Armin Kohnle (Hg.): Das Vermächtnis Kaiser Karls V. Die Politischen Testamente, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2005, 141 S., ISBN 978-3-534-18432-3, EUR 27,90
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Diese vor allem für Studierende konzipierte Edition enthält die so genannten Politischen Testamente Karls V. für seinen Sohn und Thronfolger Philipp II. aus den Jahren 1539, 1543 und 1548. Es sind die thematisch umfassendsten und auch deshalb bedeutendsten Texte dieser Gattung aus der Feder des Kaisers. Eine Reihe politischer Prinzipien Karls werden darin deutlich, aber auch einige seiner besonderen Ziele, Pläne und Überlegungen in ihren Chancen, ihren Grenzen und in ihrem Wandel während dieses ereignisreichen Jahrzehnts zwischen dem Waffenstillstand von Nizza 1538 und dem Geharnischten Augsburger Reichstag von 1547/48.
Die Stücke aus den Jahren 1539 und 1548 hat Armin Kohnle aus dem Spanischen nach dem von Fernández Alvarez in den 1970er Jahren herausgegebenen "Corpus documental de Carlos V" unter Hinzuziehung der französischen Übersetzung nach den "Papiers d'état de Granvelle" ins Deutsche übersetzt, mit Hilfe sprachkundiger Kolleginnen, wie er im Vorwort dankend erwähnt. Dagegen lagen die beiden Anweisungen Karls aus dem Jahre 1543 bereits seit ihrer Publikation durch Karl Brandi 1935 auf Deutsch vor. Diese Fassung nutzte schon Alfred Kohler für seine Quellensammlung zur Geschichte Karls V., und sie hat nun auch Kohnle seiner Edition zugrunde gelegt und nur an wenigen Stellen aufgrund des spanischen Textes stilistisch aktualisiert.
Das Buch umfasst eine kurze Einleitung (9-17), eine chronologische Liste der bekannten wie der nur aus Erwähnungen erschlossenen Testamente Karls V. (18-20), die vier Texte selbst (23-97), jeweils mit knappen Regesten versehen, dazu ein kurzes Quellen- und Literaturverzeichnis (99-102) und die in Anmerkungen gefassten Erläuterungen zu den edierten Texten (103-128), ergänzt um eine Zeittafel (129-132), drei instruktiv gestaltete Karten sowie einige Stammtafeln (139-141). Mit diesem Buch steht eine verlässliche, wie die Textprüfung ergab, und für die akademische Lehre nützliche Edition dieser zentralen Schriften zur Verfügung, von denen zwei bislang eben nur auf Spanisch und Französisch vorlagen, zudem in solchen Reihen publiziert, die sich nicht alle Institutsbibliotheken leisten können. Eigens betont sei, dass es Armin Kohnle und seinem Team gelungen ist, die zahlreichen Feinheiten und Zwischentöne der spanischen Originaltexte auch in der deutschen Übersetzung mitschwingen zu lassen.
Angesichts dieser Übersetzungs- und Editionsleistung Kohnles ist es umso erstaunlicher, dass Einleitung und Anmerkungen zum Verständnis und zur Einordnung der Politischen Testamente nur wenig beitragen. Weder erfolgt eine Schilderung der Situationen, in denen die Texte entstanden sind, noch finden sich Skizzen ihres Inhalts - Rahmeninformationen also, die vor allem Studierende vermissen dürften. Bedauerlich erscheint der Rezensentin jedoch weniger die Kürze der Einleitung als vielmehr deren inhaltliche Verkürzungen: Einen adäquaten Eindruck vom Stellenwert der Schriften im politischen Denken des Kaisers wie im Kontext der von ihm sonst überlieferten Quellen bietet ihre Lektüre kaum. Um diese Bedeutung der Politischen Testamente zu verdeutlichen, seien sie kurz vorgestellt.
Das Politische Testament von 1539 hinterließ Karl V. seinem in Madrid zurückbleibenden Sohn bei seiner Abreise in die Niederlande. Darin ermahnt er den zwölfjährigen Philipp zunächst, er möge sein Handeln an den auch von ihm, Karl, selbst befolgten Prinzipien ausrichten, nämlich Gottesfurcht üben und der alten Kirche treu bleiben, unter den Angehörigen des Hauses Habsburg für ein gutes Einvernehmen sorgen und im Verhältnis zum französischen König den Frieden zu bewahren suchen. Zudem, so Karl weiter, hätten sich die beiden Herrscher kurz zuvor in Aigues-Mortes getroffen und über Möglichkeiten zum Ausgleich ihrer Konflikte durch die Verheiratung ihrer Kinder gesprochen. Im Weiteren entwickelt der Kaiser dann seinem Sohn eine Fülle von Informationen über den Stand seiner dynastischen Absprachen mit König Franz I. und seiner vielfältigen Überlegungen hinsichtlich der Chancen wie der Schwierigkeiten, die den unterschiedlichen Heiratsprojekten aus seiner Sicht innewohnten. Im Mittelpunkt stand die dauerhafte Aussöhnung mit den Valois, für die Karl sogar das Herzogtum Mailand, einen der Hauptstreitpunkte der vorangegangenen Kriege, an den französischen Thronfolger zu geben bereit war, wenn dieser entweder seine oder eine Tochter seines Bruders Ferdinand ehelichte. Aber auch Überlegungen hinsichtlich der Regentschaft der Niederlande spielten für Karl eine wichtige Rolle, nämlich die Erwägung, in Zukunft seiner Tochter Maria die Niederlande zu übergeben. Deutlich wird hier mithin nicht bloß die Komplexität der dynastischen Optionen des Kaisers, sondern es zeigt sich auch, dass die so genannte "Große Alternative" von 1544, also die Zusage Karls, im Falle einer Heirat des Herzogs von Orléans mit einer habsburgischen Prinzessin dem Paar entweder Mailand oder die Niederlande zu überlassen, in ihren Grundzügen schon 1539 diskutiert worden ist.
Die Anweisungen Karls für Philipp aus dem Jahre 1543 entstanden ebenfalls am Vorabend seiner Abreise aus Spanien: Die Hoffnung auf einen dauerhaften Frieden mit Franz I. hatten sich zerschlagen, der Krieg um Geldern stand bevor und Karl schickte sich nun an, den Feldzug selber zu leiten. Daher ernannte er seinen Sohn für die Zeit seiner Abwesenheit zu seinem Regenten über die spanischen Königreiche. Unter den zahlreichen Instruktionen, die er Philipp bei dieser Gelegenheit zukommen ließ, waren auch die zwei hier abgedruckten Stücke. Bei ihnen handelt es sich zum einen um eine allgemeine, an Philipp und dessen wichtigste Berater gemeinsam gerichtete Instruktion, zum anderen um geheime Aufzeichnungen, die für den Infanten allein bestimmt waren.
Im ersten Stück appelliert Karl wiederum an die Gottesfurcht als leitende Herrschertugend, geht dann aber sehr rasch auf das Hauptthema beider Schriften über: den Umgang mit den obersten Beratern und die Hauptregeln für das Verhalten Philipps als Regenten und zukünftigen Königs. Insbesondere wird Philipp instruiert, für jeden Rat empfänglich zu sein und gute Berater an sich zu binden, sich aber vor schlechten Ratgebern zu hüten. Ferner weist Karl seinen - bekanntermaßen nicht eben studierfleißigen - Sohn ausdrücklich darauf hin, dass er durch Lernen, insbesondere das Erlernen der Sprachen der Bewohner seiner Länder, an Autorität nur gewinnen könne; Philipp müsse nicht glauben, dass das Lernen ihm die Kindheit verlängere, "quel estudyo os hará alagar la niñez". [1]
Vor jedermann geheim zu halten hatte Philipp die zweite Instruktion des Jahres 1543, das wohl bekannteste Politische Testament Karls V. Die Hauptthemen sind hier die Qualitäten und persönlichen Schwächen der wichtigsten spanischen Räte Karls, jener Personen, die Philipp bei der Führung der Regentschaft unterstützen sollten. Besonders legt Karl seinem Sohn ans Herz, niemals nur auf einen einzigen Berater zu hören, da er sich dann in dessen Hände begebe - eine dringende Warnung vor einem Favoriten also. Bemerkenswert erscheint zudem die Offenheit, mit der Karl seine Pläne erläutert, König Franz in dem Falle, dass dieser noch nicht angegriffen haben sollte, seinerseits anzugreifen.
Das vierte der in diesem Band edierten Stücke schließlich sandte Karl seinem Sohn 1548 vom Reichstag in Augsburg nach Spanien. In dieser auch als "Großes Testament" bezeichneten Schrift geht es fast nur um auswärtige Politik: Von den Chancen und Problemen der Verteidigung der spanischen Besitzungen in Italien über die Sicherungsmaßnahmen für Flandern und die Franche Comté bis hin zu den Kolonien erörtert Karl sämtliche Konfliktherde der Jahrhundertmitte, teilweise sogar in ihren jeweiligen Wechselwirkungen.
Angesichts dessen, dass der Herausgeber sich umfassend mit der deutschen Fassung dieser Schriften auseinander gesetzt hat, erscheint es kaum nachvollziehbar, wieso ihm der Reflexionsgrad und auch die Bedeutung der Schriftstücke offenbar weitgehend entgangen sind. Auf zwei Versäumnisse sei hier mit wenigen Worten hingewiesen. Da ist zum einen eine irrige Auffassung von der Bedeutung der dynastischen Politik Karls V. Zwar nennt Kohnle auf Seite 106 Anm. 33 den einschlägigen Aufsatz von Hermann Weber, wird aber der Bedeutung dynastischer Beziehungen für die Strukturen frühneuzeitliche Politik nicht gerecht, wenn er bemerkt, das Denken Karls habe immer wieder um Heiratsprojekte gekreist, obwohl er doch an der Ehe seiner Schwester Eleonore mit Franz I. hätte sehen können, dass politische Ehen nicht immer ihren Zweck erreichten (17). Ferner scheint Kohnle nicht deutlich geworden zu sein - obwohl er auch hier die einschlägige Literatur nennt -, dass den Politischen wie den anderen Testamenten Karls V. eine klare Funktion im Regentschaftssystem des Kaisers zukam; zwar spricht er an einer Stelle sogar vom "politischen System" (10), doch macht er den analytischen Sinn dieser Denkfigur nicht für die Testamente nutzbar. Festzuhalten ist nämlich, dass die hier abgedruckten Schriften - mit Ausnahme jener aus dem Jahr 1548 - im engen Zusammenhang mit der Etablierung einer Regentschaft entstanden sind. Insofern wäre auch die Frage nach der Gattung der Stücke vor diesem Hintergrund zu beantworten.
Diese Kritik ändert freilich nichts daran, dass hier wichtige Schriften in einer insgesamt guten Edition vorliegen. Sie sollten nun Forschung und Lehre umso mehr befruchten.
Anmerkung:
[1] Karl Brandi: Die Testamente und politischen Instruktionen Karls V. insbesondere diejenigen der Jahre 1543/44. Berichte und Studien zur Geschichte Karls V. XII., in: Nachrichten von der Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen. Philologisch-historische Klasse, Fachgruppe II, Mittlere und Neuere Geschichte N.F. 1, Nr. 3 (1935), 31-107, hier 58.
Christine Roll