Hans Hägerdal (ed.): Enslavement in the Indian Ocean World (= HumaNetten; 47), 2021, ISSN 1403-2279
Hans Hägerdal (ed.): Enslavement and the Slave Trade in Asia (= Slavery & Abolition; 43.3), 2022
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Georg Ostrogrosky: Byzantinische Geschichte 324 bis 1453, München: C.H.Beck 2006
Frank Nordhausen / Thomas Schmid (Hgg.): Die arabische Revolution. Demokratischer Aufbruch von Tunesien bis zum Golf, Berlin: Ch. Links Verlag 2011
Monica Corrado: Mit Tradition in die Zukunft. Der tagdid-Diskurs in der Azhar und ihrem Umfeld, Würzburg: Ergon 2011
Lutz Berger: Gesellschaft und Individuum in Damaskus 1550-1791, Würzburg: Ergon 2007
Nisha Wadhwa: Indian Music During Delhi Sultanate Period (13th to Early 16th Century), New Delhi: Kanishka Publishers 2015
Marlene Kurz: Ein osmanischer Almanach für das Jahr 1239/1240 (1824/1825), Berlin: Klaus Schwarz-Verlag 2007
Trevor Burnard / John Garrigus: The Plantation Machine. Atlantic Capitalism in French Saint-Domingue and British Jamaica, Philadelphia, PA: University of Pennsylvania Press 2018
Mario Klarer (ed.): Piracy and Captivity in the Mediterranean 1550-1810, London / New York: Routledge 2019
Um 2015 bildete sich um Titas Chakraborty, Matthias van Rossum und Hans Hägerdal eine Gruppe von Spezialist*innen, deren Schwerpunkt auf der Erforschung der Sklaverei und sklavereiähnlicher Verhältnisse innerhalb des Crossroads-Raumes "Indischer Ozean" liegt. Zusammen organisierte man 2016 und 2017 eine wegweisende Konferenzen in Amsterdam und Kalmar, deren Beiträge anschließend in verschiedenen Zeitschriften veröffentlicht worden sind. Den Anfang machte 2020 ein special issue in dem Journal of Social History (hg. von Titas Chakraborty und Matthias van Rossum - siehe meine Besprechung in sehepunkte 9/2021). In den beiden folgenden Jahren erschienen dann in den Journalen Slavery & Abolition und HumaNetten zwei weitere - nun von Hans Hägerdal betreute - Themenhefte. Der Ausgangspunkt hat sich natürlich nicht wesentlich verändert: Im Gegensatz zum Sklavenhandel im Transatlantischen Dreieck ist die Quellenlage sehr unbefriedigend, die Forschung aufgrund der disziplinären Spezialisierungen und der immer noch vorherrschenden essentialisierenden und eurozentrischen Raumkonzepte stark fragmentiert sowie ein vergleichender Ansatz, der die mannigfaltigen Verflechtungen und engen Verbindungen in der Region thematisiert, so gut wie nicht vorhanden. [1]
In der 47. Ausgabe der seit 2013 von der Philosophischen Fakultät der Linnaeus-Universität (Växjö und Kalmar) herausgegebenen vollelektronischen Zeitschrift HumaNetten finden sich unter dem Oberthema Enslavement in the Indian Ocean neben der Einleitung des Herausgebers vier substantielle Beiträge aus den Federn von Michael Charles Reidy (unabhängiger Wissenschaftler), Lodewijk Wagenaar (University of Amsterdam), Filipa Ribeiro da Silva (IISG, Amsterdam) und Akanksha Narayan Singh (Lady Shri Ram College for Women, University of Delhi).
Am Beginn der Sondernummer umreißt Hans Hägerdal für uns noch einmal den Beobachtungsgegenstand, d.h. die geographischen und klimatischen Bedingungen der Welt des Indischen Ozeans. Sklaverei ist für ihn in erster Linie verbunden mit Zwangsarbeit, die Personen, die innerhalb sehr fluider, kontextabhängiger und institutionell legitimierter Systeme akquiriert wurden, zu leisten hatten. Durch die von europäischen Kolonialmächten erzwungene Mobilität von Menschen entstand in der Zeit vom 16. bis zum 19. Jahrhunderts ein bemerkenswerter Interaktionsraum mit sehr verschiedenen - und auch in den lokalen Sprachen unterschiedlich bezeichneten - Sklavereiformen. Vieles musste von den europäischen Händlern, Siedlern und Verwaltungsbeamten vor Ort mit den lokalen Akteuren aus- und verhandelt werden. Darüber hinaus hatte man die eigenen Methoden den spezifischen gesellschaftlichen und ökonomischen Bedingungen anzupassen, um erfolgreich zu sein. Unterscheiden kann man sicher zu Recht zwischen offen und geschlossenen Sklavereisystemen. Werden Sklav*innen bei Ersterem in der Regel in die Familienstrukturen integriert, bleiben sie bei Letzterem dauerhaft außen vor. Grundsätzlich lässt sich beobachten, dass der Verlust der persönlichen Freiheit im Indik in erster Linie im Rahmen von kriegerischen Auseinandersetzungen und gezielten Raubzügen oder als Konsequenz einer übermäßigen Verschuldung erfolgte. Die Europäer benötigten für ihre wirtschaftlichen Aktivitäten in zunehmenden Maße Arbeitskräfte, an denen jedoch in den meisten Regionen um den Indischen Ozean herum großer Mangel herrschte. Das offizielle Ende der Sklaverei kam in dieser Weltgegend erst recht spät, wobei sehr viele Formen der Zwangsarbeit in tranformierter Form überlebten und bis in die heutige Zeit existieren.
Die vier Fallstudien belegen sehr gut diese allgemeinen Aussagen. In seinem Beitrag "VOC Slave Trading Strategies on the Madagascar to Cape Slave Route, 1676-1781" skizziert Michael Charles Reidy anhand von sehr interessanten Fahrtenbüchern, Transportvorschriften und Warenlisten den intensiven Sklavenhandel, den die Niederländische Ostindien-Kompagnie in der Zeit von 1676 und 1781 zwischen Madagsakar und Südafrika aufbaute. Lodewijk Wagenaar beschäftigt sich mit den Arbeitsbedingungen in einer spezifischen kolonialen Kontaktzone anhand von Haussklav*innen auf Sri Lanka um 1800. ("'Bred up under Our Roofs'. Domestic Slavery in Ceylon, 1760-1834") Er beschreibt anhand von zahlreichen Quellen anschaulich den Übergang von niederländischer zu britischer Herrschaft auf der Insel. Seine Analysen schließen dabei sehr gut an die Ergebnisse des Buches von Alicia Schrikker ("Dutch and British Colonial Intervention in Sri Lanka, 1780-1815. Expansion and Reform", Leiden, Boston: Brill 2007) an. Filipa Ribeiro da Silvas "Forms of Slavery and Patterns of Slave Holding in Urban Mozambique in the 1820s" behandelt die gleiche Epoche, allerdings liegt sein Fokus auf den urbanen Zentren an der Küste des von Portugal beherrschten Mosambik. Die Quellenlage ist wirklich sensationell: 1776 ordnete die portugiesische Krone an, in allen ihren überseeischen Besitzungen statistische Bevölkerungstabellen nach einem festgelegten Muster zu erstellen. Diese enthalten die Namen der Haushaltsmitglieder, ihren Familienstand, ihr Alter und ihren Geburtsort und ihre Beziehung zum Haushaltsvorstand. Zudem finden sich Angaben über den Umfang des Vermögens jedes Haushalts, einschließlich aller Sklaven. Wohnungen, Felder und Vieh werden ebenfalls erfasst. Die Autorin kann an ihrem Material verschiedene Formen starker asymmetrischer Abhängigkeit identifizieren, die sich allesamt in anderen Gesellschaften entlang des Indischen Ozeans wiederfinden. Im Mittelpunkt der letzten Fallstudie dieses Themenheftes stehen die Transformationsprozesse, die in Indien in Bezug auf die Sklaverei im 19. Jahrhundert zu beobachten sind. ("'Enslaved for Life'. Construing Slavery in Nineteenth Century India") Die Verfasserin gibt uns einen Überblick über die Verhältnisse auf dem Subkontinent in der ersten Hälfte des Jahrhunderts und untersucht dann die Auswirkungen der offiziellen Abschaffung dieser Institution im Jahre 1843. Es gelingt ihr zu zeigen, dass dieses Datum keineswegs das Ende der Sklaverei bedeutete, sondern sich sklavereiähnliche Formen der Ausbeutung menschlicher Arbeit bis weit ins 20. Jahrhundert hinein am Leben hielten.
Die vier Fallstudien werden dann in dem anderen, ebenfalls von Hans Hägerdal verantworteten special issue, durch weitere vier Beispiele aus anderen Regionen des Indiks ergänzt. Claude Chevaleyre (Institut d'Asie Orientale, l'École normale supérieure, Lyon) konzentriert sich in seinem Artikel ("Insiders by Analogy. Slavery in the Great Ming Code") auf die Analyse des während der Ming-Dynatie (1368-1644) im Jahre 1374 erstellten und 1397 überarbeiteten Rechtskodex. Es wird deutlich, dass "Enslavement was conceived as a monopoly of the judiciary, that its main function was to punish the relatives of criminals sentenced to death for serious crimes against the state, that the possession of slaves was considered a privilege granted to meritorious state servants, and that commoners were to be protected against all forms of enslavement." (461). Wenn es um Sklavereipraktiken geht, sind Einzelfälle natürlich sehr erhellend. In Anknüpfung an ihre Publikationen "Testimonies of Enslavement. Sources on Slavery from the Indian Ocean World" (London / New York / New Delhi Sydney 2020) und "On the Run: Runaway Slaves and Their Social Networks in Eighteenth Century Cochin" (Journal of Social History 54, no. 1 (2020): 66-87) präsentieren Matthias van Rossum, Alexander Geelen und Merve Tosun (IISH, Amsterdam) anhand von Prozessdokumenten des VOC-Gerichtshofes von Kochi die Geschichte von Cali aus den 1740er Jahren. Wieder wird uns vor Augen geführt, wie facettenreich und komplex Phänomene vor Ort waren, die wir nur allzu gerne unter dem Begriff "Sklaverei" subsumieren. Das zeigen die Verhältnisse auf Amboina, denen sich Gerrit Knaap (Universität Utrecht) in seinem Beitrag ("Slavery in the Dutch Colonial Empire in Southeast Asia. Seventeenth-Century Amboina Reconsidered") widmet, ebenso wie die Situation auf Timor. Hans Hägerdal beschreibt sehr überzeugend, wie die VOC lokale Konflikte auf der Insel dafür nutzen konnte, Arbeitskräfte in Form von Sklaven für ihre Plantagen in einer Region zu bekommen, die ansonsten kaum wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten bot. Dass eine Typologisierung von Sklavereiformen entlang der Adjektive "mild" und "brutal" wenig hilfreich ist, kann Stefan Eklöf Amirell von der Linnaeus Universität am Beispiel der wechselnden amerikanischen Zuschreibungen in Bezug auf die Sklaverei im Sulu Sultanat in der Zeit von 1899 bis 1904 überzeugend verdeutlichen.
Den Abschluss des Themenheftes bildet ein Beitrag, der sich weniger mit einer case study befasst, sondern die großen Entwicklungslinien in diesem Raum im Auge hat. Richard B. Allen macht in seinem Panorama des Sklavenhandels auf dem Indischen Ozean ("Exporting the Unfortunate. The European Slave Trade from India, 1500-1800") noch einmal auf die dringende Notwendigkeit aufmerksam, seiner Geschichte mehr Aufmerksamkeit zu schenken und ihn mit den entsprechenden Handelsnetzwerken auf dem Atlantik (und in Afrika) in einen globalen Zusammenhang zu setzen.
Anmerkung:
[1] Es sei hier auf einige Sammelbände und Monographien hingewiesen, die in den letzten 20 Jahren zur Sklaverei und zu anderen Formen starker asymmetrischer Abhängigkeit in der Welt des Indischen Ozeans erschienen sind: Gwyn Campbell (ed.): The Structure of Slavery in Indian Ocean Africa and Asia, London 2004; Edward Alpers / Gwyn Campbell / Michael Salman (eds.): Slavery and Resistance in Africa and Asia, London 2005; Gwyn Campbell (ed.): Abolition and Its Aftermath in Indian Ocean Africa and Asia, London 2005; Gwyn Campbell / Alessandro Stanziani (eds.): Bonded Labour and Debt in the Indian Ocean World, London 2013; Robert Harms / Bernard K. Freamon / David W. Blight (eds.): Indian Ocean Slavery in the Age of Abolition, New Haven 2013; Henri Médard / Marie-Laure Derat / Thomas Vernet / Marie Pierre Ballarin (eds.): Traites et esclavages en Afrique orientale et dans l'océan Indien, Paris 2013; Richard B. Allen: European Slave Trading in the Indian Ocean, 1500-1850, Athens 2014; Hideaki Suzuki: Slave Trade Profiteers in the Western Indian Ocean. Suppression and Resistance in the Nineteenth Century, New York 2017; Gwyn Campbell (ed.): Bondage and the Environment in the Indian Ocean World, Cham 2018; Richard B. Allen: Slave, Convict, and Indentured Labor and the Tyranny of the Particular, Berlin 2020; Richard B. Allen (ed.): Slavery and Bonded Labor in Asia, 1250-1900. Boston 2022.
Stephan Conermann