Steven J. Brady: Eisenhower and Adenauer. Alliance Maintenance under Pressure, 1953-1960 (= The Harvard Cold War Studies Book Series), Lanham, MD: Lexington Books 2010, XI + 277 S., ISBN 978-0-7391-4225-7, USD 83,99
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Philipp Scherzer: Neoconservative Images of Europe. Europhobia and Anti-Europeanism in the United States, 1970-2002, Berlin: De Gruyter 2022
Der Titel der in der von Mark Kramer herausgegebenen, renommierten Reihe erschienenen Studie weckt die Erwartung einer komparativen Betrachtung der beiden Protagonisten. Stattdessen beschreibt der Autor die amerikanisch-(west)deutschen Beziehungen in der Ära des Präsidenten Dwight D. Eisenhower. Dabei berücksichtigt er immerhin stärker als andere Autoren den Einfluss der sowjetischen Außenpolitik. Brady eröffnet seine Darstellung mit der Feststellung, die bilateralen Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik hätten das Herz der Atlantischen Allianz gebildet ("at the heart of that alliance was the bilateral relationship", 1). Die gegenwärtige Affäre um die Überwachung des Fernmeldeverkehrs durch die amerikanische National Security Agency zeigt, wer die eigentlichen, engen Verbündeten der Vereinigten Staaten sind: Großbritannien und dessen anglofone Deszendenten Kanada, Australien und Neuseeland. Umso mehr galt das kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Kein Wunder mithin, wenn Washington mit London 1955 Kompromisse vereinbarte, die der widerstrebende Bundeskanzler Konrad Adenauer zu schlucken hatte, obwohl die Bundesrepublik eben halbwegs souverän geworden war, wie Brady selbst zeigt (120).
Die Nordatlantische Allianz war eine Gründung der angelsächsischen Seemächte. Bis heute spielen sie hier die Hauptrolle, auch wenn sich die relative wirtschaftliche Schwäche der Briten und Franzosen - namentlich nach dem Austritt Frankreichs aus der Militärorganisation 1966 - in einem zwangsläufig wachsenden Einfluss der Bundesrepublik im Bündnis niederschlug. Dabei trieb auch Adenauers Nachfolger die vom Autor beschriebene Sorge vor einem Arrangement der Vereinigten Staaten mit der Sowjetunion um, das zu Lasten der Bundesrepublik hätte gehen oder diese gar einem vorherrschenden sowjetischen Einfluss hätte unterwerfen können. Auch wenn man Adenauer ein grundsätzliches, eher langfristiges Interesse an einer Wiedervereinigung nicht absprechen sollte - ein in der zeitgenössischen westdeutschen Öffentlichkeit stets virulenter Vorwurf -, überschätzt Brady dieses Interesse infolge seines diplomatiegeschichtlichen Schwerpunkts. Auch dem Bundeskanzler war klar, dass sich die Sehnsucht der Westeuropäer nach einem geeinten Deutschland eher in Grenzen hielt. Es ging Adenauer - und seinen Nachfolgern - stets darum, dass Westdeutschland weder politisch und schon gar nicht militärisch von den Vereinigten Staaten abgekoppelt wurde. Anders ist der Widerwille Kurt Georg Kiesingers gegen den Nichtverbreitungsvertrag und das Engagement Helmut Schmidts sowie Helmut Kohls für den Doppelbeschluss der NATO von 1979 gar nicht zu verstehen. Abgesehen von der Notwendigkeit, für die Wiedervereinigung einzutreten, war das einschlägige Gebot des Grundgesetzes auch ein Instrument Adenauers, das Sicherheitsinteresse der Bundesrepublik in den Prozess der deutschlandpolitischen Überlegungen Washingtons einzubringen. Dass die jeweiligen Machthaber in Ost-Berlin ähnliche Sorgen hinsichtlich der Sowjetunion hegten, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Dagegen ist der Rezensent geneigt, die Bedeutung der Wiedervereinigung, wie überhaupt von Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik, für die Wahlentscheidung der Westdeutschen nicht sehr hoch zu bewerten. Immerhin zeigt Brady, dass die amerikanische Diplomatie in Adenauer auch dann den besseren Sachwalter ihrer Interessen sah als in seinen sozialdemokratischen Herausforderern, wenn ihnen dieser gelegentlich mit seinen Mahnungen und Warnungen auf die Nerven fiel. Folgerichtig versuchte sie seine Wiederwahl zu fördern.
Ohne Zweifel hat der Autor eine detailreiche und gut recherchierte Studie vorgelegt. Ob sie wirklich eine Lücke füllt, weil die deutsch-amerikanischen Beziehungen der Eisenhower-Ära im Vergleich zu denen während der Truman-Ära weniger gut aufgearbeitet seien (4), erscheint dem Rezensenten fraglich. Immerhin bescheinigt der einschlägig ausgewiesene amerikanische Historiker Thomas A. Schwartz dem Autor im Klappentext, bislang hätten die Historiker die Gründungsgeschichte des deutsch-amerikanischen Bündnisses nur unzureichend behandelt. Eine wirklich neue These ist aber nicht ersichtlich; zumal Brady ziemlich abrupt und ohne schlüssige interpretative Synthese mitten in der Berlinkrise - eben mit Ende der Präsidentschaft Eisenhowers im Dezember 1960 - endet. Der amerikanische Leser mag die Darstellung gleichwohl als anregenden Überblick empfinden.
Nichtsdestoweniger hat der Rezensent zahlreiche ihm bislang unbekannte oder zumindest so bisher nicht gesehene Aspekte entdeckt. Zum Beispiel zeigte sich schon erstaunlich früh, spätestens nach der erfolglosen Genfer Konferenz von 1955, dass das sture Festhalten der Bundesregierung am Alleinvertretungsanspruch und die Verweigerung jeglicher Gespräche mit der DDR schon mittelfristig nicht durchzuhalten war. Die westlichen Verbündeten waren immer weniger bereit, ihrer Ostpolitik Bonner Fesseln anlegen zu lassen. Angesichts der amerikanischen Forderung nach Flexibilität überlegte schon Adenauer mit seinen Gehilfen Ende der 1950er Jahre, ob nicht eine provisorische Akzeptanz der DDR möglich wäre. Es sollte noch rund eine Dekade dauern, bis Willy Brandt die Hallstein-Doktrin endgültig aufgab. Erst nach seinem Rückzug aus dem Amt reagierte Adenauer auf die Tatsache, dass die Kennedy-Administration nach der Kubakrise die Sowjetunion faktisch als Kontrahenten auf Augenhöhe akzeptierte, mit der sie die Verantwortung für das Schicksal der Menschheit teilte. Überrascht notierten die Granden der CDU, dass der greise Altkanzler 1966 "Sowjet-Russland" attestierte, es sei nun auch in den Kreis der friedliebenden Völker eingetreten.
Spannender als die bloße Schilderung der deutsch-amerikanischen Beziehungen wäre die Frage gewesen, wie die beiden Politiker sich vor dem Hintergrund ihrer unterschiedlichen Sozialisation und unterschiedlichen Erfahrungen der kommunistischen Herausforderung stellten, welche Ziele und Überzeugungen sie teilten und wie die gänzlich unterschiedliche Interessenlage der von ihnen regierten Staaten ihr Handeln bestimmte. Der ehemalige Kommunalpolitiker der Weimarer Republik betrachtete es als Vorteil, nie Soldat gewesen zu sein. Gleichwohl setzte er die Bewaffnung der Bundesrepublik durch, um sie in der Allianz demokratischer Staaten zu verankern. Danach strebte er die atomare Bewaffnung der Bundeswehr an. Major Eisenhower hatte 1932 an der blutigen Auflösung einer Kundgebung von Veteranen des Ersten Weltkrieges in Washington mitgewirkt. Seine Erfolge als alliierter Oberbefehlshaber im Zweiten Weltkrieg ebneten ihm den Weg ins Präsidentenamt. Hier warnte er sein Land vor dem militärisch-industriellen Komplex, in dem er eine Gefahr für die Demokratie sah. Bemüht um größere Investitionen in Erziehung, Wissenschaft und Bildung billigte er die vermeintlich kostengünstige Nuklearisierung der Kriegführung und suchte zugleich nach Wegen, um das Wettrüsten unter Kontrolle zu bringen, was sein westdeutscher Partner mit misstrauischen Argusaugen betrachtete. Ihnen gegenüber stand Nikita Chruschtschow wie seine beiden westlichen Gegenspieler war er ein Politiker mit Überzeugung, kein reiner "Machterhalter" wie sein Nachfolger. Er wiederum hoffte, mit mehr Atomraketen und weniger Soldaten beides zu schaffen: die Einlösung kommunistischer Wohlstandsverheißungen und die Anerkennung als gleichberechtigte Supermacht. Vor dem Hintergrund seiner Sozialisierung als stalinistischer Funktionär, der es aus kleinsten Verhältnissen an die Spitze einer Weltmacht schaffte, trieb Chruschtschow eine bemerkenswert innovative Außenpolitik, die neben Adenauer und Eisenhower die gesamte westliche Sicherheitsgemeinschaft in Atem hielt.
Dieter Krüger