Josiah Osgood: Caesar's Legacy. Civil War and the Emergence of the Roman Empire, Cambridge: Cambridge University Press 2006, xii + 440 S., ISBN 978-0-521-67177-4, GBP 17,99
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Die späte römische Republik und der frühe Prinzipat bilden aufgrund ihrer unbestrittenen historischen Bedeutung und der außergewöhnlichen Quellendichte nach wie vor ein klassisches Analyseobjekt der Altertumswissenschaften. Die Zeit der großen Entwürfe scheint jedoch vorbei. Stattdessen versucht die Forschung wieder verstärkt über die Analyse der 'großen Einzelnen' und ihrer Pläne der Epoche neue Konturen abzugewinnen [1], in die Techniken und Formen der politischen Kultur vorzudringen und Lücken im Detail durch spezialisierte Einzelanalysen auszugleichen. Das eigentlich Prägende dieser Zeit, nämlich der entfesselte und nur kurzzeitig gebändigte Krieg, rückt dabei nicht selten in den Hintergrund. Schon allein deshalb ist es begrüßenswert, dass Josiah Osgood - im Untertitel seines Werkes deutlich markiert - den reichsweiten Bürgerkrieg zum Ausgangspunkt seiner Darstellung macht und sich dabei auf die in der jüngeren Forschung vernachlässigte "Triumviral Period" zwischen der Ermordung Caesars und der Aufrichtung des Augusteischen Prinzipats 44-29 v.Chr. konzentriert.
Was der Verfasser bietet, ist jedoch keine diskussionsgesättigte Analyse unter vermeintlich forschungsrelevanten Fragestellungen, sondern "narrative" in bester englischer Tradition - nicht ohne Grund beruft er sich mehr als einmal auf das große Vorbild Ronald Symes. Ein Blick in die Anmerkungen zeigt, dass Osgood mit der aktuellen Literatur weitgehend vertraut ist, doch drängt sich diese Vertrautheit dem Leser nicht auf, stattdessen wird er souverän durch die wesentlichen Ereignisse und Probleme der Zeit geführt und kann sich meist der (in der Regel literarisch gebrochenen) Perspektive der Zeitgenossen nähern, ohne den Blick aufs Ganze zu verlieren. Erklärtes Ziel ist es, die Wirkungen der politischen und militärischen Ereignisse auf die italische und provinziale Bevölkerung sowie deren Reaktionen auf die militärischen und politischen Entscheidungen zu eruieren. Im Ergebnis soll so ein Gesamtbild der Bürgerkriege der Triumviratszeit entstehen, welches die Handlungen und Motive der großen politischen Akteure nicht ausklammern kann, sie aber doch einordnet in das paradigmatische Panorama einer von Unsicherheit und Kriegen erschütterten Welt.
Osgood folgt dabei keiner klar formulierten These - die ihn viel zu sehr eingeengt hätte - und lässt sich auch nicht durch vorgegebene akademische Fragen in seinem Duktus beirren; stattdessen lässt er die Quellen selbst zu Worte kommen, kommentiert und interpretiert diese behutsam und arrangiert sie so, dass der Leser aus einer stets wechselnden Perspektive die Hauptereignisse 'miterlebt'. Auf diese Weise wirkt die Darstellung lebendig, aber mitunter auch diffus, zumal der Autor nicht selten zu Abschweifungen neigt, die schwer in eine klare Argumentationslinie einzuordnen sind; die eigentliche Stringenz ergibt sich häufig erst aus der Komposition der Einzelbilder und -interpretationen zu einem Gesamtbild, welches zwar nicht immer kohärent erscheint, aber gerade deshalb der Wirklichkeit vermutlich recht nahe kommt.
So beschreibt das erste große Kapitel ("Soldiers and Statesmen", 12-61) eindringlich die bohrende Ungewissheit des Jahres 44 unmittelbar nach der Ermordung Caesars anhand einer dichten Analyse von Ciceros Korrespondenz, gibt einen Einblick in die Stimmung der Hauptstadt anhand der sich häufenden prodigia und diskutiert abschließend die Vergabe von Land und Donativen an die Legionäre sowie die Ereignisse bis zum Abschluss des Triumvirats.
In den beiden folgenden Kapiteln ("Fights for Freedom", 62-107 und "Land Appropriations", 108-151) geht Osgood auf die Proskriptionen und Landkonfiskationen ein, mit denen die Triumvirn ihre Herrschaft im Westen zu konsolidieren und die Ressourcen im Kampf gegen die Caesarmörder im Osten zu mobilisieren trachteten. Auch hierbei bemüht sich der Autor erfolgreich um Multiperspektivität: Der Situation im Westen werden die harschen Konfiskationen der Caesarmörder im Osten gegenübergestellt; die einfühlsame und teilweise originelle Interpretation der 1. und 9. Ekloge Vergils wird ergänzt durch die Auswertung zweier Grabinschriften (CIL IX 1616 und X 3886) von Veteranen, welche sich nach langem Dienst im westlichen Mittelmeerraum schließlich in Italien (Capua und Benevent) ansiedeln konnten.
Die Kapitel vier, fünf und sechs ("From Discord to Harmony", 152-201; "Struggle for Survival", S. 202-250; "The New Nobility", 251-297) widmen sich wieder stärker der Ereignisgeschichte zunächst vom Perusinischen Krieg bis zum Frieden von Misenum und dann bis zur Seeschlacht von Naulochos. Auch hier gelingt es dem Autor weitgehend überzeugend, diesen Rahmen mit exemplarischen Situationsanalysen italischer und provinzialer Städte (Stratonikeia, Mylasa, Aphrodisias) zu füllen und die schwierigen politischen Entscheidungsprozesse ihrer Eliten angesichts der Forderungen der Mächtigen nachzuzeichnen. Es entsteht das Bild einer Welt im Aufruhr, eines Bürgerkrieges mit Ausmaßen eines antiken Weltkrieges, der angesichts neuer Karrierechancen (zumal für die italischen Ritter und Freigelassenen) auf der einen und der steten Gefahr des sozialen Abstieges oder Todes auf der anderen Seite ein breites Spektrum von Verhaltensmustern und entsprechenden literarischen Verarbeitungsstrategien evozierte. Aufmerksame Unruhe und taktierende Vorsicht scheinen jedenfalls verbreitetere Grundstimmungen gewesen sein als der nüchterne Wille zur pragmatischen Anpassung oder zum dienenden Opportunismus.
Im Mittelpunkt der letzten beiden Kapitel ("Sense of Promise", 298-349 und "Out of Chaos Consent", 350-403) stehen dann erwartungsgemäß die Entwicklungen in Ost und West, welche zur Entscheidung bei Actium führen und auf den militärischen Sieg Octavians folgen. Naturgemäß bestimmen jetzt die beiden römischen Hauptakteure die Darstellung, die Rolle Kleopatras wird nur insofern beleuchtet, als sie zum Objekt der Propaganda Octavians wird bzw. als Helferin des Antonius in Erscheinung tritt. Wohltuend nüchtern schildert Osgood die Mobilisierung der jeweiligen Anhänger, wobei recht schnell deutlich wird, wie konsequent Octavian die Chance nutzte, sich als Schirmherr der römischen Welt gegenüber dem östlichen Feind zu stilisieren und den Bürgerkrieg in einen Verteidigungskrieg Roms umzugestalten. Auch wenn die griechischen Eliten des Ostens dieser Version nicht folgten und von ihr auch kaum Notiz nahmen, so legte Octavian hiermit frühzeitig ein wesentliches ideologisches Fundament seiner Alleinherrschaft.
Abgeschlossen wird das Buch durch ein ausführliches Literaturverzeichnis sowie ein auf Personen und Orte konzentriertes Register. Leider fehlt eine Karte, welche das komplexe Geschehen und die häufigen Perspektivwechsel verortet hätte.
Alles in allem bietet Osgood eine aspektreiche Darstellung der Triumviratszeit, die durch ihre gekonnte Integration einer Fülle unterschiedlicher Quellen, ihren elegant unaufdringlichen Stil und den geschickt inszenierten Wechsel von raffenden Überblicken und exemplarischer Detailinterpretation besticht. Wertende Urteile richten sich selten auf Personen, sondern fast durchweg auf Zustände und Konstellationen. Die Stärke seines Buches liegt deshalb auch weniger im argumentativen Räsonnement als vielmehr in der multiperspektivischen Durchdringung einer komplexen Thematik und dem 'fresh look' auf scheinbar vertraute Phänomene. Grundlegend Neues war hierbei nicht zu erwarten und hat der Autor auch nicht versprochen. Des Weiteren wird die Forschung im Einzelnen manches anders sehen oder gewichten. Dies ficht den Autor jedoch nicht an. Sein eigentliches Verdienst ist es, verschiedene Perspektiven (wie z.B. die der Provinzialen, der Italiker und der Juden), welche die jüngere Forschung eher separat zu behandeln pflegt, vergleichend zusammengeführt zu haben und damit die Bedeutung der Bürgerkriege als eines mediterranen Ereignisses von fundamentaler Tiefenwirkung auf alle Zeitgenossen wieder ins Blickfeld der Forschung gerückt zu haben. Es bleibt zu hoffen, dass von einer solchen Zusammenschau auch die Spezialforschung manche Impulse erfährt.
Anmerkung:
[1] Naturgemäß richtet sich das Hauptinteresse auf die beiden Hauptkonkurrenten Antonius und Octavian/Augustus; vgl. z.B. Simon Benne: Marcus Antonius und Kleopatra. Machtaufbau, herrschaftliche Repräsentation und politische Konzeption, Göttingen 2001. Klaus Bringmann: Augustus, Darmstadt 2007.
Raimund Schulz