Tim Winter (ed.): The Cambridge Companion to Classical Islamic Theology, Cambridge: Cambridge University Press 2008, xi + 337 S., ISBN 978-0-521-78549-5, GBP 17,99
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Die Konzeption eines Handbuchs zu einem Themengebiet, das zwar interdisziplinär starkes Interesse hervorruft, aber nicht auf einen durch eine breite Diskussionsgrundlage gesicherten Forschungsstand zurückgreifen kann, stellt zweifelsohne eine große Herausforderung dar. Im glücklichsten Falle kann hier ein Handbuch zu einer Neubelebung der Forschungsdiskussion führen und wichtige Impulse für die interdisziplinäre Zusammenarbeit geben, so wie dies durch den von Peter Adamson herausgegebenen Cambridge Companion to Arabic Philosophy (2005) geschehen ist. Wer Ähnliches vom hier zu besprechenden Cambridge Companion zur klassischen islamischen Theologie erwartet, erlebt eine herbe Enttäuschung. Nicht nur kann dieser Band in keiner Weise als ernsthafter Forschungsbeitrag gewertet werden, auch und gerade als einführende Darstellung ist er wenig brauchbar.
Zunächst begrüßenswert ist, dass der Band islamische Theologie als einen Begriff verstehen möchte, der nicht als bloßes Äquivalent zur Disziplin der dogmatisch-rationalistischen theologischen Tradition des Islam im engeren Sinne (d.h.: des kalām) definiert ist, sondern auch andere Ausdrucksformen religiösen Denkens (wie z.B. Recht, Mystik und Philosophie) miteinschließt (cf. S. 2: this book does not identify "theology" as coterminous with this kalām tradition). Jedoch ist in keiner Weise zu erkennen, wie der Band den Begriff der "islamischen Theologie" nun stattdessen fassen möchte. Für einen Leser, der keine spezifisch islamkundliche Vorbildung besitzt, bietet nur Ahmed al-Shamsys Beitrag "The social construction of orthodoxy" (Beitrag 5) eine gewisse einführende Orientierung in institutionelle Kontexte islamischen theologischen Denkens.
Das Inhaltsverzeichnis weist eine Einteilung in "historische Perspektiven" (Beiträge 1- 5) und "Themen" (Beiträge 6 - 15) aus. Die einzelnen Beiträge im zweiten Teil bieten zumeist interessante und auch fundierte Diskussionen. Hier ist die Themenwahl von einer komparatistischen Perspektive geleitet. Dies schließt Themen ein wie Schöpfung (D. Burrell), Ethik (S. Stelzer), Offenbarung (Y. Michot), Existenz Gottes (A. Shihadeh), gottesdienstliche Handlungen (W. Chittick), theologische Dimensionen des islamischen Recht (Umar F. Abd-Allah), Eschatologie (M. Hermansen). Bei den Beiträgen, wo für die islamische Tradition eine spezialisierte Forschungsdiskussion besteht (d.h. Beiträge zur Attributenlehre (N. el-Bizri), Epistemologie (P. Hardy), teilweise auch der Beitrag zum Recht von U.F. Abd-Allah), macht sich bemerkbar, dass die Autoren mit dieser Diskussion nicht vertraut sind.
Das Fehlen einer konzeptionellen Perspektive dieses Companion manifestiert sich am deutlichsten in der willkürlichen Zuordnung von Themen zum ersten Teil ("historische Perspektiven") oder zweiten Teil ("Themen"). Hier ist besonders klar zu erkennen, dass der Band kein Konzept besitzt, wie islamische Theologie institutionell, historisch oder systematisch im Kontext anderer Disziplinen einzuordnen ist. Wieso erhält Philosophie einen eigenen historischen Überblicksbeitrag zugewiesen, während islamisches Recht und Mystik (d.h. zwei Traditionen, die über mindestens ebenso wohldefinierte eigenständige literarische Traditionen verfügen wie die Philosophie) unter "Themen" abgehandelt werden? Entsprechend ist dann auch T. Mayers Beitrag zum Sufismus (wiewohl im zweiten Teil eingeordnet) de facto ein historischer Überblick über ein Teilgebiet der literarischen Tradition des Sufismus.
Der erste Teil enthält zwei historische Übersichtsbeiträge zur Entwicklung von Philosophie (H. Ziai) und "kalām als entwickelte Tradition", d.h. ca. ab al-Ghaz āli (O. Leaman, S. Rizvi). Diese Beiträge orientieren sich zwar in vielen Teilen nicht an aktuellen Forschungsperspektiven, sind aber übersichtlich und einführend gestaltet. Der Betrag von M.S. Abdel Haleem zu Koran und Hadith kann gleichfalls nicht als Einführung in ein wissenschaftlich fundiertes Verständnis dieses komplexen Gebiets und seiner historischen Dimensionen gelten, wäre aber mit anderem Titel versehen ein lesenswerter Beitrag im Thementeil.
Abschließend ist der Beitrag #2 "The early creed" von Kh. Blankinship zu erwähnen, der die gesamte formative Periode des Islam behandelt. Dies umfasst Themen wie die Nachfolge des Propheten und Entstehung des Kalifats, die religiöse Parteien der Umayyadenzeit und Abbasidische Revolution, (u.a. Harigiten, die Herausbildung theologischer Positionen und die Rolle der Qadariyya, das Entstehen der Schia, die Murgi'a, frühe Hanafiten, die Mu'tazila und schließlich "der sunnitisch-traditionalistische Triumph und die Aš'aritische Synthese"). Auch wenn man in Rechnung stellt, dass gemäß dem Verständnis des vorliegenden Bandes, die "klassische" Periode islamischer Theologie zwischen dem 10. und 13. Jahrhundert anzusetzen ist (cf. S. 2; diese Periodisierung wird nicht weiter begründet, der Begriff "klassisch" wird nicht zur Diskussion gestellt), kann man wohl kaum irgendeine Rechtfertigung dafür finden, all diese Themen in einem einzigen 22-seitigen Beitrag abzuhandeln. Die auf diesen Seiten behandelte Periode ist für das muslimische Selbstverständnis späterer Epochen konstituierend und bildet den wichtigsten Bezugspunkt für das Spannungsfeld zwischen Historizität und transzendentaler Rückbindung muslimischen Glaubens. Nicht umsonst stellt diese Periode einen der am intensivsten beforschten und kontrovers diskutierten Bereiche in der Geschichte des Islams dar. Blankenships Beitrag kommt dabei mit 2 Anmerkungen aus, eine davon enthält Verweise auf Bibelstellen.
Es ist wohl deutlich geworden, dass der Cambridge Companion to Classical Islamic Theology leider kein Werk ist, das ich zur Lektüre empfehlen möchte.
Heidrun Eichner