Maria-Elisabeth Brunert (Bearb.): Die Beratungen des Fürstenrates in Osnabrück. Teil 4: 1646-1647 (= Acta Pacis Westphalicae. Serie III A; Bd. 3/4), Münster: Aschendorff 2006, 379 S., ISBN 978-3-402-04998-3, EUR 81,00
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Der vierte Band der Protokolle des Fürstenrates in Osnabrück der Editionsreihe Acta Pacis Westphalicae enthält die Dokumente von insgesamt zweiundzwanzig Beratungen im Zeitraum vom 7. Mai 1646 bis zum 30. September 1647 und nimmt damit den Faden des 2001 erschienenen dritten Teilbandes auf, der mit der Sitzung vom 27. April 1646 endet.
In der - auch bei den früheren Teilbänden üblichen - detaillierten Einleitung (LVII-CXVI) berichtet Maria-Elisabeth Brunert nach den knapp skizzierten "militärischen und politischen Rahmenbedingungen" des Editionszeitraums über die wichtigsten Verhandlungsthemen in den beiden Kongress-Städten: die französischen und schwedischen Territorialsatisfaktionen, vor allem die Fragen bezüglich der drei "Bistümer" (Metz, Toul und Verdun) und die schwedischen Forderungen bezüglich Pommerns. Außerdem wurden weitere strittige Punkte behandelt wie die Pfalzfrage oder die sogenannten "gravamina ecclesiastica". Von den Verhandlungenfragen gelöst wurden allerdings die Frage der pfälzischen Kur, sowohl der Verbleib dieser Kurwürde wie auch der Oberpfalz bei Bayern sowie die Errichtung einer achten Kur. Innerhalb des Editionszeitraumes ist in Folge der Abreise des kaiserlichen Gesandten Trauttmansdorff aus Münster (16. Juli 1647) eine eindeutige Zäsur festzustellen, zumal dann auch andere Teilnehmer die Verhandlungsorte verließen.
Im Fürstenrat zu Osnabrück war hingegen das am häufigsten diskutierte Thema die Sicherheit und der Unterhalt des Reichskammergerichtes, obwohl die Verhandlungspartner auf kaiserlicher, schwedischer und französischer Seite gar nicht beabsichtigten, diese Frage in die Friedensverträge aufzunehmen. Das Grundproblem war finanzieller Natur: Mehrere Reichstände schuldeten große Summen wegen der unvollständigen Bezahlung des Kammerzielers. Diese Beratungen schienen nicht ganz nutzlos ausgegangen zu sein, da immerhin einige Reichstände zu gewissen Zahlungen bewegt werden konnten. Die Diskussionen verdeutlichen den Stellenwert des Reichskammergerichtes als einer schützenswerten Reichsinstitution für die Reichstände.
In der Pfalzfrage war der Fürstenrat viel vorsichtiger: Die Errichtung einer achten Kur und damit die Änderung der Goldenen Bulle wurde zwar positiv bewertet, die Verhandlungen über die weiteren strittigen Punkte jener "Causa Palatina" überließ man jedoch den Kaiserlichen, Schweden und Franzosen. Mit Blick auf diese Beratungen hebt Maria-Elisabeth Brunert hervor, dass hier die Ausformung einer überkonfessionellen Gruppierung in ihren Anfängen festzustellen ist, "die pragmatisch das Mögliche tat, das Unmögliche beiseite ließ und zielstrebig auf den Frieden zuarbeitete." (LXXV)
Zu den strittigen Fragen um Basel und die Schweizer Eidgenossenschaft, die eigentlich mit dem Dreißigjährigen Krieg nichts zu tun hatten, gab der Fürstenrat zu Osnabrück die von den Kaiserlichen, dem österreichischen Direktorium und den Reichsständen in Münster geforderten Empfehlung zur Exemtion nicht. Auch bezüglich der französischen Territorialwünsche, vor allem der elsässischen Städte, der Herrschaft Boxtel in Brabant setzte sich der Fürstenrat für die Bewahrung des Reichsrechtes ein.
Besonders bei den Themen der Satisfaktionsforderungen Hessen-Kassels und beim Marburger Erbfolgestreit, beides reichsinterne Konflikte, ist festzustellen, dass der Fürstenrat eine Stellungnahme vermied und die Entscheidung den Betroffenen überließ. Dass er aber allein durch die Beschäftigung mit einigen Fragen zur Lösung von Konflikten beitragen konnte, zeigt am Besten die kurbrandenburgische Besetzung der Stadt Herford. Faktisch tat der Fürstenrat Osnabrück für die Stadt wenig, Kurfürst Friedrich Wilhelm verzichtete aber für eine längere Zeit auf die vollständige Unterwerfung Herfords.
Wie Maria-Elisabeth Brunert in der Einleitung schildert, waren die Votanten in Osnabrück größtenteils mit denen früherer Beratungsphasen identisch, es sind jedoch einige Verschiebungen und Änderungen in Bezug auf die Aktivität und Bedeutung einiger Reichstände festzustellen. Salzburg übernahm die Führung des Direktoriums häufiger als Österreich, seine Gesandten werden aber nie mit Namen angegeben, "was auch daran liegen mag, dass sie insgesamt wenig hervortraten, sich oft der Mehrheit anschlossen oder angaben, nicht instruiert zu sein" (XC), wie Brunert formuliert. Ebenso ist festzustellen, dass die Katholiken, obwohl sie stets das Direktorium führten, im Fürstenrat in der Minderheit waren. Vor allem die geistlichen Fürstentümer fehlten regelmäßig. Dies kann aus der Übersicht über die Voten, die wie im früheren Teilband so auch diesmal dargeboten wird (378 f.), abgelesen werden. Eine Ausnahme bildet die sog. "Re- und Correlation" in der "Causa Palatina" vom 18./28. März 1647, wo auch die Geistliche Bank (ohne das Fürstbistum Basel) vollständig votierte. Die Anmerkungen zum Protokoll verraten aber, dass viele lediglich durch andere Votanten vertreten wurden. Johann Bischopinck, Offizial Wartenbergs, stimmte zum Beispiel bei dieser "Re- und Correlation" auch für die Hochstifte Eichstätt, Augsburg und Regensburg sowie wahrscheinlich für Münster, Lüttich, Chur, Paderborn und die Fürstpropstei Ellwangen mit (Nr. 131, Anm. 13, 167).
Innerhalb der evangelischen Reichstände hat im Editionszeitraum Sachsen-Altenburg an Bedeutung gewonnen, während der Einfluss Magdeburgs schwand. Es treten außerdem einige fachkundige Gesandte aus den Quellen heraus, wie Wolf Konrad von Thumbshirn (Sachsen-Altenburg), der sich in reichsrechtlichen Fragen einen Namen machte, sowie Johann Philipp von Vorburg (Würzburg), der mit Kenntnissen in historischen Themen auf sich aufmerksam machte.
Zu Protokollführung und Druckvorlagen stellt Brunert fest, dass die evangelischen Teilnehmer gemäß einer früheren Vereinbarung ein gemeinsames Protokoll führten, das in internen Abschriften zirkulierte. Die Katholischen, die, wie wir gesehen haben, viel weniger an den Beratungen teilnahmen, hinterließen entsprechend lückenhafte Protokollserien. Darüber informiert das vorletzte Unterkapitel der Einleitung sehr detailliert (XCIX-CXII). Der Edition wurden nur die vollständigen Protokollserien und einige Teilserien zugrunde gelegt. Für die Kommentierung der einzelnen Protokolle wurden auch die einschlägigen Akten von Kurmainz, Magdeburg, Sachsen-Altenburg und Württemberg hinzugezogen.
Zur besseren Orientierung in den verschiedenen Themenbereichen werden die einzelnen Beratungsvorlagen zu den Protokollen zusammenfassend wiedergegeben, außerdem finden wir die wichtigsten Lebensdaten der bekannten Persönlichkeiten in den kommentierenden Anmerkungen.
Besonders lobenswert ist überdies, dass die Bearbeiterin vor der mühsamen Arbeit der Zusammenstellung eines vorläufigen Personenregisters auch diesmal nicht zurückgeschreckt ist, so dass eine rasche Orientierung auch vor dem Erscheinen des Gesamtregisters möglich ist. Und vor allem die Nichtmuttersprachler werden das ausführliche Abkürzungsverzeichnis (XLVIII-LII) begrüßen, in dem auch die für das deutsche Fachpublikum bekannten Siglen aufgelöst sind.
Abschließend kann festgestellt werden, dass mit diesem Teilband die lange Tradition der APW-Reihe in bewährter Weise fortgeführt wird: die schwer zugänglichen Akten der Friedensverhandlungen fachkundig zu edieren und damit sicher zu stellen, dass die Interessenten in die Vorarbeiten und den Entstehungsprozess des Friedenswerkes einen ausführlichen Einblick gewinnen können.
András Forgó