Laura Windisch: Kunst. Macht. Image. Anna Maria Luisa de' Medici (1667-1743) im Spiegel ihrer Bildnisse und Herrschaftsräume (= 41), Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2019, 331 S., 26 Farb-, 39 s/w-Abb., ISBN 978-3-412-51178-4, EUR 55,00
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Mit ihrer Dissertation "Kunst. Macht. Image - Anna Maria Luisa de' Medici (1667-1743) im Spiegel ihrer Bildnisse und Herrschaftsräume" schließt Laura Windisch an zahlreiche jüngere, seit den Pionierarbeiten von Stefano Casciu (1993ff.) entstandene Studien über diese Fürstin an, die zuletzt 2006 mit einer groß angelegten Ausstellung im Palazzo Pitti gefeiert wurde. Windischs Arbeit gliedert sich in drei chronologische Abschnitte, welche den wesentlichen Lebensphasen Anna Maria Luisas gewidmet sind: ihrer Jugendzeit (Kap. 2), ihrem Leben am Düsseldorfer Hof nach der Hochzeit mit Kurfürst Johann Wilhelm von der Pfalz (Kap. 3) und ihrer fast 30 Jahren dauernden, in Florenz verbrachten Witwenzeit (Kap. 4-5). Exemplarisch für diese drei Zeitabschnitte diskutiert Windisch eine Reihe von Werken bzw. künstlerischen Initiativen, die den Bereichen der Porträtkunst, der Museumsgeschichte, der höfischen Sammlungskultur bzw. der Geschichte des Florentiner Villenbaus angehören. Diese Werkauswahl wird anhand der beiden Leitbegriffe (11, 13) "Image" (nach Peter Burke) und "Imago" diskutiert; hierzu kommt später noch der Begriff des "display" (92). Leider wird keiner dieser drei Termini durch Windisch definitorisch präzisiert und da sie im Englischen ein sehr viel diffuseres Bedeutungsfeld abdecken als ihre möglichen deutschen Synonyme, ist ihr Nutzen für die Analyse und den Erkenntnisgewinn des Lesers nicht eigentlich ersichtlich.
Zu Anfang untersucht Windisch stellvertretend für Anna Maria Luisas "Image" als unverheiratete Prinzessin ihr erstes repräsentatives, ganzfiguriges Porträt vom Florentiner Hofmaler Antonio Franchi (1687; Uffizien), das von ihrem Bruder Erbprinz Ferdinando de' Medici in Auftrag gegeben wurde. Aus ihrer nicht weiter begründeten Grundannahme, das Bildnis zeige "weder das tatsächliche Aussehen noch die Persönlichkeit Annas" (30), resultiert für die Autorin die Notwendigkeit einer prononciert ikonologischen Interpretation: Für sie wird Anna Maria Luisa als Flora und als ideale Regentin inszeniert bzw. ihr hoher Rang "als Madonna und Göttin" unterstrichen (Kap. 2.1- 2.3). Leider überzeugen die hierfür herangezogenen Bildvergleiche - etwa zum Motiv des Thrones, das gar bis Cimabue und Giotto zurückverfolgt wird (49-51) - nur auf allgemeinster Ebene und betreffen damals für das Standesporträt generell geltende Konventionen. Ebenso unspezifisch ist das von Windisch für ihre Deutung als "aufschlussreich" (42) herangezogene Malereitraktat Franchis, in dem dieser jedoch nur seit dem 16. Jahrhundert verbreitete kunsttheoretische Vorstellungen repetierte. Somit liefert Windisch keine überzeugenden Argumente, um die gängige kunsthistorische Meinung zu entkräften, welche dieses Repräsentationsporträt Anna Maria Luisas als Beleg sieht für eine sich in Florenz durchsetzende, neue Bildnisauffassung. Diese Erneuerung wurde angestoßen von der flämischen Malerei - allen voran Van Dyck. Sie beeinflusste auch Franchi, wie seine Kopie von Van Dycks Porträt des Kardinals Guido Bentivoglio beweist (hierzu Ausstellungskatalog La principessa saggia 2006, Kat.nr. 17), das ihm von daher nicht nur "gut bekannt gewesen sein" (42) muss. Und sehr viel treffender als der von Windisch bemühte Vergleich mit Bronzinos Portrait der Eleonora di Toledo von 1545 (!) wäre ein solcher mit Arbeiten des von Ferdinando de' Medici gleichermaßen sehr geschätzten Niccolò Cassana, dessen ungefähr zeitgleiches Porträt von Anna Maria Luisas Schwägerin Violante von Bayern (um 1690/95; Florenz, Museum Stibbert) von einer ähnlichen, flämisch inspirierten Ambivalenz von Innen- und Außenraum, von repräsentativer Architekturstaffage und informellem Blumenaccessoire zeugt.
Das nächste, dritte Kapitel gehört zusammen mit dem über Anna Maria Luisas Witwensitz "La Quiete" (Kap. 5) zu den überzeugendsten des ganzen Buches. In ihm analysiert Windisch anhand des ersten Sammlungskatalogs von 1716 detailliert die architektonische Disposition des sogenannten Kunsthauses der Düsseldorfer Residenz und die dortige Bilderhängung (80-104). Windisch argumentiert überzeugend dafür, dass es sich bei diesem "Kunsthaus" um den ersten ganz ausschließlich zu diesem Zweck errichteten und fast komplett freistehenden Bau handelt, der von daher als Vorläufer späterer Museumsarchitekturen zu betrachten sei. Dagegen unterbleibt ein überzeugender Nachweis ihrer These, Anna Maria Luisa sei "Hauptakteurin der Rauminszenierung" im Düsseldorfer Kunsthaus gewesen (116) und dessen Sammlungspräsentation von zentraler Funktion "für das Herrscherimage" bzw. die "Imago Annas (...) in Abgrenzung zu Johann Wilhelm" (78f.). Wie zuletzt von Tipton (2006) und Baumgärtel (2009) aufgezeigt, lässt sich an den inhaltlichen Schwerpunkten der Sammlung wohl der konsolidierte, gegenreformatorisch geprägte Kunstgeschmack Johann Wilhelms ablesen. Er stand auch hinter dem Austausch von Gemälden und anderen Kunstwerken mit Cosimo III. und dessen überaus kunstsinnigem Sohn und Bruder Anna Maria Luisas, dem 2013 mit einer großen Ausstellung in den Uffizien gewürdigten "Gran Principe" Ferdinando. Und so ist die Düsseldorfer Sammlung gewiss Ausdruck einer künstlerischen wie dynastischen Verbindung zwischen den Medici und dem Haus Wittelsbach (102), doch gelingt es Windisch nicht, den individuellen Anteil Anna Maria Luisas als "Hauptakteurin" hierbei erkennbar zu machen. Das gleiche gilt für die behauptete, großzügige finanzielle Ausstattung der Düsseldorfer Oper aus ihrer persönlichen Kasse (153), für welche die Autorin keinen zeitgenössischen Quellenbeleg, sondern nur ein anonymes modernes Vortragsmanuskript im Landesarchiv Nordrhein-Westfalen anführt.
In ihrer Darstellung des nächsten Lebensabschnitts der Fürstin nach dem Tod des Gemahls und der Rückkehr nach Florenz (1717) erhebt sie dann das Prinzip des Kulturtransfers zum zentralen Moment. Windisch unternimmt eine vergleichende Gegenüberstellung des persönlichen Hofstaats, mit dem sich Anna Maria Luisa in Düsseldorf und Florenz umgab, um die gesellschaftliche Handlungsspielräume und personalen Netzwerke der Fürstin nachzuzeichnen. Ein komparatistischer Ansatz liegt auch dem Kapitel zur materiellen Objektkultur zugrunde. Windisch analysiert hier in ihren Augen besonders signifikante Elfenbeinschnitzereien und Goldschmiedearbeiten, die zu den von Anna Maria Luisa besonders geschätzten Kunstkammerobjekten zählten. Dabei formuliert die Autorin ihr Erkenntnisinteresse und ihre geplante methodische Zugriffsweise anfänglich brillant und sehr differenziert: Sie wolle anhand dieser Objekte die "Wechselwirkung zwischen heimischem und ausländischen Hof" sichtbar machen und die "gesellschaftlichen und künstlerischen Handlungsmöglichkeiten" (146) Anna Maria Luisas aufzeichnen, und zwar unter Einbeziehung der theoretischen Grundlagen des "Objekt"-Begriffs (163). Leider erweist sich dieses Kapitel als das wohl schwächste des ganzen Buches aufgrund der deutlichen Diskrepanz zwischen erklärtem Ziel und letztlich banalem Ergebnis. Dieses besteht darin, die Preziosen im Kontext der höfischen Repräsentation als "Statussymbole" zu qualifizieren, die "Rang und Nobilität der Herrscherin" (169f.) hervorhoben.
Das Buch schließt dafür mit einer sehr gelungenen ikonologischen Deutung der Freskenausstattung von Anna Maria Luisas Appartement in der Villa "La Quiete". Windisch argumentiert hier überzeugend dafür, dass diese Räumlichkeiten durch die einzelnen Bildmotive überzeugend konnotiert wurden als Ort meditativer Selbstbesinnung und religiöser Einkehr.
Zusammenfassend betrachtet stören bei der Lektüre eine Vielzahl nicht eigentlich zielführender Exkurse, die sich bis in die Fußnoten erstrecken und den Leser oft auf längere Nebenwege lenken. Außerdem stößt man überall im Text auf Fehleinschätzungen historischer oder kunsthistorischer Fakten und Zusammenhänge. So mutiert etwa das Gorgoneion Minervas zu einem "prachtvollen Schmuckstück in Form einer goldenen Sonne" (162); oder die Autorin spekuliert über "die sinnfällige Verbindung von Figur und Säule" einer Elfenbeinplastik (177), die wohl auf einem Sockel, aber nicht auf einer Säule steht. Anna Maria Luisas Appartement in "La Quiete" - immerhin Sitz eines geschlossenen Frauenkonvents - ist für Windisch der "verlängerte Arm des offiziellen Regierungssitzes, des Palazzo Pitti", wo sich Anna Maria nicht aus der Öffentlichkeit zurückzog, sondern als "erste Dame am Medici-Hof" inszenierte (256f., 240); oder Windisch leitet eine Regierungsberechtigung der kinderlosen Witwe Anna Maria Luisa, die ihr Vater in einem höchst fragwürdigen politischen Akt 1713 zu seiner Nachfolgerin bestimmte, kurzerhand her aus der staatsrechtlich vollkommen anderen Position vormundschaftlich regierender italienischer Fürstinnen (68-72). Respekt gebührt in jedem Fall der Tatsache, dass Windisch eine enorme Materialfülle in ihrer Dissertation berücksichtigt und zu gelungenen thematischen Schwerpunkten zu bündeln versteht, um so das Bild der letzten Mediceerin perspektivisch zu bereichern.
Ulrike Ilg