James Ramon Felak: The Pope in Poland. The Pilgrimages of John Paul II, 1979-1991, Pittsburgh, PA: University of Pittsburgh Press 2020, 336 S., ISBN 978-0-8229-4598-7, USD 30,00
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Diese Rezension erscheint auch in der Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung.
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Die Reisen von Johannes Paul II. in sein Heimatland Polen stellen nur auf den ersten Blick ein Randthema seines langen und ereignisreichen Pontifikats dar. Es ist seit langem bekannt, dass sie mit einer wichtigen politischen Funktion innerhalb der neuen vatikanischen Ostpolitik in Verbindung standen. Auch sind die Papstreisen unter kommunistischen Vorzeichen bereits mit denen nach 1989 verglichen worden, allerdings vor allem in (gesellschafts)politischer Perspektive. James Ramon Felak weitet hier zwar den Betrachtungsrahmen auf andere Themenkreise aus, wie etwa die bilateralen Beziehungen oder die Heiligenverehrung (19), beschränkt aber seine Darstellung auf die Zeit bis 1991, was gerade mit dem heutigen Abstand von 30 Jahren Forschungstätigkeit zu bedauern ist. Außerdem macht der Begriff Pilgrimages stutzig, der die Reisetätigkeit von Johannes Paul II. unkritisch in einem rein religiösen Kontext verortet. Dessen ungeachtet sprich der Verfasser immer wieder politische und gesellschaftliche Aspekte an. Denn tatsächlich war der Papst von der Brüchigkeit der kommunistischen Herrschaft überzeugt und nutzte seine Heimatvisiten, um seinen Landsleuten Mut und Selbstvertrauen einzuflößen. Polen war für ihn ein wichtiger Ansatzpunkt, um den Zusammenbruch der sowjetischen Hegemonie zu beschleunigen.
Wenn der Verfasser also insgesamt die politische Bedeutung der päpstlichen "Pilgerreisen" nicht leugnet, so deutet er jedoch gerade die dritte als den Höhepunkt seiner politischen Manifestation. Das mag quantitativ auch zutreffen. Zumindest qualitativ muss aber gerade die erste Reise von Johannes Paul II. 1979 als ein entscheidendes Moment für seine Landsleute gewertet werden, denn nur wenige Monate später setzte in Polen eine Streikbewegung ein, die zur Anerkennung der Gewerkschaft Solidarność führte - der ersten nichtkommunistischen des Ostblocks. Der große Wert des Buches liegt demnach in der Analyse der Facettenvielfalt der Papstreisen, die im ersten und überwiegenden Teil des Werkes chronologisch ausgebreitet wird (21-254). Es schließt sich eine Zusammenfassung der Inhalte an, die freilich deutlich macht, dass sich zahlreiche Aspekte eben nur sehr schwer voneinander trennen lassen, wie etwa "Geschichte und Heilige" (261-265) von "Ethik und religiöse Reichweite" (265-269). So stand etwa die erste Reise inhaltlich mit den Festen Pfingsten und Dreifaltigkeit sowie mit dem Jubiläum des heiligen Stanislaus in Verbindung. Das war kein Zufall, denn gerade die Vita des polnischen Nationalpatrons steht für einen fundamentalen Kirche-Staat-Konflikt, ähnlich wie er etwa in England bei Thomas Becket zu beobachten war. Trotz aller Rücksichtnahme auf staatliche Vorgaben deutete Johannes Paul II. Stanislaus 1979 als einen Modellfall von Courage eines polnischen Bischofs und wies dem Leben des Heiligen einen deutlichen Gegenwartsbezug zu. Ferner spricht der Verfasser zahlreiche polnische Narrative an, wie etwa den Platz Polens in der westlichen Zivilisation und seine Brückenfunktion, für den etwa die Heiligen Hedwig und Adalbert stehen, oder die Antemurale-These, nach der Polen das Christentum gegenüber Ost und West verteidigt habe (gegen die Mongolen 1241; gegen die Osmanen 1683 etc.). Gerade auch Persönlichkeiten wie Maximilian Kolbe habe der Papst bei seinen ersten Polenreisen genutzt, um die deutsch-polnische Aussöhnung voranzutreiben - allerdings ohne die Diktion von der Wiedergewinnung der ehemals deutschen Ostgebiete zu vermeiden. Bei aller Diplomatie und Innovation war der Papst eben auch Kind seiner Zeit und seiner Heimat - Ähnliches glaubt man auch beim Verfasser zu bemerken, vor allem, wenn man in die Literaturliste schaut, in der italienische und deutschsprachige Titel ganz fehlen (die einen wichtigen Anteil an der wissenschaftlichen Erforschung des Pontifikats haben) und nahezu ausschließlich englische und polnische Veröffentlichungen aufgelistet werden.
Sehr hilfreich ist die Berücksichtigung der östlichen Orthodoxie: Schon bei seiner ersten Reise qualifizierte der Papst seine orthodoxen Brüder und Schwestern als Partner und Partnerinnen bei der Konzipierung einer Spiritualität, die Europa eine. Polen fungiere dabei als eine Art Brücke zwischen Ost und West. Nationalistische Attitüden lehnte Johannes Paul II. folglich ab. Solche Sichtweisen entwickelte und vertiefte der Papst bei seinen nächsten Polenreisen, ähnlich wie den Dialog mit den Juden, zu denen Karol Wojtyła schon früh gute und enge Beziehungen pflegte. Bei seinen Polenaufenthalten kam es aber erst später zu separaten Treffen mit entsprechenden Repräsentanten. Interessant auch in diesem Zusammenhang war die Parallelisierung, die der Papst hinsichtlich der historischen Leiden beider Völker vornahm, was den Verfasser zu seltener Kritik veranlasst (268). Johannes Paul II. habe außerdem kein Wort über antisemitische Strömungen in Polen verloren.
Auch wenn der Papst nicht müde wurde, Polen als historischen und integralen Bestandteil des Westens zu verorten, tauchten bereits 1987 neue Dimensionen in seiner Gesellschaftsanalyse auf, die den Westen explizit mit negativen und liberalen Strömungen identifizierte. Dabei warnte er schon damals seine Landsleute vor der Emigration in einen säkularisierten Westen, in dem Arbeitslosigkeit herrsche und die Heiligkeit des menschlichen Lebens und der Ehe im Namen der Freiheit bedroht sei. Daher war auch seine erste postkommunistische Reise nach Polen (1991) nicht von Triumphalismus geprägt, sondern spürbar von Ermahnungen und Warnungen vor den Missbräuchen der Freiheit. Nun beschäftigte sich der Pontifex noch stärker mit der östlichen Orthodoxie, warnte vor Fremdenfeindlichkeit und trivialem Nationalismus. Eine Intensivierung war auch bei seiner Sorge um religiöse und ethnische Minderheiten im Land und um einen entsprechenden kontinuierlichen Dialog zu beobachten. Eine Analyse der späteren Papstreisen in die Heimat hätte dem Buch gutgetan, vor allem da sich nun deutlich eine neue Entwicklung abzeichnete. Zum Abschluss fokussiert der Verfasser seine Ergebnisse auf das Fazit, dass der Papst den "polnischen Weg" als ein alternatives Model für ein besseres Europa (275) propagiert habe. Das Werk wird mit einem hilfreichen Schlagwort- und Personenregister abgeschlossen.
Stefan Samerski