Werner Dahlheim: Julius Caesar. Die Ehre des Kriegers und die Not des Staates, 3. Auflage, Paderborn: Ferdinand Schöningh 2011, 339 S., ISBN 978-3-506-77100-1, EUR 19,90
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Josiah Osgood: Caesar's Legacy. Civil War and the Emergence of the Roman Empire, Cambridge: Cambridge University Press 2006
Luciano Canfora: Julius Caesar. The People's Dictator. Translated from the Italian by Marian Hill and Kevin Windle, Edinburgh: Edinburgh University Press 2007
Luca Grillo: The Art of Caesar's Bellum Civile. Literature, Ideology, and Community, Cambridge: Cambridge University Press 2012
Ulrike Riemer: Die römische Germanienpolitik. Von Caesar bis Commodus, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2006
Martin Jehne: Der große Trend, der kleine Sachzwang und das handelnde Individuum. Caesars Entscheidungen, München: dtv 2009
Dieses Buch hat eine lange Geschichte. Es ist ein mit einem Vor- und Nachwort erweiterter Nachdruck der ersten Auflage von 2005, die wiederum auf einen Vorläufer von 1987 zurückgeht. Das Werk hat nicht nur in der Fachwelt, sondern auch in einer breiteren Leserschaft Anerkennung und Anklang gefunden, wobei das Urteil über eine Figur wie Caesar natürlich polarisiert. Titel und Vorwort lassen bereits eine Caesar-kritische Tendenz erkennen: Caesar habe durch die Behauptung seiner kriegerischen Ehre die Not des Staats gesteigert. Das ist eine Absage an andere Deutungen wie den Politiker, Reformer und Staatsmann oder den demokratischen Diktator und die Krise ohne Alternative.
Die Einforderung der Ehre ist spätestens seit Raaflaub als zentrales Motiv erkannt, mit dem Caesar seine Position im Bürgerkrieg rechtfertigte. [1] Aber um welche Ehre geht es: die des Kriegers oder eher die Ehre des Feldherrn und Aristokraten? Der Krieger ist für Dahlheim Kulminationspunkt: Caesar wurde in jungen Jahren die Bürgerkrone für besondere Tapferkeit verliehen; noch als Feldherr griff er zum Schwert, wenn seine Soldaten schwankten. Roms Expansion sei von ehrgeizigen Aristokraten vorangetrieben worden, die ihre Standesgenossen durch Kriegsruhm zu übertreffen suchten. Damit bricht Dahlheim, wie Christ treffend feststellt [2], mit dem antimilitaristischen Tenor, der die deutsche Geschichtsschreibung nach 1945 geprägt hat. Das ist anregend und eine willkommene Abwechslung zu Werken, die Caesars Politik primär aus der inneren Krise, dem Konflikt von Optimaten und Popularen seit Gracchus zu erklären versuchen, aber auch eine Zuspitzung und Verengung (unvermittelt ist von popularer Partei die Rede, 23). Obwohl Schlachten und Feldzüge weitgehend ausgeblendet sind, ist Kriegserfahrung für Dahlheim ein wichtiges Deutungsmuster: Der Kampf sei für Caesar Befriedigung aller Leidenschaften gewesen (14, 99, 130, 219, 330). Caesar habe die Senatoren verprellt, weil er sich in den Jahren in Gallien ans Befehlen gewöhnt hatte (162; eine gängige Einschätzung). Caesar habe an den Iden des März auf die Leibwache verzichtet, weil er als Krieger dem Tod oft ins Auge gesehen habe (244). Naheliegende Alternativen (z.B. das Bild des Tyrannen vermeiden) werden ausgeblendet.
Den Verschwörern bringt das Kapitel "Vorbilder und Märtyrer" Sympathien und Verständnis entgegen (238ff.): Caesar habe seine Gegner 44 v. Chr. gezwungen, Diener oder Mörder zu werden. Demgegenüber nimmt sich die Wahl, vor die der Senatsadel Caesar 49 v. Chr. gestellt habe, billig aus: Aufrührer oder Rentner zu werden, wo ihm doch Prozesse und Ächtung drohten. Den Mördern bescheinigt Dahlheim Opferbereitschaft und erklärt ihr Scheitern nach der Tat, das andere auf Unfähigkeit und Realitätsferne zurückführen, durch die Ablehnung von Demagogie (240). Nachdem Antonius und Octavian die Opposition durch Proskriptionen und Feldzüge vernichtet hatten, konnte laut Dahlheim Caesars Geist zufrieden sein (266), der wohl eher (wenn man bei diesem Bild bleiben will) auf seine clementia verwiesen hätte. Fortan erscheint Augustus als das positive Gegenbild zu Caesar, der durch Einfühlungsvermögen und Verhandlungsgeschick die Not des Staats überwand. Dahlheim hat ihm kürzlich eine eigene Biographie gewidmet mit dem programmatischen Untertitel: Aufrührer, Herrscher, Heiland.
Das neue Nachwort positioniert das Werk hinsichtlich Thesen und Stil in der Caesarforschung und der Historiographie - in Fortsetzung von Kapitel VII, 2. Dahlheim stellt sich in die Tradition von Mommsen und Heuss, die den Geschichtsschreiber in die Nähe der Künstler und Dichter rückten. Nicht zu Unrecht, denn seine oft gerühmte historische Prosa liest sich gut und zeichnet sich durch Anschaulichkeit aus. Aber die Akteure erscheinen auch deshalb so lebendig, weil sie oft zu Wort kommen, was unter dem Gesichtspunkt der Quellenkritik bisweilen problematisch ist. Die Zeitgebundenheit des historischen Urteils, die Dahlheim an verschiedenen Beispielen illustriert, gilt natürlich auch für ihn selbst, wenn sich Caesars Armee aus arbeitslosen Proletariern rekrutiert, der Bürgerkrieg zum Weltkrieg mutiert und Caesars Soldaten von Antonius blühende Landschaften erwarten.
Caesarfreunde werden das Buch provokant finden, aber die Auseinandersetzung mit Dahlheims pointierter Deutung lohnt in jedem Fall.
Anmerkungen:
[1] K.A. Raaflaub: Dignitatis contentio, München 1974.
[2] K. Christ: Rezension zu Werner Dahlheim, Julius Caesar, Paderborn 2005, in: Klio 89 (2007), 234-236.
Fabian Schulz