, dass ihm von der Forschung die größte Aufmerksamkeit zu Teil geworden ist (127). Ziel dieser Reise war es aber auch, eine gründliche Beschreibung der Vierbeiner und Vögel der Region zu erarbeiten, wobei die meisten dieser Zeichnungen von Jos233é Mar237ía Cabrer stammen.
Penhos legt besonderes Augenmerk auf den Einfluss der Theorien Carl von Linn233és auf die Arbeiten Azaras (134 f.). Zudem betont sie, dass der von der spanischen Krone erteilte Reiseauftrag auch als Vorbereitung der ökonomischen Ausbeutung der zu untersuchenden Region fungierte (138, 142). Diese Annahme ist in Anbetracht der spanischen Kolonialpolitik zwar kaum zu bezweifeln, hätte aber zusätzliche Belege verdient.
Dieser Teil des Bandes ist nicht zuletzt eine Editionsgeschichte der 1809 in Paris veröffentlichten Voyages dans l' Am233érique Meridionale des F233élix de Azara. Die Autorin interessiert sich besonders für dessen Verhältnis zu den Arbeiten Buffons, der Azara zunächst als "plataforma" (188) für seine Überlegungen diente, danach von diesem jedoch immer wieder scharf kritisiert wurde. Das entscheidende Argument, das Azara dabei ins Feld führte, war das der Augenzeugenschaft, die ihm gegenüber dem Franzosen den entscheidenden wissenschaftlichen Vorteil verschafft hätte (195). In der Tat hatte Buffon viele der von ihm beschriebenen Tiere nie selbst zu Gesicht bekommen. Das Verb "sehen" (ver) fungierte somit als Garant wissenschaftlicher Objektivität (205). Gerade die Zeichnungen, die zumeist von Ingenieuren und Geographen angefertigt wurden, wurden jedoch, wie Penhos überzeugend nachweisen kann, nicht auf der Vorlage lebender, sondern vielmehr ausgestopfter Tiere erstellt (216). Die von Azara und seinen Helfern immer wieder betonte Arbeitsweise in vivo, der Blick auf das lebende Untersuchungsobjekt als Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnis, ist daher laut Penhos genauso zu relativieren und zu kontextualisieren wie das "esquema positiva y totalizador" der europäischen Naturgeschichte für einen weitgehend unbekannten Kontinent (222).
Die Reise Malaspinas, der sich der letzte Teil des Bandes widmet, ist die bekannteste der drei behandelten Episoden. Die Autorin rechtfertigt ihre erneute Untersuchung mit der Konzentration auf die Problematik des Sehens und auf den Teil der Reise am Rio de la Plata und in Patagonien (228). Einmal mehr geht es Penhos um "un sujeto cognoscente que, enfrentado al mundo, congela todo en objeto" (232). Die ständige Gegenwartsform in den Beschreibungen des Klimas oder des Charakters der Indianer beraubt diese ihrer Historizität und macht sie gleichzeitig für die spanischen Kolonisatoren beherrschbar (238).
Gerade bei den Tierdarstellungen wird, auch hier im Gegensatz zu Buffon, weniger auf die "patrie naturelle" als vielmehr auf die Einzigartigkeit jeder Spezies abgehoben, die sich in der Zeichnung durch die isolierte Darstellung auf weißem Hintergrund widerspiegelt (273). So fand auch dieser Reisende "en Am233érica lo que iba buscar" (279). Das daraus resultierende Bild- und Textmaterial war ein Strategem für die Umsetzung in eine artifiziell geordnete Darstellung. Die Penhos selbst gestellte Aufgabe besteht dagegen darin, die Unordnung des Unternehmens in Form von "la indisciplina de la mariner237ía, las enfermedades y la muerte, el deseo sexual, el conflicto y la violencia en las relaciones inter233étnicas" darzustellen (284).
Kritisch anzumerken ist, dass der Zusammenhang dieser drei Reisen bzw. die Gründe ihrer Auswahl und Zusammenstellung erst gar nicht angesprochen werden. Immerhin sind sie alle drei weitgehend erforscht. Auch ihr geographischer Zusammenhalt, das heutige Argentinien (Chaco, Rio de la Plata, Patagonien), überzeugt kaum, und sei es nur, weil gegen Ende des 18. Jahrhunderts Argentinien schlicht nicht existierte. Außerdem wird zur Praxis der Reise sowie zum Alltag der in ihr involvierten Personen, entgegen den Ankündigungen in der Einleitung (15, 24), kaum etwas gesagt. Auch die politische Einbindung wird nach einer kurzen Erwähnung am Anfang des jeweiligen Abschnitts nur mehr kurz angerissen, eventuelle politische Folgen werden dagegen vollständig ausgeblendet.
So bleibt als Stärke dieses flüssig geschriebenen und durchweg lesenswerten Bandes in erster Linie festzuhalten, dass es Penhos gelingt, die langen und oft verzweigten Wissensketten, die zu den hier analysierten Bildern und Reiseberichten führten, einleuchtend und sehr detailliert nachzuzeichnen.
Volker Barth