Jan Peters (Hg.): Peter Hagendorf - Tagebuch eines Söldners aus dem Dreißigjährigen Krieg (= Herrschaft und soziale Systeme in der Frühen Neuzeit; Bd. 14), Göttingen: V&R unipress 2012, 234 S., 17 Abb., 1 Übersichtskarte, ISBN 978-3-89971-993-2, EUR 29,90
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Wilhelm A. Eckhardt / Helmut Klingelhöfer (Hgg.): Bauernleben im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges. Die Stausebacher Chronik des Caspar Preis 1636 - 1667. Mit einer Einführung von Gerhard Menk, Marburg/Lahn: Trautvetter & Fischer 1998
Christian Bartz: Köln im Dreißigjährigen Krieg, Frankfurt a.M. [u.a.]: Peter Lang 2005
Matthias Asche / Anton Schindling (Hgg.): Das Strafgericht Gottes. Kriegserfahrungen und Religion im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges, Münster: Aschendorff 2001
Johannes Arndt: Der Dreißigjährige Krieg 1618-1648, Stuttgart: Reclam 2009
Sabine Eickhoff / Franz Schopper (Hgg.): 1636 - Ihre letzte Schlacht. Leben im Dreißigjährigen Krieg, Stuttgart: Theiss 2012
Ralf-Peter Fuchs: Ein 'Medium zum Frieden'. Die Normaljahrsregel und die Beendigung des Dreißigjährigen Krieges, München: Oldenbourg 2010
Jan Hirschbiegel / Werner Paravicini (Hgg.): Der Fall des Günstlings. Hofparteien in Europa vom 13. bis zum 17. Jahrhundert. 8. Symposium der Residenzen-Kommission der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Ostfildern: Thorbecke 2004
Ulrike Hammer: Kurfürstin Luise Henriette. Eine Oranierin als Mittlerin zwischen den Niederlanden und Brandenburg-Preußen, Münster: Waxmann 2001
Als vor knapp zwanzig Jahren Jan Peters das Söldnertagebuch erstmals veröffentlichte, war dies eine Sensation: autobiographische Aufzeichnungen, die nicht von einer prominenten und sozial hochstehenden Persönlichkeit stammten, sondern von einem einfachen Kriegsknecht, der offenbar das Bedürfnis hatte, sein Leben in diesen unruhigen Zeiten aufzuschreiben. Erstmals überhaupt lag nun ein Tagebuch vor, dass den Krieg aus der Perspektive eines Söldners schilderte. Daran hat sich auch jetzt nichts geändert - da bislang keine weiteren Söldnertagebücher aufgetaucht sind, ungeachtet eines starken Interesses an derartigen Selbstzeugnissen, nach denen auch vielfach gezielt gesucht wurde [1], stellt dieses Tagebuch nach wie vor ein typologisches Unikat dar. Das Interesse an diesem Text ist von vornherein groß gewesen, und dementsprechend intensiv ist auch die Rezeption ausgefallen: Will man seitdem veranschaulichen, wie ein einfacher Soldat den Krieg wahrgenommen hat, greift man auf die Befunde dieses Tagebuchs zurück. Nur verständlich ist es daher, wenn dieser Text, dessen Erstausgabe längst vergriffen ist, nun wieder neu aufgelegt wurde.
Die zweite Auflage bietet wie schon der Erstdruck den Text des Tagebuchs in zweifacher Form, einmal in der buchstabengetreuen Wiedergabe, dann in einer normalisierten, leserfreundlicheren Sprache und entsprechendem Schriftbild. Auch die Anmerkungen sowie Indizes und Karten sind geblieben. Ebenso sind die drei Abschnitte zur Chronik selbst, zum Soldatenalltag und zur Gedankenwelt des Söldners unverändert wiederabgedruckt worden. Die hier angebotenen ersten interpretatorischen Ansätze können auch nach wie vor Gültigkeit beanspruchen. Ergänzt hat Peters sie um ein Nachwort, in dem vor allem die Forschungsgeschichte seit den frühen 1990er Jahren skizziert wird. Dies umfasst die Bereiche der neueren Militärgeschichte, der Erforschung von Selbstzeugnissen und der "Söldnergeschichte" selbst, verstanden als Militärgeschichte, die vor allem die einfachen Kriegsknechte in den Blick nimmt. Mit diesen Passagen kontextualisiert Peters das Tagebuch in diesen Forschungssträngen, gleichzeitig spiegelt er vielfach auch die Impulse, die von dem Söldnertagebuch selbst ausgegangen sind.
Dies bewegt sich alles in weithin bekannten Bahnen, so dass die Frage im Raum steht: Was ist wirklich neu an der zweiten Auflage? Die größte Überraschung findet sich bereits im Titel. War bei der Erstauflage noch ganz unbestimmt von "Ein[em] Söldnerleben im Dreißigjährigen Krieg" die Rede, führt der Titel nun den Namen "Peter Hagendorf". War der Name des tagebuchschreibenden Söldners im Jahr 1993 noch eine bloße Vermutung, ist er mittlerweile eine belegbare Tatsache. Diesen Erkenntnisfortschritt hat jedoch nicht Jan Peters selbst erbracht, sondern er verdankt sich den Forschungen Marco von Müllers, der diesen Nachweis im Rahmen seiner Berliner Magisterarbeit bereits im Jahr 2004 präsentieren konnte. Diese Arbeit ist zwar als PDF im Internet verfügbar [2], allerdings hätte es der Neuauflage gut zu Gesicht gestanden, wenn Müller seine Ergebnisse ebenfalls in einem kurzen Beitrag zusammengefasst hier hätte einfügen können.
Man kann sich allerdings auch umgekehrt fragen, warum überhaupt eine gedruckte Neuauflage anvisiert wurde. Denn mittlerweile haben sich zumal für Quelleneditionen auch Standards im Bereich des Online-Publizierens ausgebildet, die einen deutlichen Mehrwert bieten. So schön es ist, einzelne Beispielseiten aus der Vorlage faksimiliert zu sehen, wäre eine komplette Digitalisierung der Vorlage wünschenswert gewesen. Es ist ja heutzutage kein großer Aufwand mehr, die Transkription parallel zum digitalisierten Original zu stellen. Der Umfang des Tagebuchs von 175 Seiten sprengt ja keineswegs die Handhabbarkeit einer der üblichen Datenbanklösungen. Einen zusätzlichen Gewinn hätten Verknüpfungen mit weiteren lexikalischen und bibliothekarischen Netzangeboten gebracht, von der Einbindung der Arbeit Müllers ganz abgesehen. Dabei hätte man gar nicht eine isolierte Online-Präsenz installieren müssen, sondern hätte womöglich an bereits etablierte Projekte anschließen können wie etwa "Mitteldeutsche Selbstzeugnisse der Zeit des Dreißigjährigen Krieges".[3]
Gerade der hohe Stellenwert dieser Quelle, den kaum jemand leugnen wird, hätte eine solche elektronische Verfügbarkeit nur sinnvoll erscheinen lassen. Die weitere intensive Auseinandersetzung mit diesem Selbstzeugnis wäre jedenfalls auf diese Weise nur befördert worden. Nun soll an dem Punkt nicht der Umstand der Neuauflage an sich beklagt werden - es ist ja prinzipiell zu begrüßen, dass dieser Text wieder verfügbar ist. Allerdings kann man auch nicht die Augen davor verschließen, dass es sich hierbei eben nur um eine zweitbeste Lösung handelt. Der Söldner Peter Hagendorf hat es in seinem Leben wahrlich nicht leicht gehabt. Nun aber droht er auch bei seiner zweiten Karriere als wissenschaftliche Zelebrität ins Hintertreffen zu geraten.
Anmerkungen:
[1] Einen Überblick über die autobiographischen Zeugnisse aus der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs bei Benigna von Krusenstjern: Selbstzeugnisse der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Beschreibendes Verzeichnis (Selbstzeugnisse der Neuzeit, 6), Berlin 1997.
[2] Auf der im Buch auf Seite 183 Anm. 3 angegebenen Netzadresse ist der Text allerdings nicht mehr abrufbar, wohl aber noch über den Wikipedia-Artikel zu Peter Hagendorf.
[3] http://www.mdsz.thulb.uni-jena.de/sz/index.php (2.3.2013).
Michael Kaiser