Christoph Kampmann / Katharina Krause / Eva-Bettina Krems / Anuschka Tischer (Hgg.): Bourbon - Habsburg - Oranien. Konkurrierende Modelle im dynastischen Europa um 1700, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2008, 301 S., ISBN 978-3-412-20152-4, EUR 44,90
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Die frühneuzeitlichen Dynastien stehen seit etlichen Jahren im Fokus der Frühneuzeitforschung. Die Überblicksdarstellungen und Sammelwerke, die von verschiedenen Verlagen seit einigen Jahren zu den profiliertesten europäischen Dynastien herausgebracht werden, sprechen eine deutliche Sprache. [1] Zu nennen sind aber auch die gendergeschichtlichen Forschungen, welche die Rollen der weiblichen Familienmitglieder in den Blick nehmen. [2] Großes Interesse findet ebenfalls seit nun schon geraumer Zeit die herrscherliche Repräsentation, wobei man sich, ausgehend von der Studie Peter Burkes zu Ludwig XIV., insbesondere darum bemüht hat, die Rollen, welche den Herrschern zugeschrieben wurden, offenzulegen. [3]
Der vorliegende Sammelband bindet diese beiden Forschungsstränge zusammen und erweitert sie zugleich, wenn er postuliert, nicht bei den Einzelpersonen stehenzubleiben, sondern, wie die Herausgeber in der Einleitung formulieren, "nach den durch die Person inszenierten Modellen, nach der politischen und gesellschaftlichen Wirksamkeit dieser Modelle, nach ihren Vorbildern, Konkurrenten und Nachahmern oder nach ihren internationalen und transnationalen Verflechtungen" zu fragen (5). Wenn sie von "dynastischen Modellen" sprechen, tun sie das in dem Verständnis, dass der Begriff "Dynastie" nicht nur die Herrscherfamilie im engeren Sinne umfasst, sondern sie verstehen Dynastien "umfassend als politische und kulturell-künstlerische Gesamtentwürfe", wobei sie unterstreichen: "In den Wechselbeziehungen der Dynastien war Politik Kunst und Kunst war Politik" (7). Mit diesem Statement machen die Herausgeber deutlich, dass sie eine Kombination politik- und kulturgeschichtlicher Ansätze anstreben, reduzieren bzw. konzentrieren die Kulturgeschichte freilich in einem eher traditionellen Sinne auf die Kunst als einen wesentlichen Bestandteil der 'Hochkultur', statt sich ausdrücklich im Feld der kulturgeschichtlichen Methoden zu positionieren. De facto ist aber die Frage nach der Konstruktion dynastischer Modelle ein eindeutig kulturgeschichtlicher Ansatz.
Dieser Ansatz bewährt sich in dem Sammelband glänzend. Dafür ist neben dem vergleichenden Zugriff zunächst die interdisziplinäre historisch-kunsthistorische Kooperation maßgeblich, welche für die Bearbeitung dieses Forschungsfeldes unerlässlich ist. Des Weiteren erweist sich, um einer Zerfaserung des Themas vorzubeugen, die Konzentration auf die Zeit um 1700 als glücklich, als der politische Antagonismus von Bourbonen, Habsburgern und Oraniern besonders ausgeprägt war und damit die Frage nach konkurrierenden Modellen besonders naheliegt. Außerdem gibt es für diese Epoche Vorstudien, auf die zurückgegriffen werden kann und deren Autoren teilweise auch in dem Band präsent sind. Besonders erfreulich ist, dass neben den im Titel genannten auch einige kleinere Dynastien - Hohenzollern, Wittelsbacher, Zähringer - Berücksichtigung gefunden haben, wodurch das dynastische Panorama um wichtige Fallbeispiele bereichert wird.
Die einzelnen Aufsätze des Bandes leisten, wie das bei Sammelbänden üblich ist, unterschiedlich gewichtige Beiträge und befinden sich in einer unterschiedlichen Nähe zum Rahmenthema. Wirkliche 'Ausreißer' gibt es aber nicht, sodass jede Autorin und jeder Autor einen Mosaikstein zum europäischen Panorama der dynastischen Modelle um 1700 liefert. Ein vollständiges, geschlossenes Bild entsteht, wie bei einem Sammelband nicht anders zu erwarten, damit zwar nicht; die Ergebnisse können sich aber dennoch sehen lassen, gleich ob bei den einzelnen Beiträgen mehr die Inhalte der dynastischen Modelle oder die Medien, durch die diese Modelle vermittelt wurden, im Zentrum stehen.
Es lassen sich einige Schwerpunkte ausmachen: Ein großer Teil der Beiträge thematisiert die herrscherliche Rolle als Beschützer und Befreier des rechten christlichen Glaubens, sei es gegen die 'papistische' Bedrohung, wie bei Wilhelm III. von Oranien, sei es gegen die 'ungläubigen' Türken, wie bei Kaiser Leopold I. und Ludwig XIV. von Frankreich, Prinz Eugen von Savoyen, Ludwig Wilhelm von Baden und Max Emanuel von Bayern. Daneben kommen aber auch andere, teils konkurrierende Motive zur Sprache, wie die Rolle des Herrschers als Friedensfürst oder Friedensstifter. Ein Teil der Aufsätze widmet sich den gegenseitigen Wahrnehmungen von Herrschern und Dynastien bzw. den konkurrierenden Einflüssen der dynastischen Modelle der größeren auf die kleineren Herrscherhäuser. Bei den Medien liegt ein Akzent auf der Historiografie, vor allem aber auf den Schlossbauten, ein Untersuchungsgegenstand, der sich für die Erforschung der dynastischen Modelle in einer Langzeitperspektive besonders eignet, da die Schlösser von Generation zu Generation umgestaltet wurden - oder eben auch nicht!
Die zusammengetragenen Erkenntnisse sind also, wie gesagt, beachtlich, sollten aber weniger als abschließende Bemerkungen zum Thema gelesen werden denn als das Abstecken eines noch gründlich zu beackernden Forschungsfeldes. Dem Rezensenten erscheinen durch den Sammelband (bzw. durch dessen Lücken) folgende Möglichkeiten einer Erweiterung und Vertiefung des Themas vorgezeichnet:
Die Fallbeispiele der Fürstenhäuser der zweiten Reihe zeigen, dass neben den Einflüssen aus Wien oder Versailles weiterhin spezifische dynastische Traditionen relevant blieben, markieren also einen Weg, auf dem Forschung voranschreiten könnte, indem sie neben den dynastischen 'Leuchttürmen' auch die kleineren Häuser in ihren europäischen Beziehungsnetzen, aber durchaus eigengewichtig in den Blick nähme. Eine weitere mögliche und wünschenswerte Erweiterung wäre die Kooperation der historischen Forschung mit weiteren Fächern über die Kunstgeschichte hinaus, wobei unter anderem an die Musikwissenschaft oder auch die Wissenschaftsgeschichte zu denken wäre, denn Musik und Wissenschaft konnten wichtige Beiträge zur fürstlichen Repräsentation leisten. Schließlich dürfte es erhellend sein, das 16. und das spätere 18. Jahrhundert verstärkt mit einzubeziehen, um die Konzentration dynastischer Modelle in ihrer Prozesshaftigkeit und zugleich ihre Dauerhaftigkeit besser abschätzen zu können als dies den meisten Beiträgerinnen und Beiträgern des Sammelbandes mit der Fokussierung auf einen einzelnen Herrscher möglich war.
Dem vorliegenden Sammelband ist nicht vorzuwerfen, dass er diese komplexen Forschungsfelder nicht gleich alle abdecken konnte. Vielmehr ist ihm zu danken, dass er mögliche Wege zu deren Erschließung angedeutet hat. Es wäre wünschenswert, dass diese Wege zügig weiterbeschritten würden!
Anmerkungen:
[1] Vgl. beispielsweise zu den Habsburgern Henry Bogdan: Histoire des Habsbourg. Des origines à nos jours, Paris 2002; Michael Erbe: Die Habsburger 1493-1918. Eine Dynastie im Reich und in Europa (= Urban-Taschenbücher; 454), Stuttgart 2000; Heinz-Dieter Heimann: Die Habsburger. Dynastie und Kaiserreiche (= Beck'sche Reihe; 2154), 3. Aufl. München 2006; Lothar Höbelt: Die Habsburger. Aufstieg und Glanz einer europäischen Dynastie, Stuttgart 2009; sowie Esther-Beate Körber: Habsburgs europäische Herrschaft. Von Karl V. bis zum Ende des 16. Jahrhunderts (= Geschichte kompakt: Neuzeit), Darmstadt 2002. Zu den Bourbonen: La présence des Bourbons en Europe. XVI-XXIe siècles, hg. von Lucien Bély u.a., Paris 2003; Klaus Malettke: Die Bourbonen. 3 Bde., Stuttgart 2008-2009; Joseph Hugh Shennan: The Bourbons. The History of a Dynasty, London 2007; für die spanische Linie Yves Bottineau: Les Bourbons d'Espagne, 1700-1808. Paris 1993; La casa de Borbón. Familia, corte y política (= El libro de bolsillo: Historia; 4191-4192), hg. von María Victoria López-Cordón u.a., Madrid 2000.
[2] Vgl. z.B. Dynastie und Herrschaftssicherung in der frühen Neuzeit. Geschlechter und Geschlecht (= Zeitschrift für Historische Forschung; Beiheft 28), hg. von Heide Wunder, Berlin 2002; sowie Gynäkokratie. Frauen und Politik in der höfischen Gesellschaft der Frühen Neuzeit (= zeitenblicke 8, Nr. 2, [30.06.2009]), hg. von Katrin Keller, URL: http://www.zeitenblicke.de/2009/2/editorial/index_html
[3] Peter Burke: The Fabrication of Louis XIV, New Haven 1992, deutsch: Die Inszenierung des Sonnenkönigs (= Wagenbachs Taschenbuch; 412), Berlin 2001. Komplementär zu Kaiser Leopold I.: Maria Goloubeva: The Glorification of Emperor Leopold I in Image, Spectacle and Text (= Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte. Abteilung für Universalgeschichte; 184), Mainz 2000; Jutta Schumann: Die andere Sonne. Kaiserbild und Medienstrategien im Zeitalter Leopolds I. (= Colloquia Augustana; 17), Berlin 2003.
Matthias Schnettger