Markus Friedrich / Alexander Schunka (eds.): Reporting Christian Missions in the Eighteenth Century. Communication, Culture of Knowledge and Regular Publication in a Cross-Confessional Perspective (= Jabloniana. Quellen und Forschungen zur europäischen Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit; Bd. 8), Wiesbaden: Harrassowitz 2017, 196 S., ISBN 978-3-447-10825-6, EUR 52,00
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Im Zuge der Hinwendung zu Fragen von Verflechtung und Austausch ist die Geschichte der außereuropäischen Missionen zunehmend ins Interesse der Geschichtswissenschaften gerückt. Der vorliegende Sammelband zur Missionsgeschichte stellt freilich andere Themen in den Mittelpunkt, nämlich die Mediengeschichte und die durch diese sich entwickelnden Wissenskulturen. Zu Missionszeitschriften und publizierten Missionsberichten liegen inzwischen einige Forschungen vor. Diese beziehen sich aber zu einem großen Teil auf das 19. Jahrhundert als "Jahrhundert der Mission". Der von Markus Friedrich und Alexander Schunka herausgegebene Sammelband beschränkt sich bewusst auf die Missionen des 18. Jahrhunderts, als Zeitschriften zu einem bedeutenden Medium wurden und als europäisch-außereuropäische Kontakte begannen, die europäischen Wissenskulturen zu prägen. In diesen Wissenskulturen werden dann auch wieder Austausch und Verflechtung deutlich, zumindest in ihren Wirkungen innerhalb Europas.
Der Band ist konfessionsvergleichend angelegt und fügt damit der Forschung zur Missionsgeschichte, die weitgehend auf jeweils eine Konfession beschränkt bleibt, einen wichtigen Aspekt hinzu. Allerdings sind auch hier die einzelnen Beiträge in der Regel nicht konfessionsvergleichend. Erst in der Zusammenschau der verschiedenen Aufsätze zeigen sich konfessionelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Ein die Einleitung ergänzendes konkludierendes Kapitel, das Schlussfolgerungen aus dem Zusammentragen der unterschiedlichen Aspekte zieht, hätte den Band abrunden können.
Ein dritter Aspekt zeichnet diesen Sammelband aus: Es werden nicht nur Missionszeitschriften untersucht, sondern auch andere Periodika, in denen über Mission berichtet wurde. Damit wird die Perspektive wesentlich erweitert, spielen doch bei Forschungen zur Missionspublikation meistens nur die expliziten Missionsveröffentlichungen eine Rolle und Forschungen zu anderen religiösen Zeitschriften stellen zumeist nicht die Mission in den Mittelpunkt. Die in diesem Band versammelten Beiträge zeigen, wie konfessionelle Identität, Missionsinteresse und -unterstützung und europäische Wissenskulturen durch diese Veröffentlichungen auf allen Ebenen gefördert wurden.
Die Einleitung der beiden Herausgeber stellt verschiedene Thesen vor, die in dem Band untermauert werden. Dazu gehört neben den oben genannten Zugängen eine wichtige Ergänzung zu den bisher in der Forschung vertretenen Auffassungen zur Zielsetzung von Missionszeitschriften. Laut den Herausgebern - und dies wird in mehreren Beiträgen, insbesondere zur katholischen Mission, bestätigt - stand neben Funktionen wie der Werbung um Unterstützung für die Mission die Gemeinschaftsbildung im Vordergrund. Dies galt sowohl für die Stärkung der konfessionellen Identität als auch für die Gemeinschaft von Menschen, Missionaren und Missionierten, in Europa und in weit entfernten außereuropäischen Ländern. In ihrer Gesamtschau zeigen die Beiträge zudem, wie unterschiedlich Berichte aus den Missionsgebieten aufgenommen und weiterverbreitet wurden. Von dem mehr oder weniger wörtlichen Abdruck von Briefen von Missionaren und indigenen Christen bis zur kommentierenden Zusammenfassung war alles gegeben.
Der Band fokussiert auf die Zeit zwischen 1700 und 1760, mithin die Epoche, in der das Zeitschriftenwesen in Europa große Popularität erlangte. Die Herausgeber betonen die Bedeutung, die erstens die Regelmäßigkeit der Berichterstattung - hiermit wurde gezeigt, dass es Fortschritte gab - und zweitens die Geschwindigkeit der Berichterstattung - man fühlte sich up to date - hatten.
Iris Gareis fragt nach der Wissensgenerierung durch Berichte und Beschreibungen von Religion aus Lateinamerika und ihrer Bedeutung als ethnographische Quellen. Häufig sind sie die einzigen Quellen aus dieser Zeit, auch wenn sie mit klar definiertem Ziel verfasst wurden und zumeist regionale Beobachtungen als überregional verallgemeinerten.
Markus Friedrich beschreibt die Editions- und Druckprozesse, die den "Nouveaux Mémoires de la Compagnie de Jésus dans le Levant" zugrunde lagen. Er arbeitet heraus, wie sehr die vorgeblichen Tatsachenberichte aus der Mission herausgeberischen Eingriffen unterworfen waren, um das Interesse und den Geschmack des europäischen Publikums zu treffen. Letztlich sagten sie, so Friedrich, mehr über die europäische Leserschaft aus als über die Orte oder Ereignisse, über die sie berichteten.
Adrien Paschoud zeigt, dass die "Lettres édifiantes et curieuses" eine von mehreren publizistischen Initiativen waren, um Anfang des 18. Jahrhunderts Angriffe auf den Jesuitenorden abzuwehren. Er macht deutlich, wie stark die Missionszeitschrift der Gemeinschaftsbildung und damit der Erbauung ("édification") dienen sollte. Gleichzeitig sollte das Interesse am "Anderen" ("curieux") in Europa bedient und damit das physiko-theologische Weltbild gestärkt werden.
Den "Neue Welt-Bott", die erste katholische Missionszeitschrift in deutschsprachigen Gebieten, die "Deutschland" und "die Welt" miteinander in Beziehung brachte, untersuchen Galaxis Borja González und Ulrike Strasser. Letztlich sollte der "Neue Welt-Bott", so die Autorinnen, die Identitätsbildung als "Deutsche" vorantreiben.
Alexander Pyrges demonstriert, dass die Veröffentlichungen der 1699 gegründeten anglikanischen Society for Promoting Christian Knowledge (SPCK), die jeweils nur einzelne Aspekte der Reformanstrengungen der SPCK wiedergaben, das Profil der SPCK in der öffentlichen Wahrnehmung schwächten - ein Gegensatz zu den in den vorigen Beiträgen vorgestellten katholischen Publikationen. Erst im zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts änderte sich dies, und es entstand ein einheitliches Bild der SPCK als wirkmächtiger Institution.
Mit der Society for the Propagation of the Gospel in Foreign Parts (SPG, gegr. 1701), beschäftigt sich Jeremy Gregory. Er erklärt zum einen, dass die Veröffentlichungen über die Mission primär der Generierung von Unterstützung dienten, und arbeitet zum anderen heraus, wie sehr die Repräsentation von Mission von den Erwartungen des europäischen Publikums abhing.
Heike Liebau stellt die zentrale Zeitschrift der Dänisch-Englisch-Halleschen Mission vor, die "(Neuen) Halleschen Berichte". Sie argumentiert, dass die Produktionsbedingungen der Berichte zeigen, wie sie die Bedürfnisse der Missionsgesellschaft nach ideeller und materieller Unterstützung erfüllten und zugleich ein wichtiges Repertoire für Wissen über Indien wurden, das weit über die eigentlichen Unterstützerkreise Beachtung fand.
Die Zirkulation von Wissen zwischen Herrnhuter Gemeinden beschreibt Gisela Mettele. Hier sollten der Austausch von Wissen und die Parallelität in der Wissensproduktion ausdrücklich der Gemeinschaftsbildung dienen. Gleichzeitig sollte damit das Fortschreiten des Reiches Gottes in der Welt demonstriert werden. Mettele arbeitet neben der sozialen die theologische Funktion des - teils handschriftlich verbreiteten - Nachrichten-Austauschs heraus.
Einen Vergleich von katholischer und protestantischer Publizistik bringt Alexander Schunka. Er bezieht auch solche Zeitschriften ein, die nicht primär der Mission gewidmet waren und zeigt die Intertextualität dieser Veröffentlichungen auf, wenn Berichte aus anderen Zeitschriften übernommen und zum Beispiel katholische Berichte in protestantischen Zeitschriften besprochen wurden.
Der Band versammelt anregende Beiträge zu Produktionsbedingungen, Zielen und Wirkungen frühneuzeitlicher Missionspublikation und lädt auf allen Ebenen, nicht nur in Bezug auf den Konfessionsvergleich, zu weiteren Forschungen und Auswertungen ein.
Judith Becker