Rezension über:

Christoph Gampert: Die Soldatensteuer in Schwaben, Franken und Westfalen. Ein Beitrag zur Geschichte des Kontributionswesens im Dreißigjährigen Krieg (= Stadt und Region in der Vormoderne; Bd. 11), Würzburg: Ergon 2024, 497 S., ISBN 978-3-98740-056-8, EUR 124,00
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Rezension von:
Horst Carl
Justus-Liebig-Universität, Gießen
Redaktionelle Betreuung:
Bettina Braun
Empfohlene Zitierweise:
Horst Carl: Rezension von: Christoph Gampert: Die Soldatensteuer in Schwaben, Franken und Westfalen. Ein Beitrag zur Geschichte des Kontributionswesens im Dreißigjährigen Krieg, Würzburg: Ergon 2024, in: sehepunkte 25 (2025), Nr. 5 [15.05.2025], URL: https://www.sehepunkte.de
/2025/05/40164.html


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Christoph Gampert: Die Soldatensteuer in Schwaben, Franken und Westfalen

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Die umfangreiche Münchener Dissertation bohrt dicke Bretter: Sie will den "dichten Wald der verschiedenen Formen der Heeresfinanzierung" im Dreißigjährigen Krieg lichten und Ordnung in die im Kriegsalltag verschwimmenden Grenzen von Kontributionen, Einquartierungen, Kriegssteuern, Brandschatzungen, Requisitionen etc. bringen. Christoph Gampert schlägt dazu vor, dies mit Hilfe eines analytischen Begriffs der "Soldatensteuer" zu leisten. Er dient vor allem dazu, sich von den Uneindeutigkeiten des Begriffs "Kontributionen" in den zeitgenössischen Quellen wie in der wissenschaftlichen Literatur freizumachen. "Kontributionen" umfasst dort einerseits alle Formen von durch militärischen Zwang in Kriegszeiten erhobenen Abgaben, andererseits aber immer wieder auch reguläre Steuern in Friedenszeiten, die vor allem der Finanzierung des eigenen Militärs dienten. Gampert schlägt deshalb vor, den Begriff "Kontribution" als Oberbegriff zu verwenden, unter den in Kriegszeiten dann differenzierte Phänomene wie Soldatensteuern, Kriegssteuern, Brandschatzung und Einquartierung subsumiert werden.

Die entscheidende Differenzierungsleistung wird dabei dem Begriff der "Soldatensteuern" zugemessen. Unter diesem von ihm ausdrücklich als Idealtypus bzw. analytischem Begriff eingeführten Terminus versteht der Autor "eine unter Gewaltandrohung erhobene steuerähnliche direkte Geldabgabe an das Militär für den Unterhalt der (auch ortsabwesenden) Soldaten" (17). Zu den "Indikatoren" zählen darüber hinaus, dass jeweils lokale Steuerbezirke festgelegt und dazu Formen der Kooperation zwischen lokaler Verwaltung und militärischen Befehlshabern vorhanden sein mussten. Allein die schiere Summe der abstrakten definitorischen Bestandteile dieser "Soldatensteuer" zeigt, dass es sich um ein sehr komplexes und auch kompliziertes Phänomen handelt, und dass die entsprechenden Klärungsansprüche der vorliegenden Arbeit nicht gering sind.

Es ist deshalb konsequent und im Detail sehr erhellend, wenn zu Beginn das Feld vermessen wird und in Auseinandersetzung mit der Forschung ein gut informierter Überblick über verschiedene Formen von Zwangsabgaben ("Kontributionen") gegeben wird. Behandelt werden Kriegssteuern - worunter eine vom Landesherrn in der Regel mit Zustimmung der Stände erhobene Sondersteuer verstanden wird -, Brandschatzung, Einquartierung und Winterquartier, Salva Guardia sowie Formen der Aneignung von Sachgütern in Form von Requisitionen oder spezifisch von Futter v. a. für die Pferde (Fouragieren). Hier erweitert und differenziert die Studie ganz sicher den bisherigen Kenntnis- und Forschungsstand.

Die folgenden Kapitel dienen dem Zweck, das Phänomen der "Soldatensteuer" in der Forschung und den zeitgenössischen Quellen genauer fassen zu können. Der Befund ist allerdings weitgehend negativ: Die moderne Forschung erfasst nach Gampert allenfalls Einzelaspekte des Phänomens, bietet aber keine konsistente Definition (121). Dies leisten allerdings auch die zeitgenössischen Quellen nicht, selbst wenn sie wie die einschlägigen Lexika (Zedler, Krünitz) oder die völker- und kriegsrechtlichen Traktate (Grotius, Moser) der Systematisierung und Begriffsklärung dienten. Sachdienliche Hinweise zur Soldatensteuer finden sich bemerkenswerter Weise auch hier nicht. Dies dürfte daran liegen, dass die Juristen an Details der Heeresversorgung wenig interessiert waren, sowie daran, dass die befragten Lexika zeitlich weit vom Dreißigjährigen Krieg entfernt sind.

Zielführender ist der Versuch einer historischen Genealogie des Phänomens, in der die Ausflüge in Antike und Hundertjährigen Krieg zwar überflüssig erscheinen, aber zurecht die Bedeutung des Achtzigjährigen Kriegs in den Niederlanden als Ursprung und Laboratorium dessen, was dann im Dreißigjährigen Krieg umfassende Praxis wurde, betont wird.

Der zweite, nicht minder umfangreiche Teil der Dissertation besteht aus Fallstudien, die die Leistungsfähigkeit des analytischen Begriffs "Soldatensteuer" und die Verbreitung des Phänomens erhellen sollen. Mit Augsburg und Memmingen wird die Kontributionserhebung in schwäbischen Reichsstädten untersucht, mit Würzburg eine katholische Residenzstadt und mit Soest und Lippstadt westfälische Städte ausgewählt. Dies ermöglicht eine große geographische und verfassungspolitische Reichweite und vermag, mit Schweden, Bayern und Kaiserlichen die wichtigsten Kriegsakteure im Reich in den Blick zu nehmen. Der Fokus auf städtische Quellen und Perspektiven bedeutet jedoch auch eine Beschränkung. Jenseits des Arguments der Quellen- und Überlieferungsdichte wird dies nicht begründet. Angesichts der Tatsache, dass die Heere im Verlauf des Krieges immer stärker und langfristiger in (städtischen) Garnisonen disloziert wurden und die Soldatensteuern über zentrale Orte organisiert wurden, liegt es auf der Hand, dass bei der Phänomensuche städtische Quellen eine höhere Trefferquote versprechen. Hervorzuheben ist, dass der Autor bei seinen Fallbeispielen auch die Frage berührt, wie die städtischen Obrigkeiten zunehmend verzweifelt versuchten, die Flut finanzieller Forderungen des feindlichen Militärs zu befriedigen.

Jenseits dieser verdienstvollen Fallstudien über die Vielfalt der Kontributionserhebungen im Dreißigjährigen Krieg bleibt aber die Frage, ob die Arbeit ihr weitergehendes Ziel, mit dem analytischen Begriff der Soldatensteuer ein neues Ordnungsparadigma zu etablieren, erreicht hat. Daran dürfen Zweifel geäußert werden.

Das erste und grundlegende Problem ist, dass der Begriff "Soldatensteuer" kein Quellenbegriff ist bzw. wenn er vereinzelt auftaucht, dann in der Regel nicht in dem vom Autor verwendeten Sinn. Dies wird in der Arbeit auch wiederholt und gelegentlich mit einem Ausdruck des Bedauerns konstatiert. Es ist deshalb fraglich, ob der Begriff in der "deutschsprachigen Geschichtsforschung in Vergessenheit" geraten ist (457) - er war dort eigentlich nie präsent.

Die Quellenferne muss kein Schaden sein, wenn der Begriff denn als analytischer Begriff oder Idealtypus die ihm aufgebürdete Ordnungs- und Differenzierungsleistung erbringt. Dies ist jedoch nur bedingt der Fall, und auch dies wird vom Autor keineswegs kaschiert. Immer wieder ist in den Fallstudien die Rede davon, dass es sich um Sonderfälle der Soldatensteuer handelt, wenn etwa der Übergang zu Einquartierungslasten fließend ist (Memmingen, 262), oder es sich um eine vom Kaiser angeordnete Steuerleistung handelt, dieser aber "keine fremde Macht" darstelle (was eigentlich Definitionsmerkmal der Soldatensteuer ist). Im Augsburger Fall werden Kontributionen an die Schweden als Soldatensteuern an verbündete Truppen gewertet, weil es für keine andere Kontributionsform klare oder bessere Argumente gebe. Das Problem ist allerdings auch hier, dass laut der Definitionsmerkmale Soldatensteuern an feindliche Truppen bezahlt werden. Folglich muss erneut ein Sonderfall konstruiert werden.

Ein Grund für die mangelnde Trennschärfe des Begriffs könnte auch in problematischen Definitionsmerkmalen liegen. So handeln für Gampert die lokalen Obrigkeiten direkt mit den Militärbefehlshabern, ohne Zutun landesherrlicher Zentralverwaltungen. Aber auch in seinen Beispielen, etwa den Interventionen der hessischen Landgräfin in die Verteilung der Garnisonen und der Kontributionen in Westfalen, ist es eben doch die übergeordnete Ebene der Landesherrschaft, die etwa bei Tragfähigkeit oder Höhe der Kontributionen involviert wird. Und kompliziert wird es, wenn die Stände beteiligt werden. Die Passagen zur Genese der Soldatensteuern in den Niederlanden legen nahe, dass Gampert die Rolle der Provinzialstände analog zu denen lokaler Obrigkeiten versteht. Wenn die Spanier 1588 die vormals direkt und lokal erhobenen Kontributionen wieder der Kontrolle der jeweiligen Provinzialstände überließen, so mutierten die Provinzen damit keineswegs zu "Soldatensteuerbezirken" (197) - vielmehr war dies eine Rückkehr zu einer steuerlichen Normalität. Lokale Obrigkeiten gemäß der Definition der "Soldatensteuer" waren die niederländischen Stände jedenfalls nicht, sie agierten analog zur Ebene territorialer Verwaltungen.

Es ist gerade die im niederländischen Fall deutliche transitorische Funktion der Soldatensteuern, die mit Blick auf das 18. Jahrhundert bestätigt werden kann. Die Aussagen, die sich in der vorliegenden Arbeit zur Fortexistenz der Soldatensteuern nach dem Dreißigjährigen Krieg finden, bleiben aufgrund allzu dünner Literaturlage jedoch zumindest inkonsistent oder sachlich falsch (126, 463f.). Das Phänomen der Kontribution vor Ort wurde durchaus weiterhin praktiziert, aber wenn die Zeitgenossen Bedarf sahen, hier zu systematisieren, taten sie es, indem sie spezifische Kriegssituationen und deren funktionale Erfordernisse unterschieden. Sie differenzierten dann beispielsweise nach Kriegsphasen, wenn Kontributionserhebungen beim Einmarsch in ein feindliches Territorium von anderen Akteuren im Militär und vor Ort praktiziert wurden als dies bei länger währender Kontrolle im Verlauf eines Feldzugs bis hin zu Formen militärischer Okkupation der Fall war. Sie betonten dabei die Übergänge dieser Phasen - aber einen eigenen Begriff ("Soldatensteuer") jenseits des Begriffs "Kontribution" benötigten sie zur Beschreibung oder Systematisierung dieser Praxis nicht.

Der Rückblick aus dem 18. Jahrhundert zurück auf den Dreißigjährigen Krieg vermag die Leistung des vorliegenden Buches einzuordnen. Es macht im komplizierten Feld der Kriegsfinanzierung "vor Ort" deutlich, wie vielfältig und komplex die Kriegsfinanzierung sich gestaltete. Der Dreißigjährige Krieg erscheint dann auch in diesem Punkt in vielerlei Hinsicht experimentell. Dies genauer untersucht zu haben und dabei neues Licht auf diese schwierige Materie geworfen zu haben, ist das Verdienst der vorliegenden Arbeit. Dass damit auch ein neues Analyseparadigma geschaffen worden ist, erscheint hingegen fraglich.

Horst Carl