Christian Heideck: Zwischen Ost-West-Handel und Opposition. Die Japanpolitik der DDR 1952-1973 (= Monographien, herausgegeben vom Deutschen Institut für Japanstudien; Bd. 57), München: Iudicium 2014, 329 S., ISBN 978-3-86205-045-1, EUR 38,00
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Die DDR und Japan hatten kaum Berührungspunkte. Weder für den ostdeutschen Teilstaat in der Mitte Europas noch für den ostasiatischen Inselstaat war der jeweils andere von besonders großer Bedeutung. Daher verwundert es nicht, dass die ostdeutsch-japanischen Beziehungen bisher noch kaum erforscht sind. Gleichwohl liegt inzwischen eine Dissertation von Christian Heideck zur Japanpolitik der DDR zwischen dem Jahr der japanischen Souveränität 1952 und der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen beiden Staaten 1973 vor.
Die Arbeit beruht auf der umfassenden Auswertung der - oftmals japanischen - Forschungsliteratur und vor allem von Archivalien ostdeutscher Provenienz, insbesondere aus den Beständen der Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR und dem Bundesarchiv. Hinzu kommen die Bestände aus dem Politischen Archiv des Auswärtigen Amts, wo Heideck sowohl die Akten des ostdeutschen Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten (MfAA) als auch die des westdeutschen Auswärtigen Amts benutzt hat (die edierten Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland sind ihm allerdings entgangen). Japanische Quellen waren Heideck demgegenüber nur in sehr beschränktem Umfang zugänglich, weshalb die Studie auch weitgehend aus der Perspektive Ost-Berlins geschrieben ist.
Als der zwischen Japan und seinen Kriegsgegnern geschlossene Frieden von San Francisco 1952 in Kraft trat, wurden die Vertretungen der Bundesrepublik in Japan und die Japans in der Bundesrepublik zu Botschaften aufgewertet. Japan, das sicherheitspolitisch völlig von den Vereinigten Staaten abhängig war, legte sich damit auf die Unterstützung der bundesdeutschen Deutschlandpolitik und auf die Nichtanerkennung der DDR fest. Die westdeutsch-japanischen Beziehungen festigten sich in den folgenden Jahren stetig, insbesondere aufgrund der sich ausweitenden Handelsbeziehungen zwischen beiden der westlichen Hemisphäre angehörenden Staaten. Dabei kam, wie Heideck darlegt, Bonn Tokyo entgegen, indem es Einfuhrbeschränkungen gegenüber japanischen Waren abbaute und Japan bereits Anfang der 1950er Jahre die Meistbegünstigung gewährte. Weitere Handelserleichterungen für Japan folgten im Rahmen der GATT-Verhandlungen in den 1960er Jahren. Schließlich wurde Tokyo zur Absicherung seiner handelspolitischen Interessen gegenüber der Europäischen Gemeinschaften immer mehr von Bonn abhängig. Vor diesem Hintergrund hielt sich die japanische Politik, insbesondere aber das dortige Außenministerium uneingeschränkt an die Linie der Nichtanerkennung der DDR.
Ansatzpunkte für die DDR ergaben sich zunächst bei der Bewegung gegen Atom- und Wasserstoffbomben, zu deren Weltkonferenzen in Japan sie 1959, 1960 und 1961 Delegationen entsenden konnten, und über den Gewerkschaftsverbund Sohyo, der 1955 mit dem FDGB Beziehungen aufnahm. Insgesamt hatte die DDR, so Heideck, damit in den 1950er Jahren mit dem "Aufbau eines überschaubaren Netzwerks" begonnen (79). Ende der 1950er Jahre intensivierten sich zwar die Beziehungen, aber sie wurden weiterhin durch die Bundesrepublik und ihre Verbündeten behindert, so etwa als der FDGB-Vorsitzende Herbert Warnke 1960 nicht nach Japan einreisen durfte, weil britische Stellen seine Durchreise über Hongkong verhinderten.
1964 wurde in zweifacher Hinsicht zu einem Wendepunkt in den ostdeutsch-japanischen Beziehungen. Denn zum einen kam es damals zum Bruch zwischen der nach Peking ausgerichteten Kommunistischen Partei Japans (KPJ) mit der KPdSU, die sich nun zunehmend der sozialistischen Partei Japans (SPJ) annäherte. Diese wiederum driftete, insbesondere nach Abspaltung des gemäßigten Flügels, der - unter Mithilfe der CIA - seit 1960 die Demokratische Sozialistische Partei (DSP) bildete, nach links und geriet immer mehr ins sowjetische Fahrwasser. Die SED folgte im Wesentlichen dem Kurs der KPdSU, näherte sich der SPJ an und lud 1965 sogar Wissenschaftler der "Sozialistischen Aktion" aus dieser Partei ins Institut für Marxismus-Leninismus nach Ost-Berlin ein. Die zwar geschwächte, aber auf staatssozialistischem Kurs befindliche SPJ änderte nun auch ihren deutschlandpolitischen Standpunkt und legte sich auf die Existenz von zwei deutschen Staaten fest.
Zum anderen teilte im Spätsommer 1964 ein Mitarbeiter des japanischen Außenministeriums einem sowjetischen Botschaftssekretär mit, dass man bereit sei, eine ostdeutsche Handelsdelegation in Tokyo zu empfangen. Diese Mitteilung ist freilich nur indirekt aus Akten des DDR-Außenministeriums überliefert; da Heideck keine einschlägigen japanischen Akten vorlagen, kann er auch nichts zu diesem Wandel der Auffassung im dortigen Außenministerium sagen. Die DDR, deren Handel mit Japan auch im Vergleich zu anderen europäischen Ostblockstaaten unterentwickelt war, startete nun entsprechende Initiativen, schickte im Oktober auch eine Handelsdelegation nach Tokyo, die Gespräche führte und Vorschläge für das weitere Vorgehen gegenüber Japan unterbreitete. Trotz des nun auch vom SED-Politbüro verfolgten Kurses einer Ausweitung der ostdeutsch-japanischen Kontakte - einer Linie, die von einzelnen japanischen Konzernen und auch vom dortigen Handels- und Industrieministerium unterstützt wurde - kam man nicht gegen das japanische Außenministerium an, das weiterhin den Beziehungen zur Bundesrepublik absolute Priorität beimaß. Wenngleich Ost-Berlin 1965 anscheinend kurz davor stand, in Tokyo eine Kammervertretung - und nicht eine "Handelskammer" (177) - einzurichten, blieb es bei der Absicht, auch wegen der langwierigen Arbeitsabläufe im Ost-Berliner Ministerium für Außen- und Innerdeutschen Handel.
Wenngleich 1964/65 die DDR erste positive Signale aus Japan registrieren konnte, kam es erst 1968/69 zu sichtbaren Verbesserungen im bilateralen Verhältnis. Dies drückte sich zum einen in einer Kooperation der ostdeutschen Kammer für Außenhandel (KfA) mit der japanischen "Soviet and East European Trade Association" aus - einer Vereinigung, der 30 führende japanische Unternehmen angehörten. Ab 1969 konnten zwei ostdeutsche KfA-Funktionäre dauerhaft in Tokyo stationiert werden, auch wenn das Außenministerium weiterhin darauf bedacht war, den provisorischen Charakter von deren Präsenz zu betonen. Die Wirtschaftsbeziehungen nahmen nun endlich einen Aufschwung: Das Außenhandelsvolumen zwischen beiden Staaten stieg von 2,3 Mio. US-Dollar im Jahre 1965 auf 53 Mio. im Jahre 1970. Freilich handelte es sich nicht um einen stabilen Anstieg, da dieses 1971 wieder auf 43 Mio. zurückging. Parallel dazu wurden die Beziehungen FDGB-Sohyo im Zeichen der auch in der japanischen Opposition um sich greifenden Proteste gegen den Vietnamkrieg ausgeweitet und der Annäherungsprozess zwischen SPJ und SED intensiviert, so dass die SPJ im September 1969 sogar einen Vorstandsbeschluss zur Anerkennung der DDR fasste. Die Freundschaftsbewegung für die DDR in Japan war dabei allerdings keine sehr große Hilfe, da sie weiterhin in 17 einzelne Freundschaftsgesellschaften zersplittert blieb. Eine Anerkennungsbewegung nennenswerten Ausmaßes gab es daher nicht: Heideck verweist darauf, dass im Oktober 1972 lediglich 15.273 Unterschriften für die Anerkennung der DDR gesammelt werden konnten. Deren Anerkennung durch Japan kam daher am 15. Mai 1973 nicht infolge von ostdeutschen Aktivitäten in dem Inselstaat, sondern infolge des "internationalen Entspannungsklimas" (236) zustande. Dabei versäumt Heideck es allerdings, den Zusammenhang zwischen den deutsch-deutschen Verhandlungen und der internationalen Anerkennung Ost-Berlins zu verdeutlichen.
Insgesamt handelt es sich um eine solide Untersuchung, die eine weitere Anerkennungsgeschichte, diesmal für einen westlich ausgerichteten asiatischen Staat, erzählt und dabei den eurozentrisch ausgerichteten Leser auch in die japanische Nachkriegsgeschichte einführt. Abschließend stellt sich freilich die Frage, warum Heideck mit seiner Untersuchung 1973 aufhört. Hätte er seinen Text etwas gestrafft, wäre es sinnvoll gewesen, die Untersuchung bis 1989 fortzusetzen, denn erst zu Beginn des letzten Jahrzehnts der DDR kamen die Beziehungen mit der Reise Erich Honeckers nach Japan im Mai 1981 richtig in Fahrt. Außerdem stellt der Autor fast nie die Frage nach der Relevanz der Japanpolitik für die Außenpolitik der DDR insgesamt. Schließlich trägt ein hölzerner, zu langen Sätzen neigender Stil dazu bei, dass die Lektüre des Buches alles andere als ein Lesevergnügen darstellt. Lästig ist in diesem Zusammenhang auch der doppelte Anmerkungsapparat: Auf Forschungsliteratur wird durch Nennung von Autor, Jahreszahl und Seitenzahl in Klammern im fortlaufenden Text verwiesen, während Archivangaben in Endnoten gemacht werden. Falls es sich dabei um Vorgaben der Reihe handeln sollte, wäre es sinnvoll, diese möglichst bald zu revidieren.
Hermann Wentker