Geschenktipps zu Weihnachten

Angela Schwarz, Siegen



Richard van Dülmen (Hrsg.): Erfindung des Menschen. Schöpfungsträume und Körperbilder 1500-2000, Köln: Böhlau Verlag 1998.

Was ist der Mensch? Wie soll er sein? Wie lässt er sich so verändern, dass er dem Idealbild entspricht? Antworten auf diese Fragen könnten Bände füllen. Daher hat sich der von Richard van Dülmen herausgegebene historisch orientierte Sammelband auf einige Antworten, auf einige Träume vom idealen Menschen, d.h. vor allem vom idealen Körper, konzentriert, wie sie seit dem Mittelalter im deutschen Kontext geträumt worden sind. Tod und Vergänglichkeit, Entdeckung der Schönheit des Körpers, Zähmung, Verstümmelung und Befreiung des Menschen, Machbarkeitsfantasien von Eugenikern und Technikern bis hin zu posthumanistischen Begehrlichkeiten: Es ist all das da, was die Bemächtigung des Menschen durch sich selbst im Laufe der Jahrhunderte ausgemacht hat. Wen diese Variante des menschlichen Aneignungsprozesses der Natur interessiert - mit oder ohne Seitenblick auf die bereits erkennbaren Manipulationen einer sich fortentwickelnden Gentechnik -, für den wird das anregende und z.T. farbig bebilderte Werk eine spannende Lektüre.


Angela Steidele: In Männerkleidern. Das verwegene Leben der Catharina Margaretha Linck alias Anastasius Lagrantinus Rosenstengel, hingerichtet 1721, Köln: Böhlau Verlag 2004.

Wie stellt es sich in Shakespeare's As you like it mit der Figur der Rosalind dar? Ein Mann, der eine Frau spielt, die vorgibt ein Mann zu sein, der eine Frau spielt. Geschlechterrollen sind heute noch klar definiert, waren es in früheren Jahrhunderten aber noch rigider, so dass diejenigen, die die Grenzen überschritten, sowohl in eine andere Erfahrungswelt eintraten als auch mit weitreichenden Konsequenzen rechnen mussten. Das galt um so mehr, je zahlreicher die Grenzen waren, die überschritten wurden. Der Lebensweg, den Angela Steidele für Margaretha Link nachzeichnet, liest sich wie die Grundlage für einen Schelmenroman oder, die weniger wünschenswerte Variante, einen Hollywood-Film: eine Frau, aus einfachen Verhältnissen stammend, seit ihrem 15. Lebensjahr in Männerkleidern auf der Flucht vor den durch Stand und Geschlecht gesetzten Regeln, über viele Jahre als Musketier umherziehend, in Schlachten des Spanischen Erbfolgekrieges kämpfend, dann als Anastasius Rosenstengel verheiratet und 1721 wegen "Unzucht mit einer anderen Frau" hingerichtet. Eigentlich bedarf es nicht einer Verfilmung oder Romanerzählung, denn die Fakten, wie sie hier zusammengetragen und (geschichts-)wissenschaftlich nüchtern dokumentiert werden, genügen völlig, um die Fantasie anzuregen.


Valentin Hammerschmidt / Joachim Wilke: Die Entdeckung der Landschaft. Englische Gärten des 18. Jahrhunderts, Stuttgart: DVA 1990.

Englische Landschaftsgärten, so wie sie im 18. Jahrhundert entstanden, üben eine Faszination aus, die sich mit wenigen Worten kaum beschreiben lässt. Wer sie studiert, befasst sich mit den Schöpfungen von Visionären, die es verstanden, Gedanken und Empfindungen in die Landschaft einzuschreiben und gestaltete Natur zum Lesebuch ihrer Ideen etwa über Freiheit, Moral, Religion, Geschichte und Wissenschaft zu machen. Wer sie besucht, heute, mehr als zweihundert Jahre nach ihrer Entstehung, lässt die Gegenwart zurück und taucht ein in eine Welt der Empfindsamkeit und kontemplativen Ruhe. Der fundierte und mit zeitgenössischen Darstellungen und neueren Fotografien bebilderte Band von Hammerschmidt und Wilke bietet die Chance zu beidem, dem Studium und der empfindsamen Reise. Die Atmosphäre des Eintauchens in eine andere Welt würde die parallel verlaufende Lektüre von Jane-Austen-Romanen noch verstärken, das Nachspüren ließe sich am intensivsten wohl durch die Betrachtung vor Ort verwirklichen.


Jean-Louis Cohen: Scenes of the World to come. European Architecture and the American Challenge 1893-1960, (Buch zur Ausstellung 1995/96), Paris: Flammarion 1995.

Science Fiction-Filme wie Metropolis, Blade Runner oder Das fünfte Element tragen die Frage danach, wie die Stadt der Zukunft aussieht, in eine breitere und an Überlegungen von Stadtplanern wenig interessierte Öffentlichkeit. Dabei geht es uns angesichts der Expansion der Städte und dem steigenden Anteil der städtischen Bevölkerung an der Weltbevölkerung alle an, welcher Art die urbane Welt sein wird, in der wir und unsere Nachfahren in den nächsten Jahrzehnten oder Jahrhunderten leben werden. Wie sich das Planer und Architekten vorgestellt haben, als die Moderne auf ihrem Höhepunkt stand, postmoderne Zweifel also noch keine Rolle spielten, ist Thema des Ausstellungsbandes über die zukünftige Welt. Selbstbewusst und in ihren Dimensionen gigantisch kommen die Ideen, Entwürfe und Transformationsfantasien daher, in Europa und Nordamerika entwickelt, z.T. nach einem Prozess wechselseitiger Beeinflussung, und bringen einen scheinbar grenzenlosen Optimismus zum Ausdruck, der selbst für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts erstaunt. Neben der Radikalität so mancher Entwürfe ist es dieser Glaube an die architektonische Lösung der Menschheitsprobleme, die die Betrachtung der Visionen so faszinierend macht. Wie die Lektüre dieses sorgfältig illustrierten Begleitbuches bewusst macht, bestehen alle drei zu Beginn des 21. Jahrhunderts fort: die Radikalität, der Machbarkeitsglaube und die Faszination.