Kateřina Králová: Das Vermächtnis der Besatzung. Deutsch-griechische Beziehungen seit 1940 (= Griechenland in Europa; Bd. 2), Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2016, 283 S., ISBN 978-3-412-50362-8, EUR 29,99
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Mark Mazower: Griechenland unter Hitler. Das Leben während der deutschen Besatzung 1941-1944. Aus dem Englischen von Anne Emmert, Jörn Pinnow und Ursel Schäfer, Frankfurt a.M.: S. Fischer 2016, 528 S., ISBN 978-3-10-002507-4, EUR 29,99
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Heinz A. Richter: Griechenland 1950-1974. Zwischen Demokratie und Diktatur, Ruhpolding: Verlag Franz Philipp Rutzen 2013
Heinz A. Richter (Bearb.): Griechenland 1942-43. Erinnerungen von Elisabeth und Konstantinos Logothetopoulos, Ruhpolding: Verlag Franz Philipp Rutzen 2015
Hagen Fleischer: Krieg und Nachkrieg. Das schwierige deutsch-griechische Jahrhundert. Übersetzung aus dem Griechischen von Andrea Schellinger, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2020
Antonis Klapsis / Constantine Arvanitopoulos / Evanthis Hatzivassiliou et al. (eds.): The Greek Junta and the International System. A Case Study of Southern European Dictatorships, 1967-74, London / New York: Routledge 2020
Eirini Karamouzi: Greece, the EEC and the Cold War 1974-1979. The Second Enlargement, Basingstoke: Palgrave Macmillan 2014
Adamantios Skordos: Griechenlands Makedonische Frage. Bürgerkrieg und Geschichtspolitik im Südosten Europas, 1945-1992, Göttingen: Wallstein 2012
Craig Stockings / Eleanor Hancock: Swastika over the Acropolis. Re-interpreting the Nazi Invasion of Greece in World War II, Leiden / Boston: Brill 2013
Das hier zunächst zu besprechende Buch von Kateřina Králová war ursprünglich die Dissertation der Verfasserin. 2010 bzw. 2013 erschienen bereits eine tschechische und eine griechische Ausgabe. Nun liegt das Werk in deutscher Übersetzung vor. Die Arbeit gliedert sich in fünf Teile. In Kapitel 1 wird die Besatzungszeit beschrieben. Kapitel 2 befasst sich mit der Nachkriegszeit, dem Bürgerkrieg, der juristischen Aufarbeitung und der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen mit der Bundesrepublik Deutschland. Im dritten Kapitel wird die Strafverfolgung von NS-Verbrechen in Griechenland und in Deutschland untersucht. Im vierten Kapitel geht die Verfasserin der Frage der Reparationen und Entschädigungen von NS-Opfern nach. In Kapitel 5 analysiert die Autorin den Sonderfall Distomon.
Im Gegensatz zu einigen in den letzten Jahren erschienenen Publikationen zu diesem Themenbereich war die Autorin bereit, die in Deutschland veröffentlichten Arbeiten zur Geschichte Griechenlands im Zweiten Weltkrieg zur Kenntnis zu nehmen, während die Herausgeberin der Reihe, in der dieses Buch erschien, behauptet, dass es eine solche gar nicht gäbe. Das Ergebnis ist eine sehr differenzierte Darstellung dieser für Griechenland schwierigen Periode, die ziemlich genau den Stand der internationalen Forschung widerspiegelt und durchaus als deren Bestandsaufnahme bezeichnet werden kann. Dennoch gibt es hier und da Stellen, an denen eine kritische Anmerkung angebracht erscheint.
Bei der Hungersnot im Winter 1941/42 stellt die Autorin die Zahlenangabe von 500.000 Hungertoten zu Recht in Frage. Leider hat sich die nach Ansicht des Rezensenten übertriebene Zahl von 300.000 Opfern als gültige historische Wahrheit durchgesetzt. Die Autorin erwähnt zwar die britische Seeblockade, aber erkennt sie nicht als eine der Ursachen des Hungers. Griechenland hatte noch nie genug Getreide produziert, um seine Bevölkerung mit Brot versorgen zu können. Es musste immer riesige Mengen an Getreide importieren. Zuständig für die Versorgung Griechenlands war in erster Linie auch die Hauptbesatzungsmacht Italien, das nicht liefern konnte oder wollte.
Eine weitere kritische Stelle betrifft die Intervention des "Sonderbeauftragten" Hermann Neubacher. Die Autorin beschreibt dessen Aktivitäten, erwähnt aber seine "Goldaktion" mit keinem Wort. Ihm war es zu verdanken, dass die Drachme zwar inflationär blieb, aber bis kurz vor dem Ende der Besatzung ihren Geldcharakter behielt, weil Neubacher mit den eine Million Goldstücken, die er von der Reichsbank erhalten hatte, an der Börse gegen die Drachme spekulierte. Nach dem deutschen Abzug verlor die Drachme ihren Geldcharakter. Ein Währungsschnitt war vier Wochen später die Folge, bei dem 25 Millionen Drachmen auf eine abgewertet wurden.
Die Darstellung des Massakers von Kalavryta vom Dezember 1943 wäre besser auf der Basis von Meyers Standardwerk [1] erfolgt. Danach waren 78 deutsche Soldaten im Oktober 1943 in Kriegsgefangenschaft der Partisanen geraten. Als nach zweimonatigen Verhandlungen über einen Gefangenenaustausch kein Ergebnis erzielt werden konnte, beschloss der Kommandeur der 117. Jägerdivision eine Befreiungsaktion, in deren Verlauf die Partisanen die 78 Kriegsgefangenen erschossen. Dies war der Auslöser für die bekannte - und grausame - Vergeltungsaktion.
Etwas ungenau ist die Darstellung der Vorgänge, die zu den Dezemberereignissen 1944 (Dekemvriana) führten. Seit Sommer 1943 plante Winston Churchill eine bewaffnete Intervention in Griechenland nach dem Abzug der Deutschen. Mit dem Moskauer Prozentabkommen vom Oktober 1944 sicherte er die Intervention ab. Das Feuer der Polizei auf eine nachweislich unbewaffnete Demonstration der EAM auf dem Syntagma-Platz löste am 3. Dezember 1944 zunächst einen Bürgerkrieg und dann die bewaffnete Intervention der Briten aus, die einen Krieg im Krieg darstellte.
Die Darstellung des Falles Max Merten ist recht ausführlich und präzise, aber hier geht die Verfasserin teilweise am Kern vorbei. Bis heute gilt Merten in Griechenland als einer der größten Kriegsverbrecher schlechthin. Auch die Verfasserin charakterisiert ihn so wegen seiner aktiven Mithilfe bei der Deportation der Juden Salonikis. Im Gefolge des Londoner Schuldenabkommens von 1953, das Reparationszahlungen erst nach einer Wiedervereinigung der beiden Teile Deutschlands vorsah, also eine Verschiebung ad calendas graecas, erhielten nur zwei ehemalige Kriegsgegner Reparationszahlungen: Jugoslawien und Griechenland. Die 200 Millionen DM, die Griechenland Ende der 1950er-Jahre bekam, waren genau wie im Falle Jugoslawiens nichts anderes als eine als Investitionskredit getarnte Reparationsleistung. Damit wurde ganz Griechenland elektrifiziert. Die Zahlung von 115 Millionen DM als Entschädigung für NS-Verbrechen sollte an die überlebenden Juden und die Familien der als Geiseln erschossenen Menschen erfolgen. Diese Zahlungen waren ebenfalls wie die 200 Millionen DM mit dem Fall Merten verbunden. Als Bonn zahlte, kam Merten frei. Aber ein großer Teil dieser Summe kam nie bei jenen an, für die das Geld bestimmt war. Die Autorin hat viele Einzelheiten der Vorgänge rekonstruiert, bedauerlicherweise aber den Zusammenhang nicht erkannt. Die Darstellung der Bemühungen der Geschädigten von Distomon ist jedoch vollkommen geglückt.
Insgesamt darf festgestellt werden, dass Kateřina Králová ein grundlegendes Werk geschrieben hat, das die Kriegszeit und die Nachkriegszeit umfasst. Das Kapitel über die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit ist ausgezeichnet und enthält viel Neues. Die Studie gibt klare Orientierung über die Vergangenheit, dient als Ausgangspunkt für weitere vertiefende Recherchen und kann als Lektüre nur empfohlen werden.
Die englische Originalausgabe des Buches von Mark Mazower (Inside Hitler's Greece. The Experience of Occupation) erschien 1993 bei Yale University Press. 1994 wurde eine griechische Übersetzung veröffentlicht (Στην Ελλάδα του Χίτλερ. Η εμπειρία της κατοχής). Nach nunmehr 23 Jahren erschien 2016 eine deutsche Ausgabe. Alle drei Fassungen stimmen textlich überein, der deutschen Ausgabe wurde lediglich ein Vorwort hinzugefügt. Mazower hat einen blendenden Schreibstil und versteht es, komplizierte Sachverhalte verständlich zu formulieren. Die Darstellung ist in vier Teile gegliedert. Teil 1 beschreibt die Anfänge der Besatzung. Teil 2 ist dem entstehenden Widerstand bis zum italienischen Seitenwechsel im Sommer 1943 gewidmet. In Teil 3 wird die deutsche Besatzungszeit bis zum Abzug im Oktober 1944 beschrieben. In Teil 4 befasst sich Mazower sehr detailliert mit der griechischen Widerstandsbewegung EAM und ihrem militärischen Arm ELAS. Der Epilog enthält eine Darstellung der Dekemvriana, der Ereignisse im Dezember 1944, und des beginnenden Bürgerkriegs.
Mazower hat in den 1990er-Jahren intensive Quellenstudien betrieben, und so enthält sein Buch viele Einzelheiten, die anderswo nicht zu finden sind. Die deutsche Ausgabe beinhaltet auch eine Bibliografie. Doch einige der darin aufgeführten Titel wurden im Text nicht verarbeitet, wohl, weil sie erst nach der Veröffentlichung der englischen Ausgabe erschienen sind, so z.B. die Bücher von Meyer über Kommeno und die 1. Gebirgsdivision. [2] Das schon erwähnte Standardwerk von Meyer über Kalavryta fehlt sogar ganz. Erstaunlich ist, dass Mazower viele für die Entwicklung Griechenlands in jener Zeit bedeutende Memoiren nicht beachtet, so. z.B. jene von Winston Churchill, Anthony Eden, Harold Macmillan auf der britischen Seite und jene der beiden Besatzungsministerpräsidenten Konstantinos Logothetopoulos und Ioannis Rallis auf der griechischen Seite. Vergeblich sucht man nach den Memoiren der griechischen Politiker Emmanouil Tsouderos und Georgius Papandreou, beide Ministerpräsidenten der Exilregierung. Auch die Erinnerungen von SOE-Chef Hugh Dalton und des SOE-Offiziers Denys Hamson fehlen, ebenso die von Themistoklis Tsatsos und Christos Zalokostas. Diese bibliografischen Lücken führen dazu, dass an einigen Stellen des Werkes bei der Beschreibung wichtiger Ereignisse zentrale Elemente fehlen, was Fehlurteile des Autors bedingt. Es ist im Rahmen dieser Rezension nicht möglich, alle Fehlinterpretationen aufzuführen und sie zu korrigieren, aber einige Stellen sollen einer näheren Betrachtung unterzogen werden.
Mazower ist wie viele andere Historiker der Meinung (37), dass die Metaxas-Diktatur nicht faschistisch war, weil es keine faschistische Massenpartei gab. Doch eine solche Partei wäre in dem klientelistischen System Griechenlands völlig unpassend gewesen. Wie aus Metaxas' Tagebuch hervorgeht, war sich Metaxas dessen sehr genau bewusst und betrachtete das ganze Volk als seine Gefolgschaft. Man kann dies Klientelfaschismus nennen. Nach Mazower bestand die wichtigste Qualifikation von Logothetopoulos für das Amt des Besatzungsministerpräsidenten darin, dass er mit einer Nichte von Generalfeldmarschall List verheiratet war (42). Tatsächlich stammte seine Frau Elisabeth Hell aus einer Hamburger Kaufmannsfamilie. Dass Logothetopoulos sich für sein Land einsetzte und auch gegen die Maßnahmen der Besatzer protestierte, was zu seinem Sturz führte, wird nicht erwähnt.
Die Hungersnot im Winter 1941/42 wurde nach Mazowers Meinung verursacht, weil die deutschen Besatzer Lebensmittel zur Versorgung ihrer Truppen in Griechenland und in Russland aus dem Land herauspressten, womit die Grundversorgung der Bevölkerung in Frage gestellt wurde. Das ist richtig, aber nicht die ganze Wahrheit. Die Karte auf Seite 45 zeigt dies recht anschaulich: Hauptbesatzungsmacht war Italien, daneben Bulgarien. Deutschland kontrollierte nur das Gebiet um Saloniki, einen Teil Kretas sowie einige Inseln und ein Stück von Ostattika. Verantwortlich für die Versorgung der Bevölkerung war also hauptsächlich Italien. Zwar erwähnt Mazower, dass die Zahl von 500.000 Hungertoten eine Übertreibung der BBC-Propaganda gewesen sei, aber er bleibt bei der Zahl 300.000 (66).
Fritz Sterns Urteil, dass Mazowers Werk ein "hervorragendes Buch" sei, ist durchaus gerechtfertigt. Diese Publikation ist keine trockene Historiografie, sondern eine packende Erzählung historischer Fakten, die den Leser mitreißt. Einige inhaltliche Schwächen sollten aber nicht übersehen werden.
Anmerkungen:
[1] Hermann Frank Meyer: Von Wien nach Kalavryta. Die blutige Spur der 117. Jäger-Division durch Serbien und Griechenland, Mannheim / Möhnesee 2002.
[2] Hermann Frank Meyer: Kommeno. Erzählende Rekonstruktion eines Wehrmachtsverbrechens in Griechenland, Köln 1999.
Heinz A. Richter