Antonis Klapsis / Constantine Arvanitopoulos / Evanthis Hatzivassiliou et al. (eds.): The Greek Junta and the International System. A Case Study of Southern European Dictatorships, 1967-74 (= Cold War History), London / New York: Routledge 2020, XVIII + 269 S., eBook, ISBN 978-0-4294-3869-1, GBP 36,99
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Heinz A. Richter: Griechenland 1950-1974. Zwischen Demokratie und Diktatur, Ruhpolding: Verlag Franz Philipp Rutzen 2013
Kateřina Králová: Das Vermächtnis der Besatzung. Deutsch-griechische Beziehungen seit 1940, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2016
Hagen Fleischer: Krieg und Nachkrieg. Das schwierige deutsch-griechische Jahrhundert. Übersetzung aus dem Griechischen von Andrea Schellinger, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2020
Heinz A. Richter (Bearb.): Griechenland 1942-43. Erinnerungen von Elisabeth und Konstantinos Logothetopoulos, Ruhpolding: Verlag Franz Philipp Rutzen 2015
In drei Jahren jährt sich der 50. Jahrestag des Falls der griechischen Militärdiktatur im Jahr 1974: 50 Jahre Demokratie in Griechenland, und zugleich 50 Jahre geteiltes und besetztes Zypern! Durch Auslaufen von Sperrfristen wird zunehmend einschlägiges Archivmaterial öffentlich zugänglich. Das ermöglicht es, die von den Herausgebern A. Klapsis, C. Arvanitopoulos, E. Hatzivassiliou und E. Pedaliu in der Einführung erwähnten bisherigen Informationslücken ein Stück weit zu schließen und sich einer, vor allem dem westeuropäischen Betrachter relativ unbekannten Thematik anzunähern. Zu Recht betonen die Herausgeber, dass Verallgemeinerungen nun zunehmend vermieden werden könnten, doch verwundert die angebliche Unbekanntheit der Thematik etwas. Denn Länder wie Frankreich, Deutschland und Italien stellten wichtige Zentren des Auslandswiderstands gegen die griechische Militärdiktatur dar. Widerstandszentren, die durch Exilanten in Frankreich, Studenten in Italien und im Sonderfall Deutschland durch Arbeiter, Studenten sowie Exilanten, die öffentliche und internationale Meinung beeinflussten und prägten.
Fast 50 Jahre nach dem Ende der Militärdiktatur können manche Fragen weiterhin nur bedingt beantwortet werden. Wie kam es zum Putsch der Obristen von 1967, auf den die Zypern-Tragödie folgte? Wie reagierten westliche Mächte, Partner und Institutionen auf den Putsch und die Etablierung der Militärdiktatur? Wie handelten jene Staaten, denen eine teils entscheidende Rolle im Weltgeschehen zukam? Was wussten die USA, und wie reagierte die Bundesrepublik Deutschland auf die Etablierung des griechischen Militärregimes, wo doch die Welt aufgrund der NS-Vergangenheit gespannt auf das Land blickte? An diesen Punkten setzt das Werk "The Greek Junta and the International System" an.
Ziel ist es, aus internationaler Perspektive das Thema in seinen internationalen Dimensionen sowie Wechselwirkungen zugänglich zu machen. Dabei beziehen sich die Herausgeber nicht ausschließlich auf Griechenland und den griechischsprachigen Raum. Die Ereignisse werden in einen weit gefächerten internationalen Kontext eingebettet. So finden auch die diktatorischen Regime Spaniens und Portugals Erwähnung. Anders als die beiden iberischen Staaten, die mit dem Fall ihrer Militärdiktaturen weitestgehend mit diesem historischen Kapitel abschließen konnten, erleben Griechenland und Zypern weiterhin eine kontinuierliche Konfrontation mit den politischen, militärischen und geographischen Folgen dieser Periode.
Bis heute haben der ostmediterrane Raum, der Balkan und der Nahe Osten kaum an politischer Brisanz verloren. Zwar gelten Griechenland und Zypern als Ruhepole, Friedensgaranten und Sicherheitszonen an der europäischen Südostgrenze, werden jedoch mit Blick auf ihre Probleme und Gefahrenlagen, die insbesondere beziehungsweise ausschließlich unter der Perspektive der Außenpolitik der Türkei gesehen werden, nur unzureichend wahrgenommen, wohl vor allem, weil sich Westeuropa selbst seit Jahrzehnten keiner derartigen Bedrohungssituation ausgesetzt sieht. "The Greek Junta and the International System" leistet daher einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Entwicklung der politischen und militärischen Lage an der Südostgrenze der Europäischen Union.
Die Herausgeber gliedern das Werk in drei Teile. Der erste (Die internationalen Akteure) befasst sich überwiegend mit den Beziehungen des Obristen-Regimes zu anderen staatlichen Akteuren. Der Schwerpunkt liegt dabei überwiegend im Westen, also auf den Beziehungen zu den USA, Frankreich, Italien und Deutschland. Einen interessanten Einblick eröffnet das Kapitel über die Beziehungen der griechischen Militärdiktatur zu Israel, zur auf politischer Ebene sehr gegensätzlichen Volksrepublik China und zu afrikanischen Ländern. Insgesamt wird in diesem Teil deutlich, dass konfliktgeladene Fragen umgangen wurden und man im Zeichen des Kalten Krieges gewillt war, Griechenland in der Sphäre des Westens zu halten.
Teil II (Die internationalen Institutionen und transnationalen Prozesse) diskutiert neu aufkommende Themen wie "the rising transnational human rights agenda for which the Greek junta became a totemic rallying point" (XVIII). Des Weiteren konzentriert sich das Kapitel auf die Rolle internationaler Organisationen. Es wird deutlich, dass manch "regionale" Organisation oft effektiver war als beispielsweise die global agierenden Vereinten Nationen. Globale Akteure spielten allerdings eine entscheidende Rolle bei der Beeinflussung und Informationsbeschaffung für die internationale Öffentlichkeit. Dies förderte einen transnationalen Aktivismus sowohl bei der Entlarvung des antimodernen, menschenrechtsverletzenden Charakters der Militärdiktatur als auch bei der Unterstützung im Übergang Griechenlands zur III. Griechischen Republik.
Teil III (Übergänge in Südeuropa) weist einen überwiegend vergleichenden Charakter auf. Neben dem griechischen Fall werden die iberischen Diktaturen Spanien und Portugal diskutiert und ihre Übergänge und Transformationsmodelle zur Demokratie analysiert. Ein Hauptaugenmerk gilt dem Versuch zur Förderung einer europäischen Identität, der intensiv zur Aufwertung der Soft-Power-Aspekte der damaligen EG beitrug und zu einer stabilisierenden und demokratisierenden Kraft für Südeuropa wurde.
Der Sammelband behandelt eine wichtige Periode griechischer, zypriotischer und vor allem europäischer beziehungsweise transkontinentaler Geschichte und bildet ein geeignetes Grundlagenwerk zur Einarbeitung in die Thematik. Den Herausgebern gelingt es, durch eine breite internationale Autorenschaft die Zäsur der griechischen Militärdiktatur verständlich darzustellen und, auf vorausgegangenen Werken aufbauend, das Thema ein Stück weit zugänglicher zu machen. Sie verdeutlichen, dass es sich nicht nur um einen griechischen regionalen Sonderfall handelte, sondern jene Ereignisse internationale Ausmaße erreichten und an den Pfeilern des Westens rüttelten. Kritisch lässt sich anmerken, dass künftig neben dem weiter zu erschließendem Archivmaterial eine ergänzende Einbeziehung von Zeitzeugen wünschenswert bleibt, die aus Sorge vor einer Stigmatisierung teilweise immer noch eine wissenschaftliche Konfrontation ablehnen.
Spiridon Papaioannou