Laurie Brink, O.P. / Deborah Green (eds.): Commemorating the Dead. Texts and Artifacts in Context. Studies of Roman, Jewish, and Christian Burials, Berlin: De Gruyter 2008, XIV + 386 S., ISBN 978-3-11-020054-6, EUR 98,00
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Bei diesem Sammelband handelt es sich um den Abschluss eines Projektes, das neben einer Tagung vom Mai 2005 an der Divinity School der Universität von Chicago auch eine vorausgehende, zweiwöchige Feldforschung in Rom und Tunesien beinhaltete. Auch wenn die im Vorwort bemerkten (lediglich) zwei Wochen Feldforschung zunächst skeptisch machen mögen, so zeigt der Band ein erstaunlich hohes Niveau. Besonders erfreulich ist die gelungene interdisziplinäre Beleuchtung zentraler Fragestellungen, die sich mit der Erforschung der spätantiken Katakomben verbinden. Der Fokus der hier versammelten Analysen liegt auf der kaiserzeitlichen Stadt Rom, wenngleich mehrere Beiträge diese Sicht geographisch (Tunesien, Palästina) und chronologisch (in die republikanische Zeit) erweitern.
Eine allgemeine methodische Reflexion bietet die Einleitung von Richard Saller (1-7), der hierin Kritik an einer rein teleologischen Perspektive auf die spätantike Bestattungsgeschichte äußert. Einen gelungenen, wenngleich nicht erschöpfenden Überblick über die Erforschungs- und Rezeptionsgeschichte der römischen Katakomben bietet Amy Hirschfeld (11-38). Dabei unterstreicht sie die bis heute anhaltende Bedeutung der Katakombenforschung gerade für die katholische Kirche und die daraus resultierende untergeordnete Bedeutung, die die Fachwissenschaft den jüdischen Katakomben zumaß. Damit ist bereits der Themenkomplex der jüdischen Bestattungen angeschnitten, der im Band jedoch nur von einem Beitrag explizit behandelt wird: Deborah Green (145-173) beschäftigt sich mit den in antiken jüdischen Gräbern in Palästina gefundenen Parfümfläschchen und lehnt dabei die geläufige Deutung dieser Grabbeigaben als Geruchsbekämpfer von Verwesungsdämpfen ab. So überzeugend ihre Ablehnung der älteren Deutung ist, lassen doch auch Greens Lösungsvorschläge (Ehrung der Toten, persönliche Gegenstände) noch Fragen offen.
Den sich in der Emanzipation vom etruskischen Vorbild entwickelnden zwei Funktionen des antik-römischen Grabmals als Ort der familiären Identifikationsstiftung und des rituellen Totenmahls im "inneren" sowie der Repräsentation des Toten nach "außen" geht Andrew Wallace-Hadrill (39-77) am Beispiel der Grabdenkmäler in Hausform nach; dabei plädiert er für einen differenzierteren Blick auf die nur oberflächlich evidenten Parallelen zwischen Haus und Grab. Die zentrale innere Funktion des römischen Grabes als Ort des Totenmahls beleuchtet Robin Jensen (107-143), der kunsthistorische, archäologische und literarische Zeugnisse zu diesen Gelagen vergleicht. Dabei zeigt er den Zusammenhang zwischen heidnischen Darstellungen von Totenmählern und entsprechenden Szenen in den christlichen Katakomben auf. Die oftmals zu rasch erfolgte Interpretation im Rahmen christlicher Motivik kontrastiert er mit zahlreichen Belegen für die Fortführung der Praxis des Totenmahls durch spätantike Christen. Plausibel erklärt Jensen den langsamen Übergang dieses Brauchs in die Eucharistiefeier insbesondere an den Märtyrergräbern und erkennt im späten 4. Jahrhundert das Ende dieses Prozesses.
Über die Genese der römischen Columbaria und Katakomben reflektiert John Bodel (177-242). Beide neuen Grabtypen seien demnach Antworten auf den akuten Platzmangel der kaiserzeitlichen Großstadt und Bodel äußert einmal mehr Zweifel an einem Einfluss des Christentums auf die Entstehung der Katakomben. Columbaria seien dabei gegenüber den Katakomben exklusive Bestattungsorte für eine bestimmte Gruppe, wenngleich diese wie im Falle eines Patrons und seiner Freigelassenen auch sehr umfangreich sein konnte. Bei Katakomben handele es sich dagegen um offene, unbegrenzte (weil erweiterbare) Grabstätten, die keine sozialen Gruppenidentitäten bedienten, und auch innerhalb der Katakomben ließen sich kaum soziale (familiäre) oder religiöse Bindungen als Belegungskriterien nachweisen. Carolyn Osiek (243-270) fragt nach den namensgebenden Frauen zahlreicher Katakomben, deren Vornamen (etwa Domitilla, Priscilla oder Commodilla) auch dann noch Identifikationsmerkmale blieben, nachdem die Katakomben aufgrund der dort bestatteten Märtyrer bereits Pilgerstätten geworden waren.
Dem Einfluss paganer auf christliche Bildwelten möchte David Balch (273-301) am Beispiel der Darstellungen von Endymion und Jonas nachgehen. Trotz zahlreicher Abbildungen, die wie im gesamten Band monochrom gehalten sind, wurden hier nur wenige der genannten Vergleichsbeispiele abgebildet, was die Verfolgung der kunsthistorischen Argumentation erheblich erschwert, zumal kein einziges Bild einer Jonas-Darstellung gezeigt wird und nur auf einem Bild Details einer Endymion-Szene zu erkennen sind. Stärker als die anderen Beiträge des Bandes ist Susan Stevens (79-103) Aufsatz in einem stark archäologisch-beschreibenden Stil gehalten; darin gibt sie eine Zusammenfassung der Auswertung von fünf karthagischen Friedhöfen mit teilweise sehr ungewöhnlichen Fundsituationen. Allerdings wäre auch diesen Ausführungen leichter zu folgen, wenn Karten der Ausgrabungen mit den Grabfunden oder Fotos der Fundsituationen beigegeben wären. Den Abschluss des Bandes bildet der locker geschriebene Aufsatz von Margaret Mitchell (303-335), die mit der Abericus-Inschrift ein epigraphisches Fallbeispiel bietet, dessen Interpretationsgeschichte in den letzten Jahrhunderten allein schon die Bedeutung des bekannten Fundes herausstellt. Dabei plädiert sie dafür, nicht länger die Inschrift alleine in den Mittelpunkt der Debatte zu stellen, sondern die Frage nach den Fundumständen und der Materialität des Objekts - also dem Monument, das die Inschrift trug.
Freilich kann dieser Band die Geschichte der antiken Katakomben nicht erschöpfend behandeln, und gerade in der interreligiösen Vernetzung könnten weitere Forschungen die Beiträge noch um einige Aspekte bereichern. So wird etwa der unterschiedliche Zugang der Religionen zum Leichnam nicht thematisiert, obwohl der erheblich striktere Schutz des Toten nach jüdischen Vorstellungen doch ein Grund für die schlechtere archäologische Fassbarkeit dieser Bestattungen zumindest späterer Epochen darstellt.[1] Umgekehrt ist es in diesem Sammelband durchaus überzeugend gelungen, einen interdisziplinären Blickwinkel auf die behandelten Fragestellungen zu werfen. Dieser Band mag die Diskussionen um die Bestattungsbräuche der Kaiserzeit nicht abschließend klären und das Potenzial der Fragestellungen nicht ausschöpfen, doch seine praktisch durchgehend leichte Lesbarkeit macht ihn zu einem guten Einstieg ins Thema. Den einführenden Charakter unterstreicht auch die zusammenfassende Bibliographie am Schluss (341-378), die nicht nur eine Zusammenfügung zitierter Literatur, sondern Ausdruck der auch in den Beiträgen festzustellenden regen Diskussionen zwischen den Autoren und Autorinnen ist. Obgleich man sich bei zahlreichen Aufsätzen eine höhere Belegdichte gewünscht hätte, so handelt es sich doch insgesamt um einen sehr gelungenen Beitrag zur Diskussion um die Geschichte der spätantiken Bestattungsbräuche.
Anmerkung:
[1] Vgl. zuletzt etwa Barbara Scholkmann: Das Mittelalter im Fokus der Archäologie. Stuttgart 2009, 78.
Romedio Schmitz-Esser