Gregory F. Domber: Empowering Revolution. America, Poland, and the End of the Cold War (= The New Cold War History), Chapel Hill, NC / London: University of North Carolina Press 2014, XVII + 392 S., ISBN 978-14696-1851-7, USD 39,95
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Wer von diesem Buch eine triumphalistische Erfolgsgeschichte des US-amerikanischen Demokratieexports nach Osteuropa erwartet, wie sie eine oberflächliche Lesart des Titels nahelegen könnte, wird enttäuscht werden. Mit seiner fein abwägenden Analyse der polnisch-amerikanischen Beziehungen in den 1980er Jahren distanziert sich Gregory F. Domber klar von simplifizierenden Deutungen, die Ronald Reagan und seiner vermeintlichen "moral leadership" eine zentrale Rolle für das Ende des Kalten Krieges zuschreiben. Am Beispiel Polens, dem mit der oppositionellen Massenbewegung Solidarność eine Pionierrolle für die Systemtransformation von 1989 zukam, lenkt er das Augenmerk vielmehr auf lokale Dynamiken unterhalb der globalen Konfliktstellung der Supermächte und zeigt damit die Grenzen und gelegentlichen Irrwege klassischer amerikanischer Außenpolitik auf. Zugleich hebt er die positiven Effekte von nicht- oder halboffiziellen Kontakten auf gesellschaftlicher Ebene hervor, insbesondere der humanitären Hilfe und der beträchtlichen finanziellen Unterstützung der USA für die polnische Oppositionsbewegung.
Dombers Studie setzt Maßstäbe für die neue Diplomatiegeschichte, indem sie weit über den traditionellen Arkanbereich zwischenstaatlicher Beziehungen hinausgreift und diese überzeugend in ihren gesellschaftlichen Kontext einbettet. Dies spiegelt sich in der beeindruckend breiten Quellengrundlage wider, die auch das Fehlen weiterhin klassifizierter Teilbestände der offiziellen US-Überlieferung verschmerzen lässt: Neben der weitestgehend zugänglichen staatlichen Überlieferung auf polnischer Seite zieht Domber Dokumente einer Vielzahl von amerikanischen und polnischen zivilgesellschaftlichen Institutionen sowie eine Reihe von Oral-History-Interviews mit profilierten Akteuren der polnisch-amerikanischen Beziehungen heran. Die Früchte seiner umfangreichen Recherchen verarbeitet er zu einer hervorragend komponierten Darstellung, die mit dem internationalen Kontext der Verhängung des Kriegsrechts Ende 1981 einsetzt und mit der Bildung der ersten nichtkommunistischen Regierung Mazowiecki im Sommer 1989 endet. Trotz des bilateralen Fokus der Studie gewichtet Domber den Einfluss der US-Politik konsequent gegenüber internen polnischen Entwicklungen sowie gegenüber der Rolle der Sowjetunion und Westeuropas - und kommt dabei zu aufschlussreichen Ergebnissen.
Schon die Reaktionen der USA auf die Einführung des Kriegsrechts durch General Jaruzelski im Dezember 1981, die in der von Reagan im Alleingang verkündeten Verhängung von Wirtschaftssanktionen gegen Polen und die Sowjetunion mündeten, stellt Domber keineswegs als Glanzleistung der einige Monate zuvor ins Amt gekommenen Reagan-Administration dar. Er problematisiert vor allem die "mixed messages" (21), die die Amerikaner im Vorfeld der Einführung des Kriegsrechts aussandten: Die eindeutigen Warnungen von US-Vertretern galten noch bis Anfang Dezember 1981 allein einer befürchteten sowjetischen Intervention, sodass die polnischen Emissäre den Eindruck gewinnen konnten, dass die USA eine innerpolnische Krisenlösung mit militärischen Mitteln als kleineres Übel akzeptieren würden. Dieser Befund wiegt umso schwerer, als die Amerikaner dank der Berichte des in die Vorbereitungen für das Kriegsrecht involvierten polnischen Oberst Ryszard Kukliński an die CIA bestens über die polnischen Pläne informiert waren. Nachdem dieser Anfang November 1981 als Spion enttarnt worden und in die USA geflüchtet war, durfte die polnische Führung das fortwährende Schweigen der Amerikaner mit guten Gründen als stillschweigendes Einverständnis interpretieren. Die überraschend scharfe Reaktion Reagans auf die gewaltsame Zerschlagung der Solidarność empfand Jaruzelski deshalb als tiefen Vertrauensbruch, der die polnisch-amerikanischen Beziehungen in den folgenden Jahren überschatten sollte.
Dass Reagans Alleingang auch bei den westeuropäischen Verbündeten der USA, insbesondere in Bonn, zu erheblichen Irritationen führte und von diesen nicht mitgetragen wurde, entgeht Domber ebenfalls nicht. Sein Hauptaugenmerk gilt jedoch weniger den Spannungen innerhalb des nordatlantischen Bündnisses, als vielmehr den Aushandlungsprozessen zwischen Neokonservativen und Pragmatikern innerhalb der Reagan-Administration. Indem er die feurige Kalte-Kriegs-Rhetorik des Präsidenten mit den pragmatischeren Ansätzen interner außen- und sicherheitspolitischer Direktiven in Beziehung setzt, kommt Domber auch hier zu einem differenzierten Urteil. Vor allem die kostenträchtige und innenpolitisch unpopuläre Entscheidung Reagans, einen Staatsbankrott Polens trotz kaum überbrückbarer Zahlungsschwierigkeiten vermeiden zu helfen, deutet er als Erfolg der Pragmatiker im State Department. Es fällt jedoch auf, dass die für die Beziehungen Polens mit dem Westen in den 1980er Jahren so zentralen ökonomischen Fragen in Dombers Darstellung insgesamt eher unterbelichtet bleiben. Waren die Verhandlungen um Umschuldungspläne und neue Kredite, von denen die polnischen Kommunisten elementar abhängig waren, für die Entwicklung der bilateralen Beziehungen nicht doch wichtiger als die von Domber akzentuierten Emotionen zwischen Staatsführern?
Insgesamt bewertet Domber die Effekte der US-Wirtschaftssanktionen skeptisch: Anstatt eine Reduzierung der Repression in Polen zu erzwingen, sorgten diese nur für eine verstärkte ökonomische Hinwendung des Jaruzelski-Regimes zu seinen Partnern im Ostblock. Die Lockerung des Kriegsrechts und die erste große Amnestie für politische Gefangene von 1984 führt Domber primär auf innenpolitische Erwägungen der polnischen Kommunisten zurück, und auch für die allgemein als Wendepunkt betrachtete zweite Amnestie von 1986 relativiert er verbreitete Forschungsmeinungen, wonach diese in erster Linie auf amerikanischen Druck hin zustande gekommen sei. Von überragender Bedeutung für die reformorientierte Wende Jaruzelskis sei vielmehr der Liberalisierungskurs Gorbatschows gewesen. Zudem arbeitet er minutiös heraus, dass auch der Einfluss der Westeuropäer, die bereits erste wichtige Signale für eine politische und wirtschaftliche Wiederannäherung gesetzt und diese mit klaren Forderungen zur Einhaltung von Menschenrechten verknüpft hatten, in dieser Phase höher zu gewichten ist als die anhaltende Verweigerungshaltung der USA. Schließlich revidiert Domber auch noch die Selbstdarstellung des Reagan-Nachfolgers George Bush, im turbulenten Sommer 1989 als Katalysator des Wandels in Osteuropa gewirkt zu haben: Anstatt den Wandel in Polen zu beschleunigen, verfolgte die Bush-Administration vielmehr eine stabilitätsorientierte Linie. So teilte Bush die Bedenken der polnischen Kommunisten vor allzu weitgehenden Zugeständnissen an die sozialpolitischen Forderungen der Solidarność und unterstützte aktiv die Wahl von General Jaruzelski in das am Runden Tisch neu geschaffene Amt des Staatspräsidenten (237-252). Anstatt sich entschieden für einen wirtschaftlichen Neuanfang in Osteuropa zu engagieren, versuchten die Amerikaner zunächst, den Großteil der finanziellen Lasten der Transformation auf die Westeuropäer abzuwälzen.
Dombers Bilanz der US-Außenpolitik gegenüber dem spätsozialistischen Polen fiele mithin recht bescheiden aus, wenn er nicht die millionenschwere Finanzhilfe aus den USA für die demokratische Oppositionsbewegung mit Nachdruck als höchst erfolgreiche Strategie der Demokratieförderung hervorheben würde. Während die Solidarność in den ersten Jahren vor allem auf Unterstützung von westeuropäischen Gewerkschaften und der US-Gewerkschaftszentrale AFL-CIO zählen konnte, entfielen ab 1984 immer größere Anteile der westlichen Unterstützung auf amerikanische Staatsmittel, die über das neugegründete National Endowment for Democracy (NED) und ein Netz von Nichtregierungsorganisationen klandestin nach Polen geleitet wurden. Dombers akribische Auflistung der über 9 Mio. US-Dollar, die in den Jahren 1984-1989 aus NED-Mitteln an die polnische Opposition flossen, ist in der Tat beeindruckend.
Die positiven Helden dieses Buches sind folglich die polnischen Oppositionellen, denen Domber den wesentlichen Anteil am Sturz des polnischen Staatssozialismus zuschreibt, sowie die moderaten Kräfte im State Department und in der US-Botschaft in Warschau, die sich die Sache der polnischen Opposition in teils erstaunlichem Maße zu eigen machten. So staffierte der seit 1985 amtierende stellvertretende US-Außenminister John Whitehead sogar sein Büro in Washington mit Solidarność-Devotionalien aus. Der interessanten Frage, was diese beiden Gruppen verband und wie es eigentlich dazu kommen konnte, dass der vormalige Goldman-Sachs-Chef Whitehead sich mit einer auf Arbeiterselbstverwaltung ausgerichteten Gewerkschaftsbewegung identifizierte, geht Domber leider nicht nach. Hier hätte sich die Chance geboten, Dombers These des "Empowering Revolution" noch ein wenig zu schärfen: Zwar leuchtet es ein, dass mit der US-Finanzhilfe für die Opposition keinerlei direkte politische oder inhaltliche Einflussnahme verbunden war, da sie über ein mehrstufiges Netz von Mittelsleuten an die polnischen Aktivisten floss. Allerdings räumt Domber in seinem konzisen Fazit selbst ein, dass diese finanzielle Unterstützung durchaus selektiv war und nur dem gemäßigten Spektrum der Opposition zugutekam (278-280). Dass er dennoch an dem Titel "Empowering Revolution" festhält, obwohl die amerikanische Unterstützung eindeutig nicht den Revolutionären, sondern dem reformistischen Teil der Oppositionseliten galt, trägt leider dazu bei, diesen wichtigen Befund ein wenig zu verdecken.
Ungeachtet dessen zeigt Dombers Buch überzeugend, dass die USA ihren Sieg im Kalten Krieg keineswegs Reagans antikommunistischem Säbelrasseln zu verdanken hatten. Vielmehr würdigt es in wohltuender Klarheit und Nüchternheit die Verdienste der polnischen Opposition und die Entspannungspolitik Gorbatschows. Umso drängender wirft diese herausragende Studie freilich die Frage auf, warum dann ausgerechnet Reagan und der von ihm so wortmächtig vertretene Marktradikalismus nach dem Ende des Kalten Krieges den Wettbewerb der gesellschaftlichen Leitbilder gewannen - auch und gerade in Polen.
Florian Peters